Am nächsten Morgen wache ich auf als ich spüre wie jemand an meiner Hand zerrt. Ich mache die Augen auf und sehe wie Jake mir die Handschelle aufschließt. Er lächelt mich sanft an.
„Guten morgen little Girl. Hast du gut geschlafen?"
Ich antworte ihm nicht. Er braucht nicht glauben das er mich einfach entführen kann und ich dann noch irgendein Wort mit ihm rede.
„Hör auf zu schmollen, es tut mir leid, dass ich gestern Abend vergessen habe dir die Handschelle abzumachen, warum hast du nichts gesagt?"
Ich rede weiterhin nicht mit ihm. Auch wenn es kindisch ist zu schmollen, finde ich, dass ich ihm nichts zu sagen habe. Ohne ein weiteres Wort verlässt Jake den Raum. Ich höre das Klicken des Schlosses und Jakes sich entfernende Schritte. Da ich nun nicht mehr an das Bett gefesselt bin, nutze ich die Zeit in der ich alleine bin um das Zimmer zu erkunden. Neben dem Schreibtisch führt eine Tür in ein angrenzendes Badezimmer, welches aber keine weitere Tür hat durch die ich fliehen könnte. Also gehe ich zurück ins Zimmer. Über dem Schreibtisch hängt ein kleines Regal mit einigen Büchern. Einige Krimis, aber auch poetische Romane und ein paar privat aussehende Notizbücher. Entgegen meiner Neugierde lese ich die Notizbücher nicht. Ich würde auch nicht wollen, das jemand in meinem Tagebuch liest. Beim Stöbern in den Romanen bleibe ich bei einem hängen. „Mission New York" das ist doch der eine den ich in der Bibliothek ausgeliehen habe. Ich nehme mir das Buch und setzte mich wieder auf die Bettkante. Ich bin zuhause noch nicht dazu gekommen es zu lesen, aber hier scheine ich ja alle Zeit der Welt zu haben. Ich verliere mich schon nach kurzer Zeit in dem Buch und bemerke gar nicht wie Jake das Zimmer betritt, sich an den Schreibtisch setzt und mich beobachtet. Erst als ich aus Durst zur Wasserflasche, welche mir der braunhaarige Jungen gestern gegeben hatte, greife, sehe ich Jake am Schreibtisch sitzen. Ich schrecke kurz zusammen, was ihn zu belustigen scheint. Still grinsend geht Jake zum Kleiderschrank und holt eine Tüte mit Klamotten hervor. Er stellt sie neben mich auf das Bett und geht wieder zum Schreibtisch. Skeptisch schaue ich ihn an.
„Guck nicht so! Das sind deine Sachen. Ich war bei dir zuhause und habe ein paar davon besorgt, damit du was zum anziehen hast."
„Du könntest mich auch einfach nach Hause gehen lassen, dann hätte ich dort auch etwas zum anziehen."
Über meine Aussage fängt Jake an zu lachen. Ich schnappe mir eines der Kopfkissen und werfe es in seine Richtung.
„Lach nicht!"
„Warum nicht? Du hättest dich sehen müssen, so voller Trotz, wie ein kleines Kind das Süßigkeiten haben will"
Lachend wirft er das Kissen zurück. Trotzig nehme ich mir frische Klamotten aus der Tüte und gehe mich im Bad umziehen. Wieso entführt Jake mich und besorgt mir dann frische Klamotten? Warum hat er mich überhaupt entführt? Ich bin ein niemand in der Schule. Ich versuche möglichst unsichtbar meinen Abschluss zu machen damit ich aus dieser verdammten Stadt raus komme. Was ist so interessant an mir Im Badezimmer gehe ich in einem auch zur Toilette bevor ich wieder zu Jake ins Zimmer gehe. Dieser sitzt am Schreibtisch und ist über eines dieser Notizbücher aus dem Regal gebeugt. Ich setzte mich stumm auf das Bett. Ich verstehe die ganze Situation nicht. In einem Moment werde ich wie eine Gefangene behandelt und im nächsten Moment wie ein Gast. Jake scheint mich nicht zu bemerken. Er ist ganz in sein Notizbuch vertieft. Es klopft an der Tür. Jake schaut von seinem Notizbuch auf, erst zu mir und dann zur Tür, bevor er sich in Bewegung setzt und die Tür aufschließt. Davor steht der blonde Junge von gestern.
„Jake, essen ist fertig. Kommst du?"
„Einen Moment Bryan ich komme sofort."
Der Blonde heißt also Bryan. Essen hätte ich jetzt auch gerne, denn ich merke wie der Hunger langsam größer wird, aber ich sage nichts. Jake geht zum Schreibtisch und legt das Notizbuch zurück in das Regal danach verlässt er ohne ein Wort zu sagen den Raum. Das einzige was ich höre ist das Klicken des Schlosses als Jake den Schlüssel herumdreht. Da ich nichts anderes zu tun habe nehme ich mir wieder das Buch von vorhin und lese weiter. Das nächste mal das ich das Klicken des Türschlosses höre ist eineinhalb Stunden nachdem Jake gegangen war. Ich habe ungefähr die ersten 150 Seiten fertig als plötzlich Bryan im Raum steht. Ohne ein Wort zu sagen starrt er mich an.
„Noch nie ein Mädchen mit einem Buch in der Hand gesehen oder warum starrst du so?"
„Ich...Ähh... Ich hab hier Frühstück für dich und eine neue Flasche Wasser."
Ohne mich aus den Augen zu lassen stellt Bryan den Teller und die Wasserflasche auf dem Nachtisch ab und geht zurück zur Tür.
„Wann lasst ihr mich wieder gehen?"
„Das solltest du besser Jake fragen."
„Wo ist er denn?"
„Gerade nicht zuhause, aber er kommt in ein paar Stunden zurück."
Mit diesen Worten verlässt Bryan den Raum. Ich höre wieder das Klicken des Schlosses und danach nur noch Stille. Ich schaue rüber zu dem Teller den Bryan mir hingestellt hat, Käsebrot und Rührei. Wenigstens gibt es etwas gescheites zu essen. Ich nehme mir den Teller und die Wasserflasche und setzte mich an den Schreibtisch. Ich habe noch nie gerne im Bett gegessen, es war mir schon immer lieber mich vernünftig an einen Tisch setzten zu können. Nachdem ich aufgegessen habe setze ich mich wieder mit dem Buch auf das Bett. Kurz nach Mittag höre ich einen laut streitenden Jake näher kommen. Bevor er die Tür aufschließt und eintritt beendet er auf dem Flur sein Telefonat, zumindest denke ich das er telefoniert hat. Genervt lässt sich Jake auf das Bett fallen und starrt die Decke an. Neugierig beobachte ich ihn dabei. Eigentlich wollte ich ihn ja fragen was er mit mir vor hat und wann er mich gehen lässt, aber ich glaube nicht das ich jetzt eine Antwort darauf erhalten werde. Eher nerve ich ihn nur noch mehr und ich will nicht erfahren was passiert wenn eine gewisse Schwelle überschritten wird, deswegen wende ich meinen Blick von ihm ab und lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf das Buch. Egal wie sehr ich es aber auch versuche ich kann mich nicht mehr auf das Buch konzentrieren. Ich stehe auf und lege das Buch, nachdem ich mir ein Lesezeichen vom Schreibtisch genommen habe, wieder zurück in das Regal. Währenddessen spüre ich durchgehend seinen Blick auf mir. Als ich mich umdrehe um zum Bett zurück zu gehen richte ich bewusst den Blick zu Boden um zu vermeiden das sich unsere Blicke treffen.
„Kannst du mich etwa nicht anschauen?"
Ich weiß nicht ob es beabsichtigt war das in seiner Frage so viel Wut zu hören war, aber ich hebe sofort meinen Blick und sehe ihn an, da sein Ton mir eine solche Angst eingejagt.
„Na geht doch! War das jetzt so schwer?"
Ängstlich gehe ich die letzten Schritte zum Bett und setzte mich wieder auf die Bettkante. Ich versuche möglichst viel Platz zwischen uns zu lassen. Jake sagt nichts weiter dazu. Er macht irgendetwas an seinem Handy und geht nach einiger Zeit auch schon wieder. Kurze Zeit später kommt er allerdings mit zwei dampfenden Tellern wieder. Er stellt die Teller ab und setzt sich auf die eine Ecke vom Schreibtisch und nimmt einen der Teller in die Hand und beginnt zu essen. Ich schaue ihn stumm an ohne zu wissen was ich tun soll.
„Jetzt komm endlich bevor dein Essen kalt wird."
Lachend deutet Jake auf den Schreibtischstuhl. Langsam stehe ich auf und gehe zu ihm herüber. Ich setzte mich an den Tisch und beginne zu essen, Kartoffelpüree und Fischstäbchen mit Spinat. Genüsslich esse ich die Fischstäbchen und den Kartoffelpüree, doch den Spinat lasse ich auf dem Teller. Schon als Kind mochte ich keinen Spinat.
„Willst du den Spinat nicht?"
„Nein, ich mag Spinat nicht."
„Okay dann tauschen wir. Du isst meinen restlichen Kartoffelpüree und ich deinen Spinat."
Noch ehe er ausgesprochen hat tauscht Jake unsere Teller. Nach dem Essen verlässt Jake mit den Tellern wieder den Raum und kehrt erst einmal auch nicht wieder. Ich setze mich derweil wieder mit dem Buch auf das Bett. Am Abend bringt mir Bryan ein Käsebrot und eine neue Wasserflasche. Danach nehme ich mir meinen Pyjama aus der Tüte und gehe ins Badezimmer. Ich dusche mich kurz und putze mir mit einer frischen Zahnbürste aus dem Schrank unter dem Waschbecken die Zähne. Danach kämme ich mir noch kurz die Haare und lege mich schlafen. Ich lege mich extra an die äußerste Bettkante und nehme mir keine Decke, um bloß möglichst weit von Jake entfernt zu liegen sollte dieser irgendwann wieder kommen. Nach einiger Zeit falle ich in einen traumlosen Schlaf. Als ich am nächsten Morgen aufwache merke ich, dass Jake, welcher noch seelenruhig neben mir schläft, mich zugedeckt haben muss. So geht es eine ganze Woche lang jeden Tag. Vormittags bringt Bryan mir Frühstück und eine Wasserflasche, mittags essen Jake und ich stumm am Schreibtisch das Mittagessen und abends bringt Bryan mir wieder Abendbrot und eine neue Wasserflasche. Dazwischen sehe ich die Jungs nur selten. Ich bin fast die ganze Zeit alleine und lese ein Buch nach dem anderem. Ab und zu wenn ich noch nicht ganz eingeschlafen bin bekomme ich mit wie Jake mich zudeckt und an den anderen Tage bemerke ich es erst wenn ich morgens zugedeckt aufwache.
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Little Girl
Roman pour AdolescentsWenn man entführt wird, versucht man instinktiv zu fliehen, das liegt in der Natur des Menschen. Doch ganz so einfach ist es für Sam nicht. Aus irgendeinem Grund drängt ihre Neugierde und ihr Drang zu helfen und zu verstehen den Drang zur Flucht in...