Kapitel 7

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Scheiße...

Kai guckt mir immer noch in die Augen, während er von Julian einfach weitergeschoben wird. Erkennt er mich? Oder noch schlimmer, kann er sich an alles erinnern? Bevor ich weiter darüber nachdenken kann drückt mir Sarah schon eine Speicherkarte in die Hand. „Bist du so lieb und bringst die zu Simon? Er ist im Studio wo auch der Computer steht, an dem wir die Fotos erstmal speichern. Du musst einfach wieder ins Gebäude zurück und da nach rechts. Das ist so groß, das kannst du nicht verfehlen" Kurz nicke ich und stecke den kleinen Chip in meine Hosentasche. Ich springe von der Kiste herunter, die eigentlich für die Stative zur Aufbewahrung ist, ich sie jedoch als Sitzplatz missbraucht hatte.

Bevor ich mich jedoch auf den Weg zu diesem Simon mache, riskiere ich einen kurzen Blick nach vorne, wo gerade von Kai die Fotos gemacht werden. Er lächelt leicht gequält und sieht absolut nicht so aus, als würde er aus Spaß hier stehen. Ich mustere ihn kurz und bemerke dann den roten, schon leicht bläulichen Fleck an seinem Hals schräg unter seinem Hals. Oh nein, nein, nein... Deshalb hat er vorhin noch ein Tuch getragen! Klar war es nicht unbedingt warm draußen, weshalb er das gut als Ausrede benutzen konnte, aber jetzt wo Fotos gemacht wurden musste er es natürlich abnehmen. Oh man, wie konnte das nur passieren?!

Ich reiße mein Blick von dem Knutschfleck, den Kais Hals ziert, als es Julian und noch einem braunhaarigen Spieler anscheinend zu viel wird, und sie aufspringen um Kai etwas zum lachen zu bringen. Plötzlich springt Julian dem anderen noch auf den Rücken, scheitert dabei aber kläglich und so landen beide auf dem Boden. Kai scheint es, wie von beiden geplant, gesehen zu haben und ich kann tatsächlich ein Lachen hören. Und es ist ein echtes Lachen, das sieht man. Zumindest ich als Fotografieren, denn das ist immer das was ich auf Fotos einfangen möchte: ein echtes Lachen, das ist künstlich ist.

Ein kleines lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich Kai noch ein paar Sekunden beim Lachen beobachte. Das werden bestimmt gute Fotos. Nach einem Moment beschließe ich dann, dass ich die Karte wohl besser zum Studio bringen sollte und nicht irgendwelche Typen anstarren sollte. Nun ja, was heißt irgendwelche, schließlich ist das der Typ, mit dem ich noch vor ein paar Tagen im Bett gelandet bin und mich an fast nichts mehr erinnern kann.

Ich gehe also den Weg, den Jana und ich hergegangen sind, zurück zu dem Gebäude der Agentur. Als ich wieder vor der Tür stehe, seufze ich einmal. Das hier ist tatsächlich mein neuer Arbeitsplatz. Das ist unglaublich, wenn man bedenkt, dass ich davor in einem alten kleinen Fotoladen gearbeitet habe, der natürlich auch nicht schlecht war. Aber das hier ist eben meine Chance auf eine richtige Karriere als Fotografin. So wie meine Mutter es ist. Sie ist eine unglaubliche Fotografin, wenn ich es beurteilen müsste sogar die Beste. Sie hat mir schon mit Vier eine Kamera in die Hand gedrückt und schon wenige Jahre später wusste ich schon alle Einstellungen und wie man gute Fotos schießt. Aber ich bin auch nach all den Jahren nicht so gut wie meine Mom, auch wenn sie etwas anderes behauptet.

Kurz nachdem sie erfahren hat, dass sie mit mir Schwanger ist, hat sie ein Angebot einer großen Agentur in Deutschland bekommen, dass sie hier für große Modezeitschriften Fotografieren dürfe. Das war laut meiner Mom die schwierigste Entscheidung die sie je fällen musste. Und dafür bewundere ich sie sehr. Auf der einen Seite war es das was sie schon immer wollte: Fotografieren. Un das auch noch in ihrem Heimatland Deutschland. Doch anderseits müsste sie ihre Wahlheimat Australien verlassen, und damit ihren Mann und meinen Vater, der das Land unter keinen Umständen verlassen wollte, denn auch er hatte dort seine Leidenschaft gefunden: Das Rennfahren. Und so trennten sich die Wege meiner Eltern, was meine Mom nie bereut hat.  Meine Eltern blieben dennoch immer in Kontakt, auch wenn Joe eine neue Frau geheiratet und zwei Kinder hatte. Nun ja, und jetzt bin ich hier und habe einen festen Job als Fotografin und erfülle mir somit auch meinen Traum, wie es meine Mutter gemacht hat.

Ich seufze nochmals und verfalle dann endgültig in die Erinnerungen, die gerade in mir hoch schwappen...

13 Jahre zuvor

„Mom?", rufe ich durch das Haus. „Ja mein Schatz?", kommt die Stimme meiner Mutter auf der Küche zurück, in die ich auch sofort renne. „Darf ich rausgehen? Und kannst du mitkommen?", frage ich sie und setze extra meinen besten Welpenblick auf. Meine Mom fängt an zu lächeln. „Aber klar doch, was willst du denn draußen?" „Du sollst mir zeigen wie das neue Objektiv funktioniert! Ich habe vorhin einen sooo schönen Schmetterling gesehen, aber mit dem Alten Ding ist das voll blöd", quengele ich. „Und außerdem will ich morgen Anna zu ihrem Geburtstag ein Bild von einem Schmetterling schenken! Du weißt doch wie sehr sie die Liebt, und man wird schließlich nur einmal 7!" Meine Mom fängt nun an zu lachen und schmeißt das Geschirrtuch auf die Arbeitsfläche. „Na gut Kleine, aber nicht so lange, ja? Morgen muss Mama wieder früh raus!" „Ist in Ordnung, Danke Mami!", lache ich und schlinge meine Arme um den Körper meiner Mutter. Sie wuschelt mir ein paar Mal durch die Haare, bis sie mich hochnimmt und nach draußen trägt.

„Guck mal Mom!", rufe ich freudig und zeige auf eine Raupe, die sich gerade ihren Weg über die Terrasse bahnt. „Ui, die ist aber cool! Komm Kleine, ich zeig dir wie du das machen kannst"

* * *

„Hey, ist hier ein Simon, ich soll ihm eine Speicherkarte mit den Fotos von draußen geben.", frage ich einen Mann um die 40, der gerade im Studio herum läuft und anscheinend ein wenig aufräumt. Das ist hier auch nötig, denn überall stehen Stative, Lichter oder anderes Equipment herum. Das Studio ist dennoch überwältigend. Es ist wirklich riesig und so viel für Setups und zum Fotografieren habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen.
„Jap der steht vor dir! Vielen Dank", bedankt er sich lachend, als ich ihm den Chip in die Hand drücke. „Du bist die Neue, oder?" Ich nicke, „Jap, die bin ich. Heute ist sozusagen mein erster Tag und ich muss sagen ich liebe es jetzt schon hier" „Oh ja, es ist wirklich super hier. Ich bin jetzt seit fast 15 Jahren hier und habe noch nie selbst im Traum daran gedacht zu wechseln", meint Simon lachend. „Ally, richtig? Ich habe tatsächlich schon von dir gehört. Jana war vorhin hier und hat von dir geschwärmt. Nicht jeder ist gleich am ersten inoffiziellen Tag so engagiert und vor allem hat noch nie jemand Jana so schnell von sich überzeugt, dass sie ihn gleich einstellt ohne zu überlegen!" Ich merke wie ich rot anlaufe, und murmele ein „Dankeschön" Simon fängt wieder an zu lachen und deutet dann auf einen Schreibtisch mit drei Bildschirmen. „Komm, ich zeige dir wie wir das hier alles machen, und dann will ich mal sehen was du so drauf hast als Fotografin. Ich habe gleich zwei Mädchen hier, die zusammen Fotos haben möchten. Vielleicht möchtest du das übernehmen?" „Oh wow, vielen Dank! Klar, das mache ich gerne.", antworte ich begeistert. Ich darf direkt am ersten Tag ein Shooting machen? Das ist unglaublich... Sonst machen ‚Neulinge' normalerweise die ganze Drecksarbeit wie aufräumen und Fotos sortieren, und werden erst nach ein paar Wochen oder Monaten hinter die Kamera gestellt.

How deep is your love - Kai Havertz ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt