Kapitel 43

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Pov Marlon
Meine Lippen sind mittlerweile bestimmt nur noch als schmaler Strich erkennbar, so schmerzhaft fest presse ich sie aufeinander. Egal wie krampfhaft ich es versuche, ich schaffe es nicht den Blick von Amy und Fabi abzuwenden, die auf der gegenüberliegenden Seite des Schulhofs beieinander sitzen und ein intensives Gespräch zu führen scheinen. Selbst auf die Ferne erkenne ich wie vertraut die beiden miteinander umgehen und zu sehen wie Amy in seinen Armen liegt, bereitet mir einen ziemlichen Stich im Herzen.
"Nicht hingucken", vernehme ich von der Seite und drehe den Kopf daraufhin zu Juli, der mich leicht belehrend ansieht.
"Hä?"
"Du siehst aus als würdest du jeden Moment auf Fabi losgehen wollen", stellt er fest. Ich stoße ein unverständliches Grummeln aus.
"Gar nicht wahr."
"Doch. Du tust dir doch nur selbst weh indem du die beiden die ganze Zeit beobachtest", widerspricht er mir kopfschüttelnd. Er deutet vage in die Richtung der Bank, auf der Amy und Fabi sich befinden und dummerweise folge ich seinem Blick.
Wie von Juli vorausgesagt zieht sich erneut alles in meiner Brust zusammen. Es ist als würde ich keine Luft mehr bekommen, so weh tut es zu sehen, wie Amy über Fabis Worte kichert und wie er ihr liebevoll durchs Haar streicht.
"Seit wann verstehen die beiden sich so gut?", will Maxi, der uns gegenüber sitzt und unseren Blicken gefolgt ist, stirnrunzelnd wissen. "Wenn ich das wüsste..."
Meine Stimme klingt viel gebrochenener als beabsichtigt und promt durchzuckt ein leichter Schmerz mein Schienbein, da in dieser Sekunde ein kleiner Ast darauf trifft. Empört schnellt mein Kopf in Richtung meines Bruders neben Maxi, von dem aus der Stock definitv geflogen kam.
"Alter, was soll der Scheiß?", fahre ich ihn an, doch er quittiert meinen wütenden Blick bloß mit einem verschmitzten Grinsen.
"Komm runter Brüderchen, ich wollte dich nur ablenken." Ich schaube. "Ist ja nett."
"Danke, ich weiß. Aber Juli hat schon recht und ich finde auch, dass du dir zu viele Gedanken machst", fährt Leon fort.
"Ich mache gar nichts", protestiere ich trotzig, doch seine hochgezogene Augenbraue signalisiert mir sofort, dass er mit keinen Glauben schenkt.
"Man würde deine Eifersucht selbst aus zehn Metern Entfernung sehen", spottet er.
Bevor ich allerdings zum Antworten komme, mischt Maxi sich ein und sieht mich mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen an. "Du hast Gefühle für Amy, nicht wahr?"
Eigentlich möchte ich sauer auf Leon sein, dass Maxi es durch ihn gerade erfahren hat, aber in Maxis Blick liegt so viel Wärme, dass ich plötzlich keinen Grund mehr darin sehe. Er ist ein so herzlicher und liebevoller Mensch, dass es mir gar nichts ausmacht und ich keinerlei Sorge habe, dass er es jemandem erzählen könnte. Von daher nicke ich zögerlich. "Leider ja", gebe ich zu.
Zum ersten Mal ohne zu Zögern.
"Und warum leider?", will Maxi wissen, woraufhin ich seufzend zu Amy und Fabi rübernicke. "Du siehst doch selbst wie sie mit ihm umgeht."
"Alter Marlon", funkt Leon leicht aufgebracht dazwischen. "Gibst du jetzt ehrlich deswegen deine ganze Hoffnung auf? Nur weil sie sich gut mit Fabi zu verstehen scheint?"
Ich presse verbittert die Zähne aufeinander und blicke hilfesuchend zu Juli rüber, doch
auch er stimmt Leon schulternzuckend zu.
"Die beiden sind mit Sicherheit nur gut befreundet. Wir haben doch alle mitbekommen, wie sich da in letzter Zeit
langsam eine Freundschaft entwickelt hat."
Für einen kurzen Moment muss ich die Augen schließen und tief durchatmen, um die Anspannung in meinem Inneren ein bisschen lockern zu können. Wahrscheinlich haben sie alle ja recht und ich übertreibe wirklich. Doch ein wissendes Gefühl tief in mir, meine Intuition, lässt mich davon nicht so überzeugt sein, wie meine Freunde es anscheinend sind.
Von daher wende ich mich wieder meinem Bruder zu. "Aber Fabi hat keine Gefühle für sie oder sowas, oder?", frage ich ihn sicherheitshalber. Gleichzeitig verfluche ich mein Herz dafür, wie aufgeregt es auf einmal gegen meine Rippen pocht, in gespannter Erwartung auf Leons Antwort.
Dieser schüttelt allerdings den Kopf.
"Nicht das ich wüsste."
"Ey du bist sein bester Freund, du müsstest soetwas doch eigentlich wissen", stöhne ich frustriert auf und mein Bruder reißt verteidigend die Hände in die Luft.
"Aber der Kerl ist ein verdammt unberechenbares Mysterium. Der lässt mich nur wissen, was er mich wissen lassen will."
Ich muss mich bemühen, nicht noch ein weiteres Mal zu seufzen. Leons Aussage hat mich nicht einen Millimeter weitergebracht.
"Ach Leute, selbst wenn es so wäre", ertönt Maxis ruhige Stimme erneut. Sein Blick fängt meinen und als wolle er seine nächste Worte bekräftigen, zeigt er auf mich.
"Amy hat sowieso nur Augen für dich."
Mein Herz macht einen ungewollten Satz.
"Woran machst du das bitte fest?", frage ich ihn stutzig. Meine Augen leuchten wahrscheinlich so hoffnungsvoll, dass es fast schon wieder erbärmlich ist, aber das ist mir in diesem Moment egal. Maxi zuckt die Schultern, schmunzelt dann aber leicht.
"Ist nur so ein Gefühl, keine Garantie. Aber ich bin glaube ich ganz gut darin, Menschen zu lesen. Sie mag dich, glaub mir."
"Na siehst du, da hast du es doch", grinst Juli erfreut und stupst mich aufmunternd an. "Deine Sorgen sind wirklich umsonst."
Ich zwinge mir ein schwaches Lächeln auf und kann nicht verhindern, dass ich mich allmählich ein wenig entspanne. Zwar tut der Blick zu Amy und Fabi rüber noch immer weh, aber möglicherweise liegt Maxi ja wirklich richtig. Und die Hoffnung darauf überwiegt meine Sorge in diesem Moment.

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