22. Kapitel

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Vier Tage später befand sich Schmutzpfote immer noch im Heilerbau und vegetierte gelangweilt vor sich hin, als Ottersee zurück in ihren Bau kam. Schmutpfote schenkte ihr keinen Blick.

"Bist du etwa immer noch sauer, wegen dieser Patrouille? Du musst dich ausruhen", meinte die Heilerin harsch während sie Moos auf einigen Dornen zum Trocknen aufhängte.

"Das war nicht irgendeine Patrouille!", knurrte die getigerte Kätzin beleidigt und schnaubte. "Himmelspfote hat ihre erste Beute auf dieser Jagd gefangen und ich hätte dabei sein müssen!"

Schuldbewusst dachte Schmutzpfote an den Moment, wo ihre Schwester ins Lager zurückgekehrt war. In ihrem Maul hatte eine Dohle gebaumelt, die sie stolz jedem gezeigt hatte, der ihr zuhören wollte. Schmutzpfote hatte sich entsetzlich geärgert und dieser Ärger war noch nicht verebbt. Ottersee hatte sie einfach nicht gehen lassen, dabei ging es ihr schon sehr viel besser. Trotzdem bestand die braune Heilerin darauf, dass sie noch zwei weitere Tage im Heilerbau blieb.

"Das ist meine Aufgabe, Schmutzpfote. Als Heilerin muss ich manchmal schlechte Nachrichten überbringen, das ist so, ob es dir gefällt oder nicht", antwortete Ottersee säuerlich.

Schmutzpfote schnaubte nur erneut und legte den Kopf auf die Pfoten. Ihr gelber Blick schweifte zu dem kleineren Nest weiter hinten im Bau. Seit zwei Tagen lag dort Himbeerjunges ganz alleine. Ottersee hatte ihre Zehen nicht retten können und seit gestern konnte das Junge sie auch nicht mehr spüren. Seitdem hatte die rote Kätzin kein Wort gesagt und lag einfach nur da. Sie tat Schmutzpfote leid, aber sie war selbst zu wütend um gerade mit irgendjemandem zu reden, ohne ihn anzuschnauzen.

Ottersee seufzte neben ihr und rollte mit den Augen.

"Machen wir eine Vereinbahrung, in Ordnung? Du kümmerst dich jetzt um die Nester der Kinderstube und passt heute Abend auf Himbeerjunges auf, während ich weg bin, dann kannst du morgen zurück in den Schülerbau, einverstanden?"

Überrascht hob Schmutzpfote den Kopf, so ein Angebot hatte sie nicht erwartet.

"Gut. Aber wo gehst du denn hin?", fragte sie und legte den Kopf schief. Es war, so weit sie wusste, nicht Halbmond.

"Ich treffe mich mit Reiherflügel beim SeeClan. Er braucht anscheinend Hilfe, weil eines ihrer Jungen sehr krank ist.", antwortete die dunkelbraune Kätzin, sie war damit beschäftigt, einige Kräuter in Efeublätter einzuwickeln, nicht zuletzt eines, dass einfach herrlich duftete. Das musste einfach Katzenminze sein! Der Duft ließ Schmutzpfote das Wasser im Mund zusammenlaufen. "Also kann ich mich auf dich verlassen? Du machst die Nester in der Kinderstube neu und übernimmst Himbeerjunges?"

Schmutzpfote nickte. Momentan war ihr jede Aufgabe, die nicht im Heilerbau stattfand, recht.

"Sehr gut, dann mach dich mal an die Arbeit."

Das ließ sich Schmutzpfote nicht zwei Mal sagen. Sie stand auf und schlüpfte aus dem Heilerbau, wo ihr sofort kalte Luft entgegenschlug. Zuerst hatte sie den Schnee gemocht, doch nun verabscheute sie ihn, der Schneesturm hatte ihr den Ernst der Lage klar gemacht. Gelbschweif und Leopardenschweif arbeiteten immer noch daran, das, vom Wind und Schmelzwasser zerstörte Dach des Kriegerbaus zu reparieren.

Auf der Lichtung türmten sich kleine Haufen voll graubraunem Schneematsch und sonst plattgetretene Erde war aufgeweicht und man sank leicht darin ein.

Angewidert über den feuchten Dreck zwischen ihren Zehen lief Schmutzpfote hinüber zur Kinderstube und zwängte sich durch den Eingang, die Ranken kratzten unangenehm an ihrem Fell, aber zum Glück erwartete sie eine wohlige Wärme im Bau.

Kaum hatte sie die Kinderstube betreten, kullerten ihr Möwenjunges und Jubeljunges vor die Pfoten, die miteinander rangen. Überraschenderweise schlug sich Jubeljunges ganz gut gegen den größeren Kater und zum Schluss hielt sie seine Pfote zwischen den Kiefern.

"Hab dich!", quietschte die silbern getigerte Kätzin und holte Möwenjunges mit Schwung von den Beinen.

