Kapitel 5

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                    Jahr 75 der neuen Zählung

Diese Mistkerle haben es doch geschafft, dachte er, während er fiel. Sie hatten vor grob einem Jahr seine Mutter dazu gebracht, für sie zu arbeiten. Algiar konnte es immer noch nicht fassen, aber es hatte auch seine gute Seite: Algiar verfolgte schon seit seine Mutter mit der Organisation kooperierte einen Plan: Er wollte die ganze Oberschicht stürzen. Er wollte die  angebliche Republik stürzen. Die Gewaltherrschaft musste ein Ende haben.
Er fiel immer schneller. Der Boden war vielleicht noch 100 Meter unter ihm. Dann kam der Befehl durch das Head-Set: „Reißen!“. Er und die dutzend anderen Männer in weiß, mit den rabenschwarzen Visieren, zogen die Reißleine ihrer Fallschirme. Sie waren weiß, und groß war ein M aufgedruckt. M wie Milan. Er war seit einem Jahr der alleinige Herrscher. Er redete immer von Demokratie, und alle müssten zusammenhalten, doch war es das genaue Gegenteil. Alle die nicht genug Steuern zahlen konnten, durften nicht wählen. Und  das waren mehr als zwei drittel der gesamten Gesellschaft. So war es für Milan ein Leichtes immer wieder aufs neue an die Macht zu kommen.
Die weißen Männer landeten. Sie stürmten mit riesigen Waffen ein altes kleines Hüttchen. In so einer Hütte hatte Algiar auch eines Tages gelebt, bis er die Organisation von seiner Treue überzeugt hatte. Er war bloß für die Gerechtigkeit im wahrsten Sinne des Wortes durchs Feuer gegangen. Er musste 100 Peitschenhiebe über sich ergehen lassen, und dabei seine Treue schwören. Er hatte viele Qualen über sich ergehen lassen, nur um sich dieser Organisation anzuschließen, und um sie dann, wenn die Zeit reif ist, zu verraten, und die Kleinen zu Großen, und die Großen zu kleinen zu machen.
Ein Mann trat gegen die Tür. Sie flog aus der Angel und die Männer stürmten zu zwölft ein kleines Haus, so als ob sich im Inneren eine Gruppe von Attentätern verschanzt hätten. Ein Jahr machte Algiar das nun schon mit. Er sah heute zum unzähligsten Male, wie eine unschuldige, vielleicht dreißig-Jährige Frau kalt und herzlos niedergeschossen wurde. Zwei transportierten die Leiche auf eine über dem Boden schwebenden Liege ab. Alle verließen das Haus, außer Algiar. Er blieb wie angewurzelt stehen, und lauschte dem Befehl des Gruppenführers. Er gab den gesamten Bezirk zum Abriss frei. Er sagte es sei egal, ob dort noch Leute seien. Er sagte sie müssten Munition sparen, und lachte hämisch. Doch er hörte noch etwas anderes. Ein leises Wimmern. Er rannte noch einmal ins Innere des Hauses. Dort stand eine kleine Kiste. Vorsichtig näherte er sich. Mit dem Fuß öffnete er den Deckel. Er sah ein Baby in Tücher gewickelt.

Im Schatten der grauen RiesenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt