Ich sehe dich

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Die Glocken läuten zum ersehnten Schulschluss und ich mache mich daran meine Sachen einzupacken. Endlich ist der erste Schultag vorbei. Auch wenn ich mir den Tag ruhiger vorgestellt hatte, bin ich doch sehr froh, dass ich eine gute, wenn nicht sogar etwas verrückte Klassenkameradin gefunden habe und ich mir einen groben Überblick über das System hier verschaffen konnte. In der Cafeteria hatte mir Elly einen Tee gemacht. Sie erklärte mir einiges über den Unterrichtsstoff, den sie gerade bearbeiten und ich konnte mir noch einige wichtige Dinge aufschreiben, die für die nächsten Tage relevant sein könnten. Nachdem die Biostunde endlich zu Ende ist, bin ich froh mich nach Hause begeben zu können und den heutigen Tag ausklingen zu lassen.
»Holt dich deine Mum ab?«, fragt Elly und packt dabei ihr Mäppchen, Bücher und Notizblock in ihre Tasche.
»Denke schon. Ich müsste sie vorher noch anrufen, da sie nicht genau weis, wann heute Schulschluss ist.«
»Hmm.«, sie sieht meinen vollgepackten Rucksack,»Morgen bekommst du die Schlüssel für deinen Spind. Dann musst du die schweren Bücher nicht immer mit dir rumtragen. Wir müssen morgen noch über deine Zusatzfächer reden, die dir zur Auswahl stehen.«
Ich nicke zufrieden und bin froh, wenn mein Rucksack um einige Kilos leichter wird. Ich habe das Gefühl ich trage die ganze Schule mit mir mit.
Das Mädchen zieht den Reißverschluss zu und streicht sich ein paar dunkle Haarsträhnen, die ihr ins Gesicht gefallen sind, hinters Ohr. Dann packt sie die Tasche auf ihre Schulter, holt ihr Handy raus und tippt etwas ein.
»Gib mir mal deine Nummer, sodass wir in Kontakt bleiben können.«
Während ich ihr die Zahlen diktiere sieht sie konzentriert in ihr Display und ich kann einen Blick auf ihre perfekt geschminkten Lider werfen, die in dunklen violett-schwarz schimmern.
»Was ist?«, fragt sie mit verspielten Ton, als sie wiederholt meine neugierigen Blicke auf sich bemerkt.
»Dein Lidschatten.«, sage ich und lächle verlegen. »Er steht dir.«
Sie lächelt zurück. »Danke. Willst du ihn dir mal ausborgen?«
»Oh nein, ich bin nicht sonderlich begabt im schminken. Ich habe mal zwei Stunden am Spiegel gestanden, um mir Smokey-Eyes zu zaubern. Letztendlich sah ich aus wie eine Untote.« 
Ich lache zurückhaltend, als ich den verdutzten Ausdruck von Elly wahrnehme.
Sie kichert. »Mach keine Witze.« Sie räuspert sich, als sie anhand meines gequälten Gesichtsausdrucks merkt, dass es kein Witz ist. »Nicht, dass du es nötig hättest, aber wenn du möchtest kannst du am Samstag vor der Party zu mir kommen und ich mache dich hübsch.«, zwinkert sie entschlossen und steckt ihr Handy in die Hosentasche.
»Moment. Ich habe doch noch gar nicht zugesagt auf die Party zu kommen.«
»Natürlich wirst du kommen. Du musst kommen. Oder ist es wegen deinen Eltern? Sag ihnen einfach, dass du bei mir schläfst und wir für den nächsten Test zusammen lernen möchten.«
Ich zögere kurz. Meine Mutter würde mir die Möglichkeit auf eine Party zu gehen bestimmt nicht verwehren, aber darum geht es auch gar nicht. Ich bin nervös, wenn ich daran denke, dass ich gar keinen blassen Schimmer habe, wie ich mich auf einer Party verhalten soll und was mich erwartet. »Du versprichst, dass du bei mir sein wirst? Ich meine, auf der Party?«
»Schätzchen, ich werde an dir kleben, wie ein Schatten.«
Ich verrolle die Augen und willige zögernd ein. »Also gut. Ich komme mit.«
Elly hüpft einmal aufgeregt in die Luft und verabschiedet sich dann von mir, indem sie in eines der vielen Busse, die sich hintereinander reihen, einsteigt. 

Ich überlege kurz. Soll ich nun meine Mutter anrufen oder lieber nach Hause laufen? So, wie sie heute Morgen aussah hat sie sich bestimmt nochmal ins Bett gelegt. Vielleicht schläft sie noch. Ich sollte das Risiko nicht eingehen sie aufzuwecken, also entscheide ich mich kurzerhand meine Beine noch etwas müde zu machen. Ich spaziere mit meinem schweren Gepäck um die Ecke des Schulgebäudes, um mich auf den Nachhauseweg zu machen. Der Boden ist weitflächig betoniert und mit Strichen gekennzeichnet. An beiden Enden sind Ballkörbe aufgestellt, um in der Pause oder Freizeit Basketball spielen zu können. Meine Gedanken durchlaufen nochmal den heutigen Tag, als ich an einem schwarzen Rolls Royce mit verdunkelten Fensterscheiben vorbeilaufe, der einige Meter von der Hauswand entfernt steht und mich stutzig macht.
Darf man hier überhaupt parken?
Mein Mundwinkel zuckt. Was geht mich das an? Derjenige, der dieses wahnsinnig protzige Fahrzeug besitzt wird ganz gewiss keine Probleme haben einen läppischen Strafzettel zu bezahlen.

I will know how you taste Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt