Ten • Jouska

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Hyunjin
Hey Felix~
Hast du morgen Zeit? Ich würde gerne mit dir reden

Dieser Junge hatte wohl eine Begabung darin, Dinge in mir auszulösen, die mir zuvor völlig fremd gewesen waren. Seit exakt vierzig Minuten lief ich nun schon auf und ab und zerbrach mir den Kopf darüber, über was er mit mir sprechen wollen würde. Seine Nachricht könnte absolut alles bedeuten - das war auch der Grund, wieso ich sie einfach nicht aus dem Kopf bekam.

Fingen wir mit der Begrüßung an. Sie erschien mir fröhlich, herzlich, einladend. Besonders das Wellenzeichen am Ende deutete an, dass eine positive Einstellung hinter seinen Worten steckte. Offenbar gefiel ihm der Gedanke, mir zu schreiben, und wahrscheinlich empfand er auch das Gespräch als etwas, worauf man sich freuen konnte. Wenn man nur den ersten Teil in Betracht zog, gäbe es keinen einzigen Grund, sich Sorgen zu machen.

Allerdings gab es einen zweiten Teil. Weder hatte er in irgendeiner Weise angedeutet, worüber er sprechen wollte, noch hatte er einen Emoji hinzugefügt, der mich beruhigen sollte. Die passiv-aggressive Art, die in dieser neutralen Frage steckte, machte mich wahnsinnig. Es sorgte dafür, dass ich tausend verschiedene Szenarien in meinem Kopf durchspielte und mir ausmalte, worüber zur Hölle er mit mir sprechen wollte. Es könnte um alles gehen. Wie sollte ich so heute Nacht schlafen können?

"Hey, Felix. Du gehst mir eigentlich ziemlich auf die Nerven durch deine anhängliche Art. Mach dir bitte nichts draus, aber ich möchte nicht länger mit dir befreundet sein."
"Huh? Das... das... autsch..."
"Versteh mich bitte nicht falsch, Felix, du bist echt süß. Jedoch sind deine Probleme zu schwerwiegend für mich. Ich will nicht deinen Therapeuten spielen."
"Das kann ich verstehen... aber... nein, vergiss es. Vielleicht ist es besser so."
"Das ist es. Auf Nimmerwiedersehen, Felix, ein schönes Leben noch."

Ich blieb an Ort und Stelle stehen. Nein, das klang falsch, das klang nicht nach Hyunjin. Niemals würde er so herzlos mit mir umgehen oder mich gar absichtlich verletzen. Er war rücksichtsvoll, liebend, ein guter Junge. Sein Verständnis reichte weit über das von anderen Menschen hinaus. Er würde seine Worte viel vorsichtiger und zaghafter wählen als so.

"Felix. Ich habe mich in dich verliebt."
"
Du hast was?"
"
Ich habe mich in dich verliebt. Und ich möchte mit dir gehen. Magst du mich denn nicht auch?"
"Doch, doch, natürlich! Aber... ich habe nicht mit einem Geständnis gerechnet!"
"Tja, ich stecke eben voller Überraschungen.~"

Nein... nein, auch das erschien mir nicht richtig. Niemals würde Hyunjin so direkt sein. Wobei, eigentlich hatte ich keine Ahnung, wie er mit seinen Gefühlen umging. Drückte er sie offen und direkt aus? Versteckte er sie lieber hinter süßen Taten und übermittelte mit jeder Kleinigkeit mehr die Worte, die er eigentlich aussprechen wollte? Das wäre so romantisch, so unglaublich zuckrig und romantisch... aber war er wirklich so schüchtern? Ruhig bedeutet nicht gleich schüchtern. Hm, nein, vermutlich lag ich wieder falsch.

"Felix? Es ist wirklich schön-"
"Hyunjin, ich liebe dich."
"Ich... was?"
"Ich liebe dich. Schon seit dem ersten Tag an habe ich dich geliebt!"
"Wow... das... ich wusste, dass du Gefühle für mich hast, aber ich dachte nicht, dass sie so stark sind. Aber weißt du was? Ich liebe dich auch, Felix."

Wieder schüttelte ich meinen Kopf. Langsam verlor ich den Glauben daran, dass ich Hyunjin tatsächlich so gut kannte, wie ich es ursprünglich angenommen hatte. Offenbar hatten die wochenlangen Text-Gespräche nicht genügt, damit ich seine Handlungen und Worte richtig abschätzen konnte. Mit jeder Tat stellte er mich vor ein neues Rätsel. Meine Gedanken wurden von Mal zu Mal absurder und ich glaubte so langsam mein Gefühl zur Realität zu verlieren. War ich in Träumen gefangen, in Fantasien und Hoffnungen? Oder stellte er mich vor die blanke Realität, die ich einfach nicht einsehen wollte?

War das womöglich meine Angst davor, ihn zu verlieren? Zu viel zu sein, erneut allein gelassen zu werden? Ich durfte das nicht überwiegen lassen, nein, niemals. Dafür war Hyunjin zu perfekt. Das hatte er nicht verdient.

Okay, ein letzter Versuch:

"Hey, Felix. Ich habe uns Karten für ds Konzert geholt, zu dem du gehen wolltest."
"Darüber wolltest du mit mir reden?"
"Hast du etwas anderes erwartet? Zwischen uns läuft doch alles gut, oder?"
"Ja... aber..."
"Kein Aber! Felix, du bist ein besonderer Junge, von dem ich einfach nicht genug kriegen kann. Und ganz egal, wie oft deine Selbstzweifel dir das Gegenteil einreden wollen, ich werde niemals genervt von dir sein, hörst du? Dafür habe ich dich zu gern."
"..."
"Was? Habe ich dir die Sprache verschlagen?~"
"Du weißt von meinen Gefühlen, oder? Wenn du dich weiterhin so benimmst, dann werde ich..."
"Ja, ich weiß davon. Und sie stören mich nicht. Im Gegenteil. Ich möchte nicht, dass sie... na ja... verschwinden. Immerhin... mag ich dich auch, weißt du?"

Mein Gesicht lief bei der Vorstellung an diesen Ablauf schlagartig tiefrot an. Wahrscheinlich glich ich in diesem Augenblick eher einer Tomate, als einem normalen Menschen, einem Rubin, der die Leidenschaft der Liebe widerspiegeln sollte. Hastig schnappte ich mir ein Kissen und presste mein Gesicht hinein, fing laut an zu schreien. Das war die einzige Möglichkeit, wie ich mein Herzklopfen senken konnte, sonst würde ich gleich noch hyperventilieren.

Meine Güte, wie sollte ich diese Nacht bloß überstehen? All diese verschiedenen Ausgänge waren viel zu wahrscheinlich... und besonders der Letzte klang mir ein wenig zu realistisch.

Tief holte ich Luft und warf mich in mein Bett. Ich zog die Decke bis zu meinem Kinn, ehe ich erneut mein Handy ergriff. Mit großen, hellwachen Augen starrte ich Hyunjins Nachricht an. Erneut machte mein Herz einen Sprung, so als würden bereits in der Ferne Hochzeitsglocken läuten, nur für uns, allein für uns beide.

Vielleicht war ich doch verliebter, als ich mir eingestehen wollte.

Felix
Jap, ich habe Zeit. Sag mir einfach, wann und wo, und ich werde da sein c:

★★★

Jouska:
A hypothetical conversation you compulsively play out in your head.

Eudaemonia ★ HyunlixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt