Kapitel 12

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Diese Nacht war inzwischen schon mehrere Wochen her und es hatte noch viele weitere solcher gemeinsamen Nächte gegeben. Gemerkt hatte noch keiner irgendetwas und das wollten Biggi und Thomas auch erstmal weiterhin so. Die Schauspielerin fühlte sich zwar schlecht, dass Thomas verheiratet war, jedoch wusste sie auch das es unglaublich viel Stress geben würde wenn es jetzt schon heraus kam. Deshalb hatte sie sich überzeugen lassen, noch ein wenig länger zu warten. Ansonsten würden die beiden nämlich auch ihren