Die Kälte fühlte sich erdrückend an. Angsteinflößend und einsam. Alles war dunkel wie bei Nacht. Nur, dass alle Sterne erloschen waren. Es gab nichts anderes außer Schwarz, das ihn komplett einhüllte. Er fühlte sich, als würde er fliegen. Oder fallen, da war er sich nicht sicher, denn ein leichtes Lüftchen strich ihm durch die Haare. Fast fühlte er sich frei, wo auch immer er war. Doch bald spürte er die Last auf seinem Rücken, die sich wie ein Stein auf seine Schultern legte und in tief in die Abgründe riss; das Gewicht seiner Schandtaten. Er hatte die Person umgebracht, die er am meisten liebte und verehrte. Er hatte Rin umgebracht. Er hatte sogar sein eigenes Kind umgebracht. Vor nichts und niemandem war er zurück geschreckt.
Er war ein Monster.
Und deshalb war er gerade auch nicht frei. Er befand sich mitten in der Hölle. Dabei hatte Kakashi sich die Hölle eigentlich ganz anderes vorgestellt. Man hätte Flammen und unerträglich heiße Temperaturen erwarten können, aber nicht diese absolute Kälte. Und diese Stille. Stille war so laut, wenn es keinen gab, der sie brechen könnte. Dunkelheit war so beunruhigend, wenn es keinen gab, der sie erleuchten könnte. Und Wind ist so unangenehm, wenn niemand da ist, der sich mit einem gegen den Sturm stellt. Wenn man ganz alleine ist - das ist die Hölle. Seine aller größte Angst. Angst, die seine Muskeln bis zum schmerzhaften Anschlag anspannte. Er zitterte. Das rief diese Ungewissheit hervor. Er wusste nicht, ob er überhaupt schon gestorben war. Doch wenn schon. Im Leben ist nicht der Tod der größte Verlust. Es ist das, was in einem stirbt, während man noch lebt. Sein Herz, es schlug zwar noch, doch es gehörte Natsuki alleine. Es war mit ihr gestorben. Darum fühlte er sich auch so, als würde er längst nicht mehr leben, denn es gab einfach keinen Sinn mehr. Niemand war mehr da, der ihm etwas bedeutete - dafür hatte er selbst gesorgt. Also trieb er weiter durch dieses Nichts. Hielt seine Augen weit offen, auf der Suche, nachdem Mädchen mit den blonden Wellen, das Licht in seinen Schatten bringe sollte. Doch er fand sie nicht. Wo er auch nach ihr suchte, er war hier ganz alleine. Und somit könnte er ein weiteres Versprechen nicht einlösen. Er könnte sie kein zweites Leben lieben; diese Chance hatte er vertan. Stattdessen blickte er auf ein Leben voller Fehlern und Dingen, die er nun bereute, zurück. Natsuki hatte all das - das Unheil, jenes er über sie gebracht hatte - nicht verdient. So einen Ehemann hatte sie nicht verdient gehabt. Warum sollte sie also bei ihm in der Hölle sein?
