Kapitel 5

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Das war so schnell passiert, das niemand hätte eingreifen können. Biggi blieb aufgrund des kalten Wassers, indem sie nun lag, kurz die Luft weg. Die Salzach war nicht tief, allerdings war Biggi so ungeschickt gefallen, dass sie an keiner Stelle trocken geblieben war.
Von den Haaren bis zu den Füßen war die Schauspielerin nun patschnass und sofort setzte das Zittern ein. Die Temperaturen waren nicht gerade angenehm und das Wasser war dementsprechend eiskalt.
"Bist du eigentlich vollkommen durchgeknallt?!", rief Gabi und ging auf Vera zu. Die wollte sich Gabi ebenfalls entgegen stellen, allerdings wurde sie von der Größe der anderen Blondine so eingeschüchtert, dass sie es doch lieber sein ließ. "Schau das du verschwindest, bevor ich mich vergesse!", herrschte Gabi Vera an, die tatsächlich davon stapfte.
Derweil hatte Peter bereits die Initiative ergriffen und half Biggi aus dem Wasser. Thomas war nach wie vor unfähig, etwas zu sagen. Um aber nicht gänzlich wie der letzte Volltrottel zu wirken, wollte Thomas Biggi ebenfalls helfen.
"Nein!", protestierte diese. "Oder willst du noch mehr Stress provozieren?!", wollte Biggi wissen und sofort zog Thomas die Hand zurück. Tropfend stand Biggi nun vor ihren Kollegen und nur krampfhaft konnte sie die Tränen zurück halten. Diesmal waren es aber keine Tränen der Traurigkeit, sondern Tränen der Wut. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, als sie Vera erblickte, die erhobenen Hauptes davon stolzierte.
"Die mach ich fertig!", knurrte die Braunhaarige und wollte Vera bereits folgen, allerdings stellte Gabi sich ihr in den Weg. "Und genau das wirst du nicht tun.", stellte sie ruhig klar. "Aber.." Biggi wollte protestieren, jedoch ließ Gabi ihr keine Chance dazu. "Das würde dich nur unnötig in Schwierigkeiten bringen, Biggi! Meiner Meinung nach ist die Alte das nicht wert. Lass uns lieber zum Regisseur gehen und der klärt das dann hoffentlich ein für alle mal.", schlug Gabi den diplomatischen Weg vor. "Ich bin schon längst in Schwierigkeiten!", entgegnete Biggi schroff und wusste nicht, wie sehr sie damit recht behalten würde. Denn als die Gruppe beim Hangar eintraf, standen dort bereits der Regisseur und ein anderer Mann, den sie alle sofort erkannten. Es war ein Vorstand des Senders, der eigentlich nur spontan hatte vorbei schauen wollen.
Allerdings war er dann Zuschauer eines Schauspiels geworden, das er lieber nicht gesehen hätte. Geprägt gewesen war es von Streitigkeiten, die man meterweit weg noch hatte hören können. Eine der Schauspielerinnen war dann weinend an auf ihn zugekommen und als er gefragt hatte, was den passiert wäre, hatte sie ihm erzählt das sie von einer Kollegin geschlagen worden wäre. Das er aber wusste, wie es sich wirklich zugetragen hatte, das hatte er sich nicht anmerken lassen. Die Traurigkeit und das Weinen waren aufgesetzt gewesen. Gehandelt hatte es sich um Vera Wächter, von der er in den vergangenen Monaten nichts Gutes gehört hatte.
Ständig war es zu Auseinandersetzungen zwischen ihr und ihrer Kollegin Biggi Schwerin gekommen, die nun ebenfalls zum Hangar gelaufen kam. Sie hielt sich ebenfalls die Wange und war pitschnass. Dem Vorstand war klar, dass er nun handeln musste, genau wie es dem Regisseur schon seit längerem klar war und deshalb hatten sie auch bereits beim letzten Mal schon einen Plan ausgemacht.
Dem Vorstand passte es ganz gut, dass er nun einmal hautnah miterlebt hatte, wie sich die beiden Frauen verhielten und er würde im Interesse des gesamten Senders handeln. Vera hatte er bereits in das Büro des Regisseurs geschickt und nun ging er auf die Gruppe Schauspieler zu.
