Rock me, Baby! ✓

22 LIZ ‖ Lichtermeer

Ich bin ein fast ein bisschen traurig, als die Fahrt irgendwann endet. Luke steigt aus und läuft ums Auto herum, um mir die Tür zu öffnen.

Als ich auf dem Parkplatz stehe, schnappt er sich seine Jacke von der hinteren Ablage und legt sie mir um die Schultern. Es ist eine dunkle Lederjacke. Ich sauge ihren Geruch förmlich ein, denn sie riecht fantastisch. Nach ihm.

„Ist es okay, wenn ich deine Hand nehme?", will er wissen und streckt mir seine hin.

Überrascht hebe ich meine Brauen. Warum fragt er plötzlich?

Ach ja, sein 'Ich-fasse-dich-ohne-ausdrückliche-Genehmigung-nicht-an'-Versprechen. Das scheint er wirklich sehr ernst zu nehmen.

„Spinner", meine ich und verdrehe meine Augen.

„Was?", fragt er mit Unschuldsblick. „Ich hab' doch gesagt, ich halte meine Versprechen." Er beugt sich vor und fügt leise hinzu: „Aber denk dran, das gilt nur für heute Nacht."

Als ich nach seiner Hand greife, fühle ich die elektrische Spannung, die um uns herum in der Luft liegt und jetzt langsam in meinen Körper kriecht. Mein ganzer Arm beginnt leicht zu kribbeln und die schon bekannte, unglaubliche Wärme breitet sich in meinem Inneren aus.

Das ist doch nicht normal?

Aber praktisch. Wenn er mich berührt, brauche ich nie mehr zu frieren.

Wir stehen auf einem Parkplatz an einem Waldrand. Ein schmaler Pfad verschwindet zwischen den Bäumen und Luke führt mich zielstrebig darauf zu. Die Umgebung ist irgendwie gruselig und ich fühle mich fast ein bisschen wie im Märchen Hänsel und Gretel. Gut, dass der Mond heute scheint und schon fast voll ist, ansonsten wäre es bestimmt ganz schön dunkel hier. Vielleicht sollte ich ein paar Kieselsteine streuen, damit wir später wieder zurückfinden und nicht der Hexe zum Opfer fallen?

Angst habe ich trotzdem keine, denn Luke gibt mir seltsamerweise ein Gefühl der absoluten Sicherheit.

Wir laufen nur wenige Meter auf dem Weg und stehen auf einmal auf einem vom Mondlicht beschienenen Spielplatz. Er sieht heruntergekommen aus, so als gäbe es ihn schon ziemlich lange, und als hätte man schon eine ganze Weile nichts mehr daran erneuert. Durch den leichten Wind schwingt eine Schaukel ein wenig hin und her und gibt dabei immer wieder ein schauriges Quietschen von sich.

Okay, das hat jetzt ganz eindeutig etwas von einem Gruselfilm. Vielleicht ist Luke auch ein irrer Serienmöder und ich tappe wie ein hilfloses, dummes Lämmchen gerade in seine Falle? Manchmal bin ich wirklich zu vertrauensselig. Immer noch. Trotz allem, was passiert ist.

Luke zieht mich währenddessen unbeirrt weiter über den Spielplatz.

Als wir an einem Maschendrahtzaun ankommen, dreht er sich plötzlich um. Damit steht er mir wieder direkt gegenüber. Ganz nah. Ich atme tief ein und eine Welle seines unvergleichlichen Duftes schwappt über mich hinweg. Die Serienmörder-Ängste verflüchtigen sich augenblicklich ins Nirvana und mein Puls beschleunigt sich.

Mit einem verschmitzten Lächeln greift er in die Jackentasche seiner Lederjacke, die auf meinen Schultern liegt, und zieht sein Handy heraus.

Enttäuscht atme ich hörbar aus, als er sich sofort wieder umdreht und die Taschenlampe seines Smartphones aktiviert. Meine Frustration ist wohl nicht unbemerkt geblieben, denn Luke wirft mir nochmal einen Blick über die Schulter zu und grinst mich wissend an.

Mit dem Licht der Lampe sucht er den Maschendrahtzaun ab, der diesen Teil des Spielplatzes abgrenzt, und trifft damit schließlich auf ein Loch in dem Zaun. Es ist gerade groß genug, dass ein Erwachsener durchpasst, wenn er sich kleinmacht. Luke duckt sich und schlüpft durch . Auf der anderen Seite angekommen, dreht er sich wieder um und sieht mich an.