Zum ersten Mal seit ein paar Tagen schlich sich ein Lächeln auf Schmutzpfotes Lippen.

"Na, ihr beiden?", schnurrte sie und stupste Jubeljunges liebevoll an die Wange. Sie und ihr Bruder waren ihr sehr ans Herz gewachsen.

Die beiden Jungen sahen zu ihr auf, Möwenjunges'rote Augen jagten ihr immer wieder einen Schauer über den Rücken.

"Schmutzpfote!", rief Jubeljunges und sprang sie an. Ihre kleinen Krallen piksten in ihre Schulter, als das Junge ihren Rücken erklomm. "Bist du gekommen, um mit uns zu spielen?"

"Tut mir leid, ich bin nur hier um die Nester zu erneuern. Aber danach habe ich ein bisschen Zeit, denke ich."

Ein wenig ließ Jubeljunges die Ohren hängen, aber sie war sofort wieder gut gelaunt, als sie mit einem beeindruckenden Satz von Schmutzpfotes Kopf hinunter auf Möwenjunges sprang und ihn zu Boden warf.

"Du wirst mal eine gute Kämpferin", lobte Schmutzpfote, bevor sie sich dem ersten Nest zuwandte.

Fuchsblüte lief in der Zeit in der Kinderstube herum und versuchte, ihre Jungen von dummen Dingen abzuhalten.

"Bist du erleichtert, dass sie bald Schüler werden?", fragte Schmutzpfote die rot-weiße Kätzin. Fuchsblüte war ihr immer wie die geborenen Mutter vorgekommen, aber so langsam schien sie überfordert.

"Und wie", keuchte die Königin, während sie Rabenjunges aus den Efeuranken pflückte. "Sie werden mir natürlich fehlen, aber ich freue mich, wieder Kriegerin sein zu können. Einen Viertelmond dauert es noch, dann macht Ameisenstern sie zu Schülern."

Schmutzpfote  lächelte, doch als ihr Blick auf Schreckjunges und Jubeljunges fiel verschwand das Lächeln.

"Warte...was wird dann aus Jubeljunges und Schreckjunges?"

Die beiden kleinen Jungen sahen auf, als sie ihre Namen hörten und sogleich fing sich die silber getigerte Kätzin einen wohlplatierten Pfotenschlag von Möwenjunges ein. Fuchsblüte biss sich auf die Lippe, als hätte sie sich verplappert.

"Was ist mit uns?", fragte Schreckjunges schüchtern.

Erwartungsvoll, jedoch besorgt blickte die Schülerin in die blauen Augen der Königin. Hatte sie etwa vor, ihre kleineren Jungen in der Kinderstube zurückzulassen?

"Kommt her, ihr beiden", sagte Fuchsblüte leise und ringelte den Schweif um die Kleinen. Schreckjunges sah aus, als würde er gleich zu weinen beginnen, dabei wusste er noch nicht einmal worum es ging.

"Hört mal, ich liebe euch, das wisst ihr doch, oder", miaute die Königin und leckte Schreckjunges beruhigend über die Ohren. "Aber ich kann einfach nicht noch vier Monde in der Kinderstube bleiben. Ich möchte in den Kriegerbau zurückkehren."

Schreckjunges begann bereits zu schniefen, Jubeljunges hingegen empörte sich lautstark. Schmutzpfote ließ ungläubig das Moos in ihren Pfoten sinken.

"Und was wird aus uns?! Du kannst uns doch nicht alleine lassen!", beschwerte sich die silbern getigerte Kätzin.

"Ihr werdet nicht alleine sein. Kastanienfall zieht in ein paar Tagen in die Kinderstube. Sie wird auf euch aufpassen."

"Aber wir wollen nicht diese blöde Kastanienfall! Wir wollen dich! Du bist doch unsere Mutter, wie kannst du uns alleine lassen?"

Schmutzpfote konnte nicht wirklich gglauben, was sie da hörte. Fuchsblüte ließ ihre Jüngsten im Stich? Sie hätte nie gedacht, dass die Königin das Kriegerdasein über ihre Ziehjunges stellen würde. Und seit wann erwartete Kastanienfall Junge?

"Wenn ihr erst einmal Krieger seid, werdet ihr das verstehen." Und damit war Fuchsblüte aus der Kinderstube verschwunden.

Schreckjunges war nun tatsächlich in Tränen ausgebrochen, dicke, runde, Tropfen rollten seine dunkelbraunen Wangen herunter.

Ungelenk legte Schmutzpfote ihm den Schweif auf den Rücken, ihr Herz schmerzte, als sie ihn so sah. Sie versuchte, auch Jubeljunges mit ihn tröstliche Umarmung zu ziehen, aber die silber Gestreifte rannte davon, um in der dunkelsten Ecke zu schmollen.

Schmutzpfote verstand die Welt nicht mehr, niemals hätte sie damit gerechnet, dass Fuchsblüte so etwas tat. Gab es denn irgendjemanden in diesem Clan, der keine Geheimnisse hatte?

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