Lilienfisch

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Entnervt stöhnte Lily auf und strich sich eine widerspenstige Strähne roten Haars hinters Ohr. Nun saß sie schon seit drei Stunden in der Bibliothek, hatte unzählige Bücher durchblättert und war trotzdem nicht weitergekommen.

Sie sah auf das aufgeschlagenen Buch neben ihr und dann auf das Blatt, auf dem schon dutzende Sätze und Stichpunkte fein säuberlich durchgestrichen worden waren. Wieso hatte sie sich auch so viel Zeit gelassen? Normalerweise erledigte sie sowas doch viel früher! Zumal es hier um ein Geburtstagsgeschenk ging! Und morgen hatte der Professor schon Geburtstag...

»Wenn du das machen willst, was ich denke, dass du es machen willst, dann schaust du im falschen Buch«, ertönte eine Stimme direkt neben ihrem Ohr und Lily fuhr erschrocken herum, sodass sie sich den Hals verrenkte.

»Potter...«

Den konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen... Mit schmerzerfüllter Miene rieb sie sich den Hals.

»Ich kann dich jetzt echt nicht gebrauchen. Los, geh schon wieder!«

Aber natürlich hörte er nicht auf sie. Mit einem breiten Grinsen ließ er sich neben Lily auf die Bank fallen, woraufhin sie ein Stück wegrückte.

»Nun, du versuchst einen Verwandlungszauber zu erfinden«, sagte er, während er nochmal Lilys Notizen überflog. »Und zufälligerweise ist Verwandlung das einzige Fach, in dem ich besser bin als du.«

»Ich brauche deine Hilfe nicht.«

»Sicher?«

»Ja-ha!«, sagte sie mit Nachdruck. Warum musste Potter auch immer dann auftauchen, wenn sie ihn am wenigsten gebrauchen konnte? Anstatt weiterzuarbeiten, musste sie ihre kostbare Zeit nun für eine sinnlose Konversation opfern.

»Wie du meinst... Ich wüsste zwar genau, welches Buch du brauchst...«

Er drehte sich weg zum Gehen und Lily konnte sein Grinsen nicht sehen. Ihm war sehr bewusst in was für einen Zwiespalt er sie da zog.

Einerseits war sie furchtbar von ihm genervt, auch wenn sie inzwischen gemeinsam Schulsprecher waren und er sie nicht mehr nach Dates fragte, aber Lily war stur und hielt an ihrer Meinung fest.

Andererseits war ihr deutlich bewusst, dass er ihr helfen könnte und dass sie alleine noch ewig brauchen würde. Aber sie müsste Zeit mit ihm verbringen - etwas gegen das sie sich Jahre lang vehement gewehrt hatte.

James war fast hinter dem nächsten Regal verschwunden, als Lily ihn zurückrief.

»Okay, warte! Ich... Kannst du mir sagen, welches Buch ich brauche?«, den Schluss murmelte sie kaum verständlich.

Siegreich lächelnd kam James zurück und zog unterwegs einen dicken Band aus einem Regalbrett. Er wollte sich wieder neben sie setzen, aber Lily deutete auf den Platz ihr gegenüber. James ging einmal um den Tisch herum und reichte ihr das Buch.

»Bittesehr, Li - Evans«, er verbesserte sich rasch, als er sah, wie sie die Augen zusammenkniff.

Lily überflog den Titel und den Klappentext des dicken Einbands.

»Verwandlung von Tieren in Pflanzen? Aber ich will doch eine Pflanze in ein Tier verwandeln!«

»Evans, Evans... Wenn du das Tier in eine Pflanze und dann wieder zurückverwandelst, dann ist das doch viel einfacher. Du veränderst nur kurzzeitig die Form, anstatt etwas komplett neues zu erschaffen. Hast du bei McGonagall etwa nicht aufgepasst?«, sagte er gespielt geschockt.

»Hmpf...«, machte sie. Jetzt wo er es sagte, fiel ihr auch etwas in diese Richtung ein. »Und wie mach ich aus dem Fisch jetzt eine Blume?«

»Die meisten Zaubersprüche bauen auf das Lateinische auf... Was bedeutet „Fisch"?«

»Ciris, piscis, cithaurus, ...«

»Reicht schon. Versuchen wir es erstmal mit Ciris. Was bedeutet Blume?«

»Bellis oder floris.«

»Merlin, wie kannst du dir das merken? Was war das erste?«

»Bellis, Genitiv ebenfalls bellis und das Genus ist femininum.«

»Dann probier es mit Ciris Bellis. Wenn das nicht funktioniert, dann guck, ob eine andere Kombination funktioniert.«

James lächelte sie an und reichte ihr den Stift, damit sie alles notieren konnte.

»Okay... Das war einfach«, sagte sie verblüfft und lachte leicht. »Dankeschön, James.«

James Grinsen wurde breiter und Lily lief rot an.

»Kein Ding, Lily.«

Mit diesen Worten verließ James die Bibliothek und Lily beschloss, dass er vielleicht doch nicht so nervig war.

***

Drei Jahre später ging Professor Horace Slughorn in sein Wohnzimmer. Es war der 31. Oktober 1981 - Halloween. Er war den ganzen Abend bei einer Feier gewesen und nun war es an der Zeit Francis - seinen Fisch - zu füttern.

Aber als er auf die Kommode sah, auf der, neben den Bildern seiner Schüler, Francis' Aquarium stand, blieb er stehen. Das Aquarium war leer. Francis war weg.

Als Horace Slughorn näher heranging spürte er, wie sich ein Knoten in seinem Hals bildete. Er wusste, dass sie tot war. Seine beste Schülerin:

Denn auf der Wasseroberfläche schwamm das verwelkte Blatt einer Lilie.

749 Wörter

TheGermanGurl meine Abgabe für die erste Aufgabe deines Oneshot-Wettbewerbs.

Es ist nicht mein bestes Werk (und auch nicht mein längstes...), aber es ist, glaube ich, doch ganz gut.

Und ja, ich weiß, dass das ziemlich einfach war für einen Zauberspruch...

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