Kapitel 2

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, musste ich kurz realisieren wo ich gerade war. Durch die Panorama-Fenster konnte man den bewölkten Himmel sehen und dicke Regentropfen liefen an ihnen herab.

 Mit jetzt schon schlechter Laune quälte ich mich aus dem Bett und lief in die Küche um mir Kaffee zu machen. Doch in keinem Schrank und in keiner Schublade war mein Kaffee und dann fiel mir ein, dass ich ihn gestern noch nicht ausgepackt hatte. Jetzt hatte ich also die Wahl: Mich durch Unmengen an Kisten durchwühlen oder auf meinen Kaffee verzichten. Mein Blick auf die Uhr nahm mir die Entscheidung ab. Ich seufzte laut, bemitleidete mich kurz selbst und lief dann ins Badezimmer um zu duschen.

 Frisch und in einen kuschligen Bademantel gewickelt, lief ich in mein Schlafzimmer, wo meine Koffer am Boden lagen. Dort suchte ich mir ein elegantes, aber bequemes Outfit heraus, zog mich um und begann damit meine Haare zu föhnen und mir die Zähne zu putzen. Haare stylen konnte ich mir bei diesem Wetter ja sparen. Ich schmiss einen Block, einen Stift und den Campus-Plan in eine Tasche, zog mir eine Jacke und Schuhe an und verließ das Loft. Draußen war es noch düsterer als es aussah und ich hatte fast das Gefühl, dass die Bäume gleich wegfliegen würden. Schnell suchte ich per Google-Maps ein Café und machte mich auch schon im Regen auf den Weg. Ich bestellte mir ein Schokocroissant und einen schwarzen Kaffee mit Zucker. Zum Glück war das Café nicht weit von der Uni entfernt und ich musste nur 7min zum Campus laufen. Dort angekommen suchte ich das Sekretariat. Als ich es endlich gefunden hatte, wartete ein ca. 1,50m großes Mädchen mit bunten Haaren vor der Tür. „Hey! Du bist bestimmt Skylar, oder?", frage sie mich. Wegen ihres britischen Akzents musste ich mir ein Lachen verkneifen. Ich nickte. „Ja, und du bist?" „Oh, total vergessen. Ich bin Lola und soll dir an deinem ersten Tag hier die Universität zeigen." Sind wir hier in der Schule, wollte ich sie am liebsten fragen. Sie packte meine Hand und zog mich mit sich. 

In den nächsten 1,5h zeigte sie mit Oxford und stopfte mich mit Informationen voll. Eigentlich war sie ganz niedlich. Sie erinnerte mich irgendwie an meine kleine Schwester Ellie. Mit ihren 13 Jahren dreht sich bei ihr gerade alles nur um Mode und Cool-sein. Irgendwie hatte ich ein bisschen Angst, dass die meisten Leute hier so waren. Ich meine, Lola war es, soweit ich das jetzt beurteilen konnte. Am Ende unserer Tour konnte ich mir nur schwer einen Seufzer verkneifen. Ich war hier um zu studieren und nicht um Freundschaften zu schließen. Klar wäre es toll, hier Freunde zu haben, aber das meine Familie auch viele Feinde hatte, die diese als Druckmittel benutzen konnten, zeigte unteranderem die schwarze Pistole in meiner Tasche. Mein Dad hatte mir von klein auf eingetrichtert, immer bewaffnet das Haus zu verlassen. Ob es nun eine Pistole oder andere Waffen waren, war dabei egal. Und diese Regel meines Vaters befolgte ich immer. Ob ich nur in der Schule saß, feiern ging oder bei Freunden war. Ich ging nie schutzlos aus dem Haus. Meine Gedanken wurden von Lola unterbrochen: „Wenn du noch Fragen hast, hier hast du meine Handynummer. Du kannst auch in der Mensa bei mir und meinen Freunden sitzen, wenn du willst." Sie lächelte mich an und ich bekam ein schlechtes Gewissen, wenn auch nur ein kleines. „Und deinen Freunden macht das nichts aus?", fragte ich sie. „Ich denke nicht. Wir sind eigentlich eine ziemlich offene Truppe, also kannst du dich uns gerne anschließen.", sagte sie mit einem Grinsen im Gesicht. „Ich überlege es mir. Und danke für die Führung!" Ich verabschiedete mich und schaute auf meinen Stundenplan. Ich hatte meine erste Vorlesung erst in 20 Minuten, also ging ich wieder ins Gebäude und setzte mich dort auf eine Bank.

 Ich holte mein Handy aus der Tasche und öffnete eine App auf der ich meine Bücher las. Mein neustes Buch hatte ich gestern im Flugzeug angefangen und schien ganz gut zu sein. Ich vertiefte mich immer mehr in das Buch, da es echt spannend war und merkte es kaum, als die Studenten aus den Vorlesungssälen kamen. Als ich das nächste Mal wieder von meinem Handy hochsah, waren nur noch wenige Leute in den Gängen der Universität unterwegs. Ich schaute auf die Uhr und stellte halb entsetzt halb erleichtert fest, dass ich noch 3 Minuten hatte. Da ich dank der Führung von Lola wusste, wo mein Hörsaal war, lief ich schnell dort hin und setzte mich auf einen freien Platz in der vorletzten Reihe.

 Als die Vorlesung schon angefangen hatte, ging die große Eingangstür des Saals leise auf und ein Junge in komplett schwarzer Kleidung schlich sich hinein. Er setzte sich in die Reihe hinter mich und begann in seinem Rucksack zu wühlen. Als das Geraschel hinter mir endlich verstummte, schickte ich ein stilles Danke in den Himmel und lehnte mich zurück. Die Vorlesung war vorbei und ich war positiv überrascht. Der Professor war um die 35, hatte eine angenehme Stimme, bei der man aber nicht das Bedürfnis hatte einzuschlafen und konnte gut erklären. Ich steckte meinen Block mit meinen Notizen zurück in meine Tasche und wollte gerade aus dem, Hörsaal gehen, als ich feststellte, dass der Junge von vorhin bequem auf seinem Stuhl saß und schlief.

 Entsetzt schüttelte ich den Kopf und wollte gerade die Tür nach draußen öffnen, da hörte ich eine tiefe Stimme hinter mir, die mich innehalten ließ: „Hey Prinzessin, du hast ja fleißig mitgeschrieben. Wie man bei so ner Vorlesung freiwillig Notizen machen kann, ist mir echt ein Rätsel." Ich atmete tief ein. Eine Eigenschaft, die ich unteranderem von meinem Vater hatte, war mein Temperament. Und das war gewaltig. Ich muss zugeben, es ist manchmal nicht ganz so praktisch, temperamentvoll zu sein und eine große Klappe zu haben. Ich versuchte mich also zu beruhigen, was nicht ganz so gut klappte. Also verdrehte ich die Augen, hielt ihm meinen Mittelfinger hin und ging aus der Tür. „Die Prinzessin ist sich wohl zu fein um mit anderen zu reden. Auch ok! Aber so schnell wirst du mich nicht los, glaub mir.", hörte ich ihn noch reden. Da das heute meine einzige Vorlesung war, die erste hatte ich wegen der Campustour verpasst, beeilte ich mich Nachhause zu kommen. Dort angekommen packte ich alle Kisten mit der Aufschrift 'Küche' aus und fand so auch meinen geliebten Kaffee. Davon machte ich mir auch gleich eine große Tasse und setzte mich dann daran weitere Kartons auszupacken, was wirklich eine Ewigkeit dauerte. 

Ich darf ihn nicht liebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt