Wilde Rose- Kapitel 1

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Training. Gelangweilt saß Gawain im Innenhof Camelots und guckte seinen Kameraden zu. Seit über zwei Jahren wohnte er bereits bei König Uther Pendragon, um als Knappe seinen Ritterstatus zu erlangen. Doch er war nicht der einzige mit diesem Ziel. Seine Freunde Sagramor, Tristan und Arthur hatten denselben Traum.

 Sie waren schon eine seltsame Gruppe. Sagramor kam aus Griechenland, er war schon fast chronisch erkältet, oft launisch, immer hungrig, aber unglaublich talentiert. Er brachte den Kampfstil der Griechen mit und kombinierte diesen mit dem hier Erlernten. Außerdem war er Gawains bester Freund.

 Tristan war eher ein Romantiker. Er schrieb kitschige Songs oder Gedichte und ging Gawain damit oft auf die Nerven. Er war von sehr dürrer Gestalt, was wohl daran lag, dass er häufig lieber auf seiner Laute spielte, anstatt mit den anderen Extratraining zu machen. Sein Traum war es eines Tages nicht nur als Ritter bekannt zu sein, sondern auch als Troubadour von Schloss zu Schloss zu reisen und den Bewohnern Lieder über seine Abendteuer vorzuspielen.

 Arthur war als Waisenjunge ins Schloss gekommen und lebte von da an bei Merlin in seinem Baumhaus. Merlin hatte es irgendwie geschafft, Uther davon zu überzeugen, dass Arthur bei der Ritterausbildung teilnehmen durfte. Mit ihm eckte Gawain des Öfteren an. Denn Arthur war der Untalentierteste, weshalb er ab und zu Nachhilfe bei Gawain nahm. Arthur war hingegen der Meinung, dass Gawain lieber mit dem Schwert draufhaue, statt seinen Kopf zu benutzen. Okay, das stimmte schon ein bisschen und Gawain hatte sich und seine Freunde schon öfters in gefährliche Situationen gebracht, aber er hatte sie auch schon aus eben solchen Situationen gerettet.

 Zusammen mit Prinzessin Guinivere bildeten sie die „Freunde der Tafelrunde". Sobald sie Ritter sein würden, hoffte Gawain, dass sie sich in die „Ritter der Tafelrunde" umbenennen, denn inzwischen fand er diesen Namen kindisch. Guinivere war seit ein paar Monaten mit Arthur zusammen. Sie waren ein tolles Paar, beide rechthaberisch und angeberisch. Ja sie waren befreundet, aber unter guten Freunden streitet man auch ab und zu gerne. Guinivere war keine gewöhnliche Prinzessin. Sie wollte sich nicht an die Regeln halten, ritt mit den Jungs lieber durch den Wald, statt zu stricken und liebte das Bogenschießen. Sie war Meisterin darin. Mit vierzehn Jahren war sie bereits besser als die meisten Ritter Camelots und sie hatte ihr Können in den letzten zwei Jahren nochmals gesteigert.

 Die einzige Bewohnerin in ihrem Alter, die nicht der Tafelrunde angehörte, war Morgan. Sie lebte ebenfalls bei Merlin dem Zauberer, da sie auch über magische Kräfte verfügte und erlernen musste mit diesen umzugehen. Die anderen hatten sie als Freundin aufgenommen, doch Gawain sträubte sich etwas dagegen. Sie war wirklich nett, aber sie war nun mal eine Tintagel. Die Tintagels waren Feinde König Uthers und seinen Verbündeten. Morgans Vater hatte mit Uther Pendragon um den Thron gestritten. Während einer gewaltsamen Auseinandersetzung kam er durch König Uthers Klinge ums Leben. Seitdem lebten die Tintagel-Töchter Morgause und Igraine mit ihrem Cousin Mordrid auf Schloss Tintagel, welches eher einer Ruine glich.

 „Das geht auch etwas schneller!" Die strenge Stimme des Waffenmeisters und Ausbilders Meister Ulfin holte Gawain scharf aus seinen Gedanken. Im Moment führten Arthur und Tristan einen Trainingskampf im Nahkampf aus. Sie umkreisten sich gegenseitig und schlugen gelegentlich auf das Schild des anderen, bevor sie sich wieder hinter dem eigenen versteckten. Sie hatten schon vor Wochen mit einer neuen Kampftechnik begonnen und sollten das Erlernte heute gegen den anderen einsetzen, doch so richtig traute sich wohl niemand. 

„Los Arthur, das war die Gelegenheit. Wenn ich jetzt nicht gleich einen richtigen Schwertkampf zu sehen bekomme, dürft ihr beiden die Greifen ausmisten." Dieser Satz zog immer wieder. Tristan setzte zum Angriff an. Er schlug gezielt auf die Seite von Arthurs Schild. Dieses flog etwas zur Seite und Tristan setzte erneut zum Angriff an. Arthur reagierte rechtzeitig und blockte den Angriff mit seinem Schwert. Gleichzeitig holte er mit seinem Schild aus und rammte es gegen Tristans. Damit hatte dieser nicht gerechnet. Er verlor es und war nun schutzlos.

