AZRIEL
Nachdem ich auch den restlichen Dreck und Schweiß von meinem Körper gewaschen hatte, saß ich in frischer Kleidung und den Briefen meiner Seelengefährtin in der Hand auf meinem Bett. Fast schon traurig sah ich die goldenen Umschläge mit der genauso goldenen Insignie des Tageshofes an. Es war, wie als wäre ich Melany nah, und doch fern. Fern, und doch nah. Ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man die Nähe durch das Seelenband spürt, aber nicht die Haut der Fae, zu der sie gehört.
Seufzend nahm ich mir von den Briefen den ersten heraus - den mit dem ältesten Datum - und legte die anderen behutsam neben mich auf die weiche Matratze. Der Brief war bloß sehr kurz, doch enthielt er so viel Zuneigung, wie ich es mir erhofft hatte. Ich spürte förmlich Melanys Lippen an meiner Haut, hörte ihre Stimme und nahm ihren Geruch in mich auf, als ich Zeile für Zeile den Brief las, und dann nochmal, bloß um die Süße ihrer Schrift und ihrer fernen Nähe in mich aufzunehmen. Danach las ich zwei weitere Briefe.
Ich vermisse dich, mein Herz.
Meine Magiestunden sind ausgezeichnet.
Helion ist ein wundervoller High Lord, ich bin froh dass unsere Höfe Verbündete sind.
Ich werde Tante, was dich zum Onkel macht.
Das kleine Wesen, das Nova in sich trägt, wird genauso wie du Flügel besitzen.
Ich mache mir Sorgen.
Wieso schreibst du nicht zurück?
Was würde ich geben, um über dich wachen zu können, während du so fern bist.
Ich hoffe dieser Brief erreicht dich.
Ich habe wieder Besuch von unserem Hof bekommen.
Feyre und Mor sagen mir, dass es dir gut geht, aber auch sie haben schon lange nichts mehr von dir gehört.
Denkst du an mich? Denn ich kann nicht aufhören, an dich zu denken...Etwas zog sich schmerzlich in meiner Brust zusammen. Mel hatte sich solche Sorgen gemacht. Sie hatte gemerkt, dass etwas nicht stimmte - ich hatte zu ihrem Schutz die Seelenverbindung gekappt. Sie hatte mich nicht spüren können und ich sie genauso wenig. Während ich jedoch wusste, dass sie in Sicherheit und wohlbehütet an Helions Hof war, hatte sie sich die schlimmsten Szenarien über meinen Aufenthalt ausmalen können. Und wenn man nach den Briefen ging, war sie tatsächlich vom Allerschlimmsten ausgegangen. Ich fühlte mich unglaublich schuldig.
Augenblicklich schickte ich ihr durch unser nun wieder aufrechtes Band so viel Wärme und Zuneigung, wie ich sie ihr die letzten Wochen entzogen hatte. Ihre Antwort kam augenblicklich. Genauso warm und genauso zugeneigt. Auch das erfüllte mich mit Schuld. Ich verdiente ihre Vergebung nicht. Ich verdiente sie nicht.
Mit geschlossenen Augen schluckte ich den bitteren Nachgeschmack meiner Schuldgefühle hinunter und griff nach dem vorletzten Brief, der vor 2 Wochen abgeschickt worden war. Dieser war genauso kurz wie der erste. Doch an ihrer Schrift erkannte ich, dass er anders war als die anderen Briefe. Wie als hätte sie keine Zeit gehabt, in Ruhe die Wörter mit der Feder zu formen.
Mein liebster Seelenverwandter, mein liebster Azriel,
Ich laufe Gefahr, meinen Verstand an die Sorgen zu verlieren, die ich um dich habe. Keines meiner Briefe sind bei dir angekommen. Bei deinem Zuhause, ja, aber nicht in deine Hände. Ich hoffe dennoch, auch wenn die Hoffnung immer kleiner wird, dass du diesen Brief in dem Moment liest, in dem er die Grenzen zu unserem Hof überschreitet.
Ich mache mir unendlich viele Sorgen um dich. Jetzt mehr denn je. Ich habe schlechte Neuigkeiten.
Mir kamen Berichte zu Ohren, dass Berater und Hofmitglieder entführt wurden. Dass es Aufstände gibt, die aus unseren Reihen, von Fae organisiert werden. Es wird gesagt, dass diese Berater sterben werden, denn jegliche Spur von ihnen ist verloren.
Egal was ich mache, egal was ich recherchiere und nachforsche, nichts gibt mir Antworten. Helion ist sehr vage und lächelt bloß tröstend, wenn ich ihn frage. Er möchte mir meine Fragen nicht beantworten. Genauso wenig wie Wallis. Und weil Nova schon längst weg ist, kann ich bloß vom Schlimmsten ausgehen. Alleine und ohne jemanden, der mir sagen kann, wo mein Seelengefährte ist.
Ich bete jeden Tag, hoffe und hoffe, dass du keines der Opfer bist, die verschleppt und getötet wurden.
Es gibt noch so viel zu sagen. So viel, was wir erleben wollten. Bitte stirb nicht.
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Der Ruf des Schattensängers
Фанфик[Azriel Fanfiction nach „Das Reich der Sieben Höfe" 3] Seit dem Sieg gegen Hybern ist Azriel, der Schattensänger des High Lords vom Nachthof, einsamer denn je. Keiner hätte gedacht, dass sich nach einem solch hellen Sieg, eine so tiefe Dunkelheit au...