Er wusste nicht wie lange er schon orientierungslos durch die Gegend schwebte, doch nun lichtete sich die Finsternis. Der Jonin spürte, dass er auf etwas Kaltem lag, das sich so vertraut anfühlte. Seine Arme hielten dieses etwas so fest umschlungen, dass er bangte, er könnte es kaputt machen und das wollte er auf keinen Fall. Er fühlte sich so geborgen und getröstet. Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, was er da umarmte, wusste er, dass er nichts mehr zerstören könnte. Das hatte er nämlich schon getan. Er hatte sie kaputt gemacht. Und nun füllte ihn diese Leere aus, die ihn schon wieder zum weinen bringen könnte. Doch er riss sich zusammen. "Ich werde jetzt so mutig sein wie du.", wisperte, als er endlich seine Augen öffnete. Vermutlich war er ohnmächtig gewesen, denn ihn erwartete dieser stechend helle Raum, weshalb er eine Weile brauchte, ums sich an das Licht zu gewöhnen. Noch länger brauchte er, um seine Augen über ihr totes Gesicht schweifen zu lassen. Das tiefe Verlangen sie noch einmal lachen zu sehen durchzog ihn, doch das würde er niemals bekommen. Also zwang er sich dazu seinen Blick abzuwenden. "Mutig sein.", wiederholte er sich und rappelte sich langsam auf. Dabei vermied er es, auf ihre Leiche zu schauen. Er könnte diesen Anblick sowieso nicht ertragen, denn der Gedanke daran tat schon weh genug. Wie er überhaupt genug Energie aufbringen konnte, um sich neben sie hinzuknieen, grenzte schon an ein Wunder. Vielleicht wollte er ihr auch einfach ihren letzten Wunsch erfüllen. Sie hatte ihn zwar nicht lautausgesprochen, doch er hatte ihn klar und deutlich gehört. Deshalb überwand er sich und streckte seine Hände, nach dem leblosen Körper aus. Er war so winzig und klein und lag perfekt in seiner großen Hand. Was er alles dafür gegeben hätte, seinen Sohn kennenzulernen. Doch er war zu grob gewesen. Er hatte die Kehle des Kindes zerschlissen, bei dem Versuch, einen notdürftigen Kaiserschnitt durchzuführen. Und nun lag es da in seinen Armen. Die weiche verrunzelte Haut, die aufgeplusterten Bäckchen und die wenigen Haare auf dem Kopf. Das vertrocknete Blut. Auch wenn es noch ein Baby war, wusste er, dass es mal die Stubsnase von Natsuki bekommen hätte. Es wäre ein sehr hübscher Junge geworden. Doch für diese kleine perfekte Familie gab es keinen Platz in dieser Welt. Nicht mehr.
Es erschreckte ihn, wie gefasst er gerade reagierte. Er sollte heulend zusammenbrechen, doch er war okay. Akzeptanz. Das letzte Stadium des Sterbeprozesses. Er war nun bereit. Er wollte nun endlich gehen und glücklich werden. Darum fiel es ihm auch nur halb so schwer wie gedacht, seinen Sohn wegzugeben. Er hob ihre Arme hoch und schob das Kind dazwischen, bis es dort war, wo es hingehörte. "Ich werde bald zu euch kommen.", versprach er ihnen und schenkte seiner Familie ein ehrliches Lächeln.
Um ihnen herum sah es aus wie ein Schlachtfeld; es war das reinste Horrorkabinett. Die riesige Blutlache, in der sie lagen, Natsukis Organe, die ihm Raum verstreut von Fliegen befallen wurden und das Kunai, das Zeuge seines hinterhältigen Mords war. Doch die beiden sahen so friedlich aus. Sie strahlten eine so unheimliche Ruhe aus, von der er nicht genug bekommen könnte. Er wollte ein Teil von ihnen sein. Dafür müsste er sich nur gedulden. Nicht mehr lange und er könnte die beiden wieder umarmen. Hoffnungsvoll hievte er sich auf seine Füße und schleppte sich langsam aus dem Schlafzimmer und ließ das Chaos hinter sich. Er wollte ein weißes Lacken aus dem Wohnzimmer holen, um ihren Körper damit zu bedecken, mit der Hoffnung, dass die Fliegen sie dann verschonen würden. Deshalb schlurfte er raus in den Gang und wollte gerade ins Wohnzimmer einschlagen, da nahm er eine Bewegung aus dem Augenwinkel war. Sie war nur ganz minimal, doch noch hatte er sein Augenlicht nicht verloren. Leider. Verwirrt drehte er sich wieder um und ging auf die dunkelbraune Haustür zu. Dort ging er schwerfällig in die Hocke und hob einen kleinen weißen Zettel auf. Seine blutverschmierten Finger hinterließen direkt dicke rote Fingerabdrücke auf dem Papier, das eben jemand unter der Tür durchgeschoben haben muss.
Ihr könnt geheilt werden.
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Kakashi, stirb mit mir.
Fiksi PenggemarKakashi, 21 Jahre jung, ist Teamführer bei der Anbu und steht bereits mitten im Leben. Alles läuft perfekt und er könnte es sich nicht besser vorstellen. Doch dann passierte das wohl Schlimmste, was ihm hätte widerfahren können. Das soll eine Kurzge...