19||Hoffnung

1.1K 45 0
                                    


Neuer Tag.
Neuer Schmerz.
Neue Hoffnung.
Die Hoffnung, sie zu finden und in meinen Armen zu schließen.
Die Hoffnung, endlich keine Träne mehr zu vergießen.
Die Hoffnung, endlich keine Angst mehr zu haben, dass sie längst tot, in einem Graben gart. Hoffnung, wie ich dieses Wort allmählich zu verabscheuen beginne.

Die Strahlen, der Sonne, brechen durch die kleinen Spalten, der Gardinen. Das Zimmer trostlos grau. Die Tür geht auf. „Aufstehen.", weckt mich mein Wecker und reißt die Gardinen auf, dass ich gezwungen bin kurz meine Augen zu schließen. Nachdem ich mich daran gewöhnt habe, setze ich mich auf und schlage die Decke beiseite. „Nimm doch endlich Schlaftabletten.", sagt Kenny mit besorgter Miene.

Seit mein Mädchen weg ist, habe ich kaum ein Auge zubekommen und der Arzt hat mir schon Schlaftabletten verschrieben. Es ist ungesund, sagt er und schrieb auf diesem kleinen Stück Papier das Rezept für die Tabletten auf. Aber ich habe Angst, dass ich, sobald ich die Augen schließe, Y/N verpasse. Vielleicht steht sie eines Tages vor unserer Tür, mit einem Lächeln auf den Lippen, während sie ihre Arme ausbreitet.

„Was steht heute an?", frage ich meinen Vize, während ich mich zu meinem Kleiderschrank schleife, um mich umzuziehen. „Eine Versammlung, zur Besprechung wegen Tenjiku, da sie einige Unternehmen in Anspruch nehmen wollen.", Kenny steckt seine Hände in seine Hosentaschen und starrt aus dem Fenster, dass macht er jeden Morgen, wenn er mich weckt. Derselbe Ablauf.

Von Kenny geweckt werden.
Anziehen.
Im Spiegel gucken und sehen, wie dunkel meine Augenringe und blass meine Haut, dieses Mal geworden ist.
Etwas essen, wenn's geht.
Dann zur Versammlung, oder was auch immer ansteht, fahren bis es Abends ist.
Dann wieder ins Bett.
Tränen vergießen und die ganze Nacht wach daliegen und hoffen, dass mein Mädchen sich plötzlich zu mir legt.

Ich will wieder dieses Gefühl verspüren, wenn sie in meiner Nähe ist; wie ich meine Finger durch ihr Haar gleiten lasse; wie sie ihre Haut an meiner drückt; wie sie sich an mich kuschelt; wie sie mich küsst; wie sie lacht, schmollt, wütend, oder traurig ist. „Tenjiku also.", ich lasse mir von Kenny meine Haare kämmen, die ich mir von ein paar Wochen kurz geschnitten habe.

Ich wollte nur die Spitzen schneiden, habe jedoch zu viel weg geschnitten, also hat Emma versucht es irgendwie noch zu retten. Jetzt habe ich kurze Haare und struggle damit, sie zu färben. Schwarz, oder vielleicht auch weiß. Ich weiß es nicht so genau. Vielleicht frage ich Kenny, er hat immer ein Rat parat. „Izana will einige unserer Unternehmen?", Kenny seufzt. „Du hast es doch nicht vergessen, oder?"

Meine Gedanken gehören ganz allein meinem Mädchen, die immer noch verschwunden ist. „Es ist nicht so, dass ich das vergessen habe, ich hab's einfach nur verdrängt.", gähnend verlasse ich mein trostloses Zimmer und gehe in den Flur, an dem einige gerahmte Bilder hängen. Familien Bilder. Ich wünschte mir, dass sie auch drauf wäre, aber es gibt nur eins, wo wir jünger waren. Es anzusehen versetzt mir einen Stich. Ich habe sie schon einmal verloren und jetzt ein zweites Mal.

„Guten Morgen, Mikey.", begrüßt mich meine Schwester, die vor dem Herd steht und kocht. Dies ist eigentlich das Apartment meiner Schwester und Kenny, die seit einem Jahr zusammen leben und meins ist eins darunter, dennoch nehmen sie mich hoch zu sich, weil sie Angst haben, dass ich mir etwas antue. Ich bin nur auf die Idee gekommen mich selbst zu verletzen, ich sitze eher in einer Ecke, wie ein Trauerkloß.

„Hier, iss das bitte.", fordert sie mich auf und stellt mir ein Teller mit Toast und Spiegelei hin, daneben legt sie ein Tayaki in Fischform. „Du isst als erstes das Toast.", fordert sie mich auf, weil ich nach dem Tayaki greifen möchte. Das einzige, dass ich zu oft esse. Ich nörgele etwas vor mich her und betrachte das Toast Missbillig. „Wann seit ihr wieder zurück?", fragt sie und bindet sich die Kochschürze ab. Im Augenwinkel sieht Kenny zu mir, dann sieht er seine Verlobte an.

„Wenn alles gut läuft ..., achtzehn Uhr.", antwortet er schließlich. Emma nickt und sieht mich an. Ein stolzes Lächelns ziert ihre Lippen, als sie sieht, wie ich vom Toast abbeiße. Ich esse selten Frühstück, denn meistens sind es Tayaki's, die ich verputze. „Ich werde Heute nach Opa sehen.", gibt sie uns Bescheid und ich erwidere es mit einem Nicken. „Nimm jemanden mit.", fordere ich sie auf.

„Ich werde dir jemand zur Verfügung stellen, der dich den ganzen Tag begleiten wird.", sagt Kenny, der gleich nach seinem Telefon greift und eine bestimmte Nummer wählt. Emma bestreitet es nicht, denn sie ist es mittlerweile gewohnt nirgends alleine hinzugehen. „Fertig.", ich lasse den Teller, auf der Marmorplatte, zu Emma rüber gleiten, die den direkt im Geschirrspüler stellt.

„Bis heute Abend dann!", sie winkt uns, nachdem Emma und Kenny sich verabschiedet haben, nochmals zu, ehe wir das Apartment verlassen und mit dem Fahrstuhl hinunter zur Lobby fahren. „Izana versucht wohl immer noch die Spitze anzutreiben.", sagt Kenny. Ich zucke belanglos die Schultern. „Jeder, der es mit uns aufnehmen möchte, will an die Spitze."
„Sogar die kleinen Fische, die kaum eine Chance haben. Aber wir waren einst auch kleine Fische, jeder wäre dazu in der Lage."

Ich öffne die Packung meines Tayaki's und Kenny sieht mich von der Seite an. „Stimmt schon.", murmelt er. „Es ist komisch, dass er etwas einfordert. Er hat doch schon alles.", ich nehme einen Happen und sehe gelangweilt die Aufzugstür an, die sich jeden Moment öffnen sollte. „Er will nicht nur Yokohama" „sondern auch ein Teil von Tokio und als erstes will er sich Shibuya unter den Nagel reißen.", beende ich den Satz und sehe mein Tayaki an. Ich seufze. „Besprechen wir das weitere bei der Versammlung."

𝐓𝐡𝐞 𝐬𝐡𝐢𝐧𝐞 𝐢𝐧 𝐲𝐨𝐮𝐫 𝐞𝐲𝐞𝐬Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt