Kapitel 3

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Als ich aufwachte, schmerzte mein Kopf. Zusätzlich hatte sich mein Arm noch nicht erholt und sandte dumpfe Schmerzen aus, die jedoch im Vergleich zu den Höllenqualen, die ich auf der Straße in Brooklyn erlitten hatte, beinahe angenehm waren. Ich nahm an, das ich auf einer Art Bett liegen musste, denn es war weich und angenehm und mein Kopf versank förmlich in dem Kissen, auf dem er lag. Ich öffnete die Augen und drehte meinen Kopf so, dass ich nach rechts in den Raum sehen konnte, in dem ich lag. Es war dunkel, aber ich erkannte, das ich nicht in einem Krankenhaus war. Dafür fehlten die Apparaturen und die Halter mit Flüssigkeiten. Auch roch es nicht nach Krankenhaus. Ich hatte schließlich oft genug in Krankenhäusern gehockt um das zu beurteilen. Eigentlich roch es sogar sehr angenehm. Ein unaufdringlicher, freundlicher Duft nach Gemütlichkeit und Gebrauch lag in der Luft und darunter mischte sich eine leichte Note Zimt. Ich bewegte prüfend meine Füße und Finger, doch soweit ich feststellen konnte war ich ausgenommen von meinem Arm und meinem Kopf schmerzfrei. Langsam kehrten die Erinnerungen an das zurück, was in Brooklyn geschehen war. Noch immer hatte ich keine Ahnung, was dort genau passiert war. Und ich wusste genau so wenig, wie lange diese Ereignisse zurücklagen, da ich völlig das Zeitgefühl verloren hatte und es, soweit ich es erkannte, keine Uhr in diesem Raum gab. Ich versuchte mich aufzusetzen, doch ich konnte meine Hände nicht von der Stelle bewegen. Panisch versuchte ich sie zu bewegen, doch ich bekam höchsten ein paar Zentimeter an Bewegung hin. Irgendwas schien sie an Ort und Stelle zu halten. Als ich einen Blick auf meine Handgelenke warf erkannte ich, das ich, dass ich mit ledernen Riemen ans Bett gefesselt war. Ich bewegte meine Füße und stellte fest, dass auch sie an das Bett gefesselt waren. Krampfhaft versuchte ich mich von ihnen zu lösen doch sie gaben nicht nach. Ich wollte schreien, doch meine Kehle war so trocken, dass ich nur ein Krächzen heraus brachte. Doch trotzdem schien der kleine Laut erhört worden zu sein, denn es knackte im dunkeln, als drehte sich ein Schlüssel in einer Tür am anderen Ende des Raumes, die ich vorher noch gar nicht bemerkt hatte. Und dann fiel ein schmaler Streifen helles Licht ins Zimmer und ich blinzelte, um meine Augen an die Helligkeit zu gewöhnen. Doch dann verdeckte ein Körper den Lichtkegel und die Tür schloss sich wieder. Dann hörte ich Schritte, die auf mich zu kamen und ein dumpfes Geräusch, als ob jemand etwas abstellte. Ein Stuhl wurde verrückt und die zimtartige Note in der Luft verstärkte sich merklich. Dann entflammte neben meinem Gesicht eine Lampe und ich wandte ruckartig das Gesicht ab, um meine Augen vor dem Licht abzuschirmen. Wer auch immer gerade ins Zimmer gekommen war wartete, bis ich mich an das Licht gewöhnt hatte. Langsam drehte ich den Kopf wieder in Richtung des Besuchers, oder zumindest in die Richtung, wo ich ihn vermutete. Und dann sah ich ihn. Halb im Schatten saß ein Mann lässig auf einem Suhl, mehrere Meter entfernt von mir. Er trug ein weißes Hemd, von dem die obersten zwei Knöpfe offen standen und eine schwarze Hose. Seine schwarzen Haare waren schulterlang und nach hinten gekämmt und er musterte mich aufmerksam. Plötzlich tauchten meinem inneren Auge Bilder auf.
Ich auf dem Boden, konnte kaum klar sehen. Dann ein schwarzhaariger Mann, der auf mich zu kam. Dann Dunkelheit.
Ich wandte meinen Blick nach oben an die Zimmerdecke und atmete mehrmals tief durch. Ich hörte, wie mein Besucher sich räusperte und blickte ihn wieder an. Er sah mich an und da ich nicht den Eindruck zu machen schien, dass ich vorhatte in nächster Zeit zu reden, begann er. „Wie geht's dir?", fragte er und blickte zu Boden. Seine Stimme klang angenehm ruhig und rau. ‚Bescheuert!', wollte ich antworten, doch es kam noch immer nur ein Krächzen aus meiner Kehle. Er hob den Kopf und sein Blick glitt zu etwas auf dem Tisch neben mir, was ich aber nicht sehen konnte. Er stand auf. Dabei sah ich, das er geschätzte 1,90 groß, durchschnittlich gebaut und durchtrainiert war. Er ging hinüber zu dem kleinen Tisch, auf dem auch die Lampe stand und nahm etwas in die Hand. Dann hielt er mir ein Glas mit Wasser entgegen. Ich blickte ihn nur genervt an und signalisierte ihm mit einem Blick zu einen Händen, dass ich noch immer gefesselt war. „Oh ja, entschuldige." Er beugte sich runter und löste meine das Lederband an meinem rechten Handgelenk. Danach reichte er mir das Wasserglas, aus dem ich gierig trank. „Nicht so schnell", mahnte er. „Dein Magen muss sich erst mal wieder an Flüssigkeiten gewöhnen." Doch es interessierte mich nicht sonderlich, was er sagte, und ich trank das Glas fast in einem Zug aus. Da ich immer noch lag, gestaltete sich das etwas schwierig, doch ich schaffte es, trotzdem nichts zu verschütten. Als ich fertig war nahm mir der Mann das Glas wieder aus der Hand und stellte es wieder auf den Beistelltisch. Dann setzte er sich wieder auf den Stuhl und beschäftigte sich wieder damit, mich zu mustern. Nach geraumer Zeit, die mir eindeutig zu lang war, beendete er seine Beobachtungen, lehnte sich nach vorne und stütze seine Unterarme auf die Knie. „Also, wie geht's dir?", fragte er erneut, ohne den Blick von meinem Gesicht zu nehmen. Doch auch wenn er mein Gesicht beobachtete, sah er mir nicht in die Augen. Sein Blick ruhte auf etwas neben meinem rechten Auge. Ich hob meine Hand, was ein leichtes Ziehen in meinem Arm hervorrief und betastete vorsichtig die Stelle, auf die er schaute. Eine Wunde, nicht größer als mein kleiner Finger, wahrscheinlich viel kleiner, zog sich über meine Schläfe. Die Berührung löste einen stechenden Schmerz aus und ich zuckte zurück. Gleichzeitig stand mein Besucher auf und packte mich am Handgelenk. „Die Wunde muss noch heilen. Am besten du fasst sie nicht an." Seine Hand hielt mein Handgelenk fest, doch nicht so, das es weh tat. Seine Haut war kühl und angenehm. Trotzdem wollte ich nicht, das er mir vorschrieb, was ich zu tun und zu lassen hatte. „Lass mich los!", forderte ich und nach kurzem zögern ließ er meine Hand los. Ich ließ sie wieder neben meine Hüfte sinken, was das Ziehen in meinem rechten Arm verschwinden ließ. Doch er setzte sich nicht wieder auf den Stuhl, wie vorher, sondern blieb neben dem Bett stehen. „Du hast mir noch immer nicht geantwortet." Ich brauchte kurz, bevor mir klar wurde, was er meinte. „Wieso sollte ich dir das sagen?", fragte ich schnippisch. Er seufzte und ließ sich nun doch wieder auf dem Stuhl nieder, zog diesen aber etwas näher zu mir heran. „Weil ich wissen muss ob das Medikament anschlägt oder nicht", sagte er nach kurzer Pause. „Du hast mir ein Medikament verabreicht?", fragte ich fassungslos. „Ja", sagte er, diesmal ohne zu zögern. „Du wärst sonst gestorben." Aus irgendeinem, mir nicht ganz klaren, Grund war ich bereit ihm das zu glauben. Ich verstand zwar nicht viel von Medizin, doch das mein Zustand auf der Straße nicht normal gewesen war, erkannte selbst ich. Trotzdem fand ich es schockierend zu erfahren, das mir jemand während meiner Bewusstlosigkeit Medikamente eingeflößt hatte. Ich schluckte meinen Schock runter und sah den Mann wieder an. „Wer bist du?", fragte ich, da ich unbedingt mehr über ihn herausfinden wollte, wenn er schon hier saß und ich mich nicht wehren konnte. „Ich bin Loki", sagte der Mann in sachlichem Ton, „und ich habe dir wahrscheinlich das Leben gerettet. Mehr musst du im Moment nicht wissen." Ich runzelte die Stirn: „okay und wieso bin ich hier gefesselt?" Es schien, als hätte ich ihn mit dieser Frage überrascht und er stand hastig auf und lief ans Fußende meines Bettes. Dann löste er die Lederriemen, während er murmelte: „Tut mir leid. Du hast im Schlaf um dich getreten und da hielt ich es für besser. Ich habe nur vergessen, sie wieder zu lösen als du wach wurdest" Er löste auch noch den Riemen um meine linke Hand und endlich konnte ich mich wieder frei bewegen. Langsam stützte ich mich auf meine Ellenbogen und hiefte mich in eine sitzende Position. Loki stützte mir mit einer Hand den Rücken. Auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, war es gut, dass er mich stützte denn kaum hatte ich mich aus dem Kissen gehoben, setzte ein Schwindelgefühl ein und ich wäre fast wieder zurück geplumpst. Als ich aufrecht am Kopfende saß ging Loki wieder um das Bett herum und zu seinem Stuhl und setzte sich. Ich versuchte, trotz des Schwindels meine Gedanken irgendwie zu ordnen, doch das dauerte. Loki saß währenddessen still auf seinem Stuhl und wartete, bevor er wieder zu reden begann: „ich denke, du hast viele Fragen. Ich werde versuchen sie so gut ich kann zu beantworten." „Wirst du sie ehrlich beantworten?", fragte ich misstrauisch. „Natürlich." Ich atmete tief durch. Ich wollte tatsächlich ein paar Sachen wissen. „Wo bin ich?", war die erste Frage, die mir einfiel. „In Manhattan" bekam ich nur als Antwort. Ich schaunte ihn leicht enttäuscht an, doch er schien nicht weiter Auskunft über meinen Aufenthaltsort geben zu wollen. Also versuchte ich es mit weiteren Fragen. „Wie bin ich hierher gekommen?" „Ich habe dich auf der Straße gefunden, als du gegen die Chitauri gekämpft hast. Das war übrigens sehr mutig." „Die was?", fragte ich verständnislos und unterbrach damit seiner Erzählungen. „Die Chitauri. Du würdest sie wahrscheinlich als Aliens bezeichnen. Wesen aus anderen Welten." „Die Kreaturen, die aus dem Portal am Himmel gefallen sind?", fragte ich, während ich meinen Kopf drehte und stur geradeaus schaute. Ich bemerkte, wie Loki kurz stockte, doch dann setzte er fort: „genau die. Woher weißt du, das es ein Portal war?" Ich runzelte die Stirn und überlegte, wie mir dieser Begriff das erste mal in den Sinn gekommen war. Ich hatte das Loch im Himmel gesehen. Ich hatte die Kreaturen daraus auf die Erde stürzen sehen. Der Begriff Portal kam mir dabei als erstes in den Sinn. „Es machte für mich am meisten Sinn", sagte ich deshalb. Loki beobachtete mich aufmerksam. Er schien darauf nicht eingehen zu wollen, weshalb ich meine Befragung fortführte: „Was war mit mir? Wieso bin ich zusammengebrochen?" „Ich weiß, das der Auslöser für deinen Zusammenbruch war. Du hast deine eigenen Kraftreserven angezapft und bis fast völlig ausgebrannt, während du die Leute vor den Chitauri beschützt hast. Darum bist du auch ohnmächtig geworden. Das war ein Schutzmechanismus deines Körpers, der dich wohlmöglich vor dem verbrennen gerettet hat. Doch was der Auslöser dafür war, das du deine Reserven anzapfen musstest, weiß ich noch nicht. Die Chitauri sind zwar Krieger, doch Magie haben sie nichts entgegen zu setzten." Er sprach in sachlichem, ruhigen Ton, doch ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. „Was meinst du mit Magie?", fragte ich und versuchte, meine Stimme ruhig zu halten. Doch Loki schien zu bemerken, wie sehr mich das alles aufwühlte, stand auf und kniete sich neben mein Bett. „Na deine Magie. Die Magie, mit der du die Chitauri ferngehalten hast. Die Magie, mit der du auch die Frau und ihr Kind gerettet hast. Die gelbe..." „Die gelbe Kuppel. Das gelbe Licht", unterbrach ich ihn. Ich schloss die Augen und versuchte, meine Atmung unter Kontrolle zu halten, doch es gelang mir nicht. Ich öffnete meine Augen wieder und sah ihn an. "Das war ich?" Er nickte langsam. Ich atmete zitternd ein, doch beruhigen konnte ich mich nicht. Das rumsitzen machte mich wahnsinnig und ich schlug die Decke zurück, schwang die Beine über die Bettkante und stemmte mich hoch. Dabei bemerkte ich unterschwellig, dass ich noch immer meine Kleidung trug. Ich wollte loslaufen, als Loki mich mit seinem Arm stoppte. „Hey, bleib sitzen! Dein Körper brauchte noch Ruhe, um wieder zu Kraft zu kommen." Doch ich hörte nicht auf ihn. Ich schlug seinen Arm weg und lief zur gegenüberliegenden Wand des Raumes. Ich wusste nicht wieso, doch ich wollte so weit wie möglich von ihm weg, als wenn damit auch das, was er behauptete, verschwinden würde. Ich ließ mich mit dem Rücken gegen die Wand fallen und holte nochmals zitternd Luft. Doch ich merkte schnell, das er Recht hatte. Ich hatte kaum Kraft. Meine Beine gaben unter mir nach und ich rutschte an der Wand nach unten. Ich zog die Knie an und umschloss sie mit den Armen. „Es kann nicht sein. Es kann nicht sein", flüsterte ich immer wieder. Loki stand noch immer vor dem Bett und beobachtete mich aufmerksam, fast ängstlich, als könnte ich mir jeden Moment ein Messer ins Herz rammen oder von einem Turm springen. Ich war in einer Art Schockzustand und nicht fähig, mich zu bewegen. Loki schien das zu bemerken, denn er kam langsam näher und als ich keine Abwehrreaktion zeigte, ließ er sich neben mir an der Wand nieder. „Es tut mir leid", flüsterte er nach einem Moment. „Ich hatte angenommen du wüsstest es." Ich schüttelte nur den Kopf. Ich wollte nicht reden. Ich konnte nicht reden. Er lehnte den Kopf gegen die Wand und ich hörte, wie er laut ausatmete. Auch ich legte den Kopf in den Nacken und stützte ihn an der Wand ab, da mir noch immer schwindelig war. Ich konnte sowieso kaum klar denken und das Schwindelgefühl in meinem Kopf machte es nicht unbedingt leichter. Zusätzlich pochte die Wunde an meiner Schläfe und machte das Denken ebenfalls schwerer.
Ich verlor das Gefühl dafür, wie lange wir dort saßen, doch irgendwann hatte ich es geschafft, einigermaßen Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Loki hatte während der gesamten Zeit einfach still neben mir gesessen. Nicht nahe genug, dass ich ihn berührte und doch so nahe, dass ich seine Anwesenheit spürte, auch wenn ich die Augen schloss. Ich holte tief Luft und spürte förmlich, wie er seinen Blick auf mich richtete. „Mal angenommen, du hast Recht, wie ist das dann möglich? Das ich Magie bewirken kann, meine ich", sagte ich nach einer Weile. Meine Stimme zitterte und mein Verstand weigerte sich penetrant, diese Tatsache als Wahrheit zu akzeptieren. Ich bemerkte, dass Loki kurz innehielt, bevor er sagte: „ich weiß es nicht." Ich drückte die Handballen auf meine Augen und versuchte, die Tränen zurück zu halten. Doch ich spürte wie sie mir langsam aber sicher über die Wangen rannen. Ich stand auf, so schnell wie ich es mir selbst kaum zugetraut hätte. Auch Loki schien davon überrascht, denn er rappelte sich ebenfalls hoch. „Jyn, du brauchst Ruhe. Du solltest dich nicht zu viel bewegen", mahnte er abermals, doch ich wollte mich nicht wieder tatenlos in den Decken verkriechen. Und ebenfalls wollte ich nicht glauben, dass Loki recht hatte. ‚Es ist nicht wahr!', sagte ich mir immer wieder, doch ich glaubte mir selbst nicht mehr. Denn mir war klar, dass er recht hatte. Tief in mir hatte ich ihm von Anfang an geglaubt. Doch die Erkenntnis wog schwerer als erwartet. Meine Beine hielten mein Gewicht nicht mehr und knickten unter mir weg. Ich schloss die Augen und erwartete den harten Boden, doch ich wurde von zwei Armen aufgefangen, die sich um mich schlossen. „Hatte ich nicht gesagt du brauchst Ruhe?" Ich hatte nicht mehr die Kraft mich zu wehren, als Loki mich auf die Arme nahm und zurück zum Bett trug. Vorsichtig legte er mich darauf und zog die Decke über mich. Sofort empfing mich angenehme Wärme und ich schaffte es nicht mehr, die Augen zu öffnen, bevor ich einschlief.

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