Biggi erschrak, als sie den Mann erkannte. Sie wusste, dass er das gerade mitbekommen hatte, noch bevor er etwas sagen konnte. Er ließ sich allerdings nicht gleich etwas anmerken. "Wie schön, sie hier alle mal wieder zu sehen.", meinte der Herr im Anzug. "Ich dachte, ich schaue mal vorbei und überzeuge mich mal persönlich von ihrer hervorragenden Leistung. Die Einschaltquoten könnten nicht besser sein!" Zunächst war Biggi verwirrt, doch sie ahnte, dass das gerade nur Taktik war. Ein Donnerwetter braute sich gerade zusammen und würde gleich über sie hereinbrechen.
Stocksteif stand sie da und auf dem Boden bildete sich langsam eine Pfütze, so sehr tropfte sie. Der Overall war vollkommen durchtränkt und in ihren Stiefeln stand das Wasser. Frisur und Make-Up waren ebenfalls hinüber. Aber das war gerade wirklich Biggis kleinstes Problem.
"Es wundert mich wirklich, dass sie trotz der Situation am Set, so eine Leistung erbringen können.", sprach der Mann nun weiter und sein Blick fiel auf Biggi. "Frau Schwerin, können sie mir bitte erklären warum sie so tropfen? Sie erkälten sich ja noch!"
Die Sorge war nur gespielt, das merkte Biggi sofort. Wie auf Kommando kam auch plötzlich ein Mitarbeiter angelaufen, der Biggi ein Handtuch um die Schultern legte. "Ich hatte Lust, ein bisschen schwimmen zu gehen! Sieht man doch!", entgegnete Biggi bissig und Gabi stieß ihr daraufhin mit dem Ellenbogen in die Seite. Ihre Freundin blickte sie daraufhin nur böse an, aber die Blondine schüttelte nur unmerklich den Kopf. 'Benimm dich!', schien Gabi Biggi damit sagen zu wollen.
"Achso.", antwortete der Vorstand. "Und wir dachten schon, wir hätten sie gerade mit Frau Wächter streiten gesehen." Er sprach noch unheimlich ruhig. "Die sitzt übrigens bereits in meinem Büro und wir würden uns gerne einmal mit ihnen beiden unterhalten.", mischte sich nun der Regisseur ein. "Darf ich mich wenigstens vorher umziehen?", wollte Biggi wissen. "Nein, das klären wir auf der Stelle!" Der Ton des Vorstands ließ keinen Widerspruch zu und so folgte Biggi den zwei Herren hinein.
Tatsächlich saß Vera bereits am Schreibtisch und hielt sich ein Kühlpack an ihre Wange. Das Gesicht war tränenüberströmt. "Wie können sie diese Frau nochmal in meine Nähe lassen?!", rief Vera und spielte ihre Angst perfekt. Nur nahmen der Regisseur und der andere ihr das Schauspiel nicht ab. "Setzen sie sich hin, Frau Wächter!", sagte der Regisseur streng, denn Vera war von ihrem Stuhl aufgesprungen. "Und sparen sie sich dieses lächerliche Laientheater, wir sind hier nicht im Kindergarten!"
Vera verstummte und nahm wieder Platz. Der Vorstand setze sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch, der Regisseur blieb hinter ihm stehen. Biggi wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. "Brauchen sie eine extra Einladung, Frau Schwerin? Oder warum setzen sie sich nicht?!", wurde sie schließlich vom Regisseur gefragt, der merklich sauer war. Kein Wunder, denn es war ja nicht das erste mal, dass wegen Biggi und Vera der Ablauf am Set gestört worden war.
Biggi zuckte beim Tonfall ihres Regisseurs zusammen, sagte auch nichts und nahm stattdessen einfach nur das Handtuch von ihren Schultern. Das legte sie auf den zweiten Stuhl vor dem Schreibtisch und setze sich neben Vera und vor ihren Vorgesetzten nieder. Beide blickten sie sauer drein.
"Ich habe es erst nicht glauben wollen.", begann der Mann vom Sender. "Zwei junge Frauen, deren Karriere mit dieser Serie steil nach oben geht, prügeln und beleidigen sich gegenseitig am Set.. ich kann's nicht fassen!"
Biggi wollte etwas dagegen sagen, verkniff es sich jedoch. Vera machte stattdessen ihren Mund sofort auf, um alle Schuld auf Biggi zu schieben, aber ihr wurde sofort das sprechen untersagt.
"Jetzt rede ich!", stellte der Mann klar und warf Vera einen extra wütenden Blick zu. "Uns wurde mitgeteilt, dass das bereits schon öfter vor kam. Alle Crewmitglieder können es bezeugen und nachdem ich das gerade miterleben musste, bin auch ich nun vollkommen überzeugt und ehrlich gesagt auch schockiert. Wir haben uns schon vor Wochen geeinigt, was passiert, wenn sich die Lage zwischen ihnen nicht beruhigt und es tut mir leid das ich nun wirklich zu diesen Mitteln greifen muss." Es folgte eine Pause.
"Frau Wächter, welche Folge haben sie in den letzten Tagen gedreht?", wollte der Vorstand von Vera wissen. "Ihr Regisseur meinte, es wäre die gewesen, in der ihre Rolle bei einem Autounfall verletzt wird. Ist das richtig?" Vera nickte nur. "Und sie überlebt, oder?" Wieder nickte die Schauspielerin.
"Nachdem, was sie sich heute geleistet haben, allerdings nicht. Frau Wächter, das war heute ihr letzter Drehtag hier. Es trifft sich gut, dass es ausgerechnet jetzt passiert ist, denn das ist die perfekte Gelegenheit ihre Rolle der Vera Wächter zu streichen. Ist es möglich, das Ende der Folge nachträglich noch so zu ändern, dass ihre Rolle den Serientod stirbt?", wollte der Mann vom Regisseur wissen und dieser nickte.
"Das können sie nicht machen!", herrschte Vera ihn an. "Doch, das können wir sehr wohl und ich würde sie jetzt bitten, sofort ihre Sachen zu packen. Auf diesem Gelände haben sie ab sofort Hausverbot!", stellte der Regisseur wütend klar.
Vera wollte weiterhin protestieren. Als dann aber mit der Polizei gedroht wurde, verließ sie wutentbrannt das Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Nun saß Biggi alleine ihren Chefs gegenüber. Noch immer tropfte Wasser aus ihren Haaren, aber sie wagte es nicht, sich mehr zu bewegen als nötig.
"Nun zu ihnen, Frau Schwerin.", meinte der Vorstand. "Wir wissen, dass sie die Streitereien nicht angezettelt haben." Biggi wollte erleichtert aufatmen, wusste aber das da noch mehr kommen musste. "Allerdings sind sie auf die Provokationen von Frau Wächter eingegangen und haben sogar zurück geschlagen.", sprach er weiter.
"Was hätte ich denn tun sollen?! Das einfach so hinnehmen?!", fragte die Schauspielerin entsetzt. "Nein.", antwortete der Regisseur. "Aber es gibt immer einen diplomatischeren Weg und selbst Gewalt anzuwenden, gehört nicht dazu." Biggi ahnte schlimmes. "Es tut mir leid, Frau Schwerin. Nur sind wir im Augenblick der Meinung, dass sie es ebenfalls nicht verdient haben, länger Teil der Serie zu sein."
In diesem Moment entglitten der jungen Frau allerlei Gesichtszüge und sie war kurz davor, die Fassung zu verlieren. "Was bedeutet das?", wollte sie wissen. "Sie haben noch einen Vertrag bis zum Ende von Staffel 2 und in dieser Zeit ist es unmöglich, einen Ersatz für sie zu finden. Bis dahin bleiben sie also noch Teil des Teams. Allerdings sind wir am überlegen, auch ihre Rolle zu verändern und dafür haben wir drei Optionen. Die erste wäre, die Rolle einfach so verschwinden zu lassen.", erläuterte der Vorstand nun. "Nein, das können sie doch nicht ernst meinen!", flüsterte Biggi entsetzt, doch der Mann sprach einfach weiter.
"Die zweite Option wäre, dass wir sie zu Beginn der dritten Staffel neu besetzen und Option drei wäre, dass ihre Rolle Biggi Schwerin genau wie die Rolle Vera Wächter den Serientod stirbt. So leid es mir tut, aber ungestraft können wir ihr Verhalten nicht lassen. Das wäre Frau Wächter gegenüber unfair und auch ihren Kollegen gegenüber, die durch ihre Diskussionen erheblich bei ihrer Arbeit beeinträchtigt wurden."
Biggi stiegen daraufhin die Tränen in die Augen, aber vor ihren Vorgesetzten wollte sie unter keinen Umständen weinen.

Fürs echte Leben gibt's nun mal kein DrehbuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt