„Nein. Einfach nein. Niemand und ich meine absolut niemand auf dieser ganzen Welt hört im März Weihnachtsmusik. Liss. Mach. Es. Aus. Ich flehe dich an."
„Du Grinch!", schimpft sie und nimmt sich ihr mit bunter Lichterkette geschmücktes Rentiergeweih vom Kopf.
„Das ist nicht grinchig, das ist menschlich!"
„Willst du mir jetzt auch verbieten morgens Weihnachtsmann und Co Kg zu schauen, hm Tate? Was willst du dagegen tun?" Wie eine Boxerin beginnt sie auf der Stelle zu hüpfen und in die Luft zu schlagen. Ihre blonden Haare mit den neuerdings türkisen Spitzen hüpfen auf und ab und ich frage mich, wie es nur soweit kommen konnte.
Ich seufze nur kopfschüttelnd.
„Eigentlich liebst du alles an mir!" Sie sieht mich provozierend an. Ich kann förmlich sehen, wie ihr lila Teufelshörner wachsen. Der WhatsApp Emoji ist nichts gegen sie.
„Wag es nicht!", drohe ich ihr. Ihre Hand umschließt den Knopf fester.
„Und weißt du was, Tate? Eigentlich glaube ich, dass es absolut nichts auf dieser Welt gibt, was dich dazu bringen konnte mich nicht mehr zu mögen. Also, here we go."
Sie drückt auf den Knopf und ich sacke in mich zusammen, während ein ohrenbetäubend lautes Jingle Bell durch den Raum dröhnt.
SOS
Ich schreibe schnell eine Nachricht an Toni. Dann mache ich ein Video von der tanzenden Liss, die sich ihr Rentiergeweih gerade wieder aufsetzt und schreibe dazu. Jingle Belle, Jingle Bella, Jingle all the way, schummelt sich wie ein fieser Kater in mein Hirn.
Sie ist endgültig übergeschnappt.
Ich habe befürchtet, dass es soweit kommen wird.
Ich glaube, es gibt nur eine Möglichkeit...
Innerhalb von Sekunden verlasse ich fluchtartig die Wohnung und mache mich auf dem Weg, um Macarons zu holen. Bei Emily in Paris, das wir auf Tonis Wunsch hin gestern geschaut hatten, waren wir alle ganz schön in Versuchung geraten. Ich steuere eine kleine Bäckerei an, Liss arbeitet in dem Café nur zwei Häuser weiter und sie schwärmt andauernd von den köstlichen Süßspeisen, die hier in der Auslage angeboten werden. Hoffentlich würden die sie beruhigen. Wenn die es nicht schaffen, wäre ich vollkommen ratlos.
Das Café war winzig. Direkt neben der Eingangstür führt eine Treppe in den ersten Stock. Die Theke nahm die gesamte Länge des Ladens ein und vorne im Bereich waren nur drei kleine Tische mit jeweils zwei Stühlen zu finden.
Ich hatte Glück, denn der Mann vor mir, mit zwei riesigen Macarons Packungen beladen, verabschiedet sich gerade und so war nur noch eine Frau vor mir dran.
Die Fensterläden waren hellblau gestrichen und auf den Fensterbänken und kleinen Regalen waren unglaublich viele kleine Pflanzen, Backbücher und alte Fotografien aufgestellt. Es handelt sich wohl um ein Familienunternehmen, denn auf einem dieser schwarzweiß Fotos sah ich genau diesen Raum hier.
Die Kassiererin ist super schnell und gut gelaunt und nur kurze Zeit später verlasse ich mit meinen 24 Macarons die Bäckerei. Dieses Mal lasse ich mein Handy in der Tasche und laufe ohne Musik nach Hause.
Obwohl ich den Herbst mehr lieber mochte als den Frühling, lächelte ich beim Anblick der ersten Krokusse und grünen Knospen. Ich genoss den Wind, der endlich nicht mehr schneidend vor Kälte, sondern fast sanft weht. Was ich am Frühling jedoch besonders mag ist seine Beständigkeit. Seine Verlässlichkeit. Egal, wie hart und lang der Winter gewesen ist, der Frühling findet seinen Weg. Er ist entschlossen und mutig und bricht durch den kalten Winter, durch die gefrorenen Böden und vereisten Blätter.
Danach kam außerdem der Sommer und danach der Herbst. Ein äußert zuverlässiger Kreislauf, der ohne den Einfluss des Menschen niemals aus seinem Rhythmus geraten würde.
Denn wenn ich an den Herbst dachte , sah ich gefärbte Blätter, die den Boden vollständig bedecken. Gelbe und rote Eichenblätter, die vom Wind in alle Richtungen gewirbelt werden. Ich hörte Regen, der gegen Fensterscheiben prasselt, auf den Regenschirm oder mit einem sanften Trappeln auf die Jacke und die Kapuze.
Natürlich war das eine total romantisierte Vorstellung, aber gleichzeitig auch nicht. Es gibt diese Tage, die der Grund dafür sind, dass es goldener Oktober heißt. Weil die Sonne so hell strahlt und der Himmel so wolkenlos ist, als wäre es einer der schönsten Sommertage.
Zudem genoss ich die ungemütlichen Herbsttage beinah genau so sehr. Warme Getränke, eingekuschelt auf dem Sofa vor einer guten Serie, mit einem tollen Buch oder mit Freunden gemeinsam bei einem Spieleabend. Selbst als ich letztes Jahr im strömenden Regen und vollständig durchnässt nach einem Spaziergang mit den Hunden zuhause ankam, war das Gefühl der Geborgenheit und Wärme zuhause einfach so wohltuend, dass ich es keinen Moment bereut hatte, bei schlechtem Wetter loszuziehen.
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Was ist eure Meinung zu einem zweiten Teil? Ursprünglich hatte ich Never Falling Deeper als Dilogie geplant, die beide von Tate und Cole handeln. Was sagt ihr dazu?
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Never Falling Deeper | Abgeschlossen
RomanceTate Mitchels weiß genau, was sie will und was nicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben geht es ihr gut, wirklich gut. Sie hat Freundinnen, arbeitet, kann sich ihren Lebensunterhalt verdienen und studiert Journalismus. Das ist, was sie will. Ein normale...