 Keine Verteidigung mehr? Also Angriff! Tristan schlug wie ein Bekloppter aus allen Richtungen auf Arthurs Schild ein und drängte ihn zurück. Völlig überrumpelt lief Arthur einige Schritte rückwärts, stolperte und landete auf dem Boden. Schild und Schwert vor Schreck von sich geworfen.

 „Stopp!" schrie Ulfin, „Gut gemacht Tristan. Arthur, der Gegenangriff war gut, du musst aber noch an deiner Nervosität arbeiten. Steh auf!" Meister Ulfin schien auf den ersten Blick unsympathisch, jedoch wachte er wie ein Löwe über seine Schützlinge und wollte sie nur auf den Ernstfall vorbereiten. Es gab viele Strafen, jedoch eher für die anderen. Gawain hatte sich schon früh den Status des Lieblingsschülers erkämpft und konnte diesen Titel auch mit Leichtigkeit halten. Es hatte viele Vorteile, klar, gleichzeitig war es auch ein riesiger Druck. Wenn er ausnahmsweise nicht der beste war, war die Enttäuschung bei Meister Ulfin natürlich riesig und er verlangte schwierigere Aufgaben von ihm, bis er wieder der Beste war. 

Seit ein paar Tagen musste er sich um das Training jedoch keine Sorgen mehr machen. Er war nur Zuschauer. Ein dicker Verband umschloss sein Knie. Er hatte einen dummen Unfall gehabt. Sagramor und er wurden von Langeweile geplagt, während Tristan mit Arthur Nachtwache hatte. Die Knappen wohnten alle, bis auf Arthur, in einem Zimmer. Die beiden hatten beschlossen aus Spaß ihre Schwerter aus dem Schrank zu nehmen und zu kämpfen. Sie waren anfangs vorsichtig gewesen, da sie schon ihre Schlafgewändern trugen. Doch wie es bei zwei Hitzköpfen nun mal so war, hatten sie diesen Umstand schnell vergessen und hatten gekämpft als hätten sie ihre Rüstungen nie abgelegt. So kam es, dass Sagramor ausholte und sein Schwert Richtung Gawains Hüfte geführt hatte. Dieser hatte den Schlag zwar abgewehrt, doch Sagramors Klinge war abgerutscht und der Schwerthieb hatte seine Richtung geändert. Diesen Schmerz würde Gawain nie vergessen. Das war das erste Mal gewesen, dass er die Bekanntschaft mit einer Klinge gemacht hatte. Ihm ist ziemlich bald schwarz vor Augen geworden. Er war in Merlins Baumhaus aufgewacht und sein Knie war genäht worden.

Merlin beriet den König nicht nur, sondern war auch für die Kranken und Verletzten zuständig. Merlin hatte schon öfters gesagt, dass man endlich einen Hofarzt brauche, denn mit Magie könne man gewöhnliche Dinge eher schlecht heilen. Der misstrauische König wollte jedoch niemanden außer Merlin, dem er als einzigen sein Vertrauen schenkte. Magie heilte magisches, nichtmagisches konnte eher von Nichtmagischem geheilt werden. Folglich konnte Gawain nicht einmal richtig laufen und etwas mit seinen Freunden unternehmen. Er hoffte einfach, dass es schnell verheilen würde, bevor die anderen ihm im Training meilenweit voraus waren.

 „So, kommt mal alle zusammen. Wie ich gesehen habe, gibt es hier und da noch kleinere und größere Baustellen in eurer Kampftechnik, jedoch werden wir mit einem neuen Thema beginnen. Ab morgen werden wir Bogenschießen. In ein paar Wochen findet ein Turnier statt, bei dem Knappen aus vier Burgen gegeneinander antreten werden, um die Leistung zwischen den Ritterschulen zu vergleichen. Camelot gilt als DIE Ritterschule und ich möchte diesem Ruf alle Ehre machen. Außerdem werden eure Familien anreisen, somit soll die Allianz zwischen den Familien gefestigt werden und eure Verwandten können sich vergewissern, dass ihr bei uns in guten Händen seid. Das Training ist beendet. Es wäre wünschenswert, wenn ihr selbstständig im Laufe des Tages nochmals trainieren würdet. Räumt die Sachen weg. Ihr dürft gehen." Mit diesen Worten wand sich Meister Ulfin ab und stapfte Richtung Schloss. Bogenschießen, da konnte man auch mit kaputtem Knie mitmachen. Davon war Gawain überzeugt.

Er durfte keine Schwäche zeigen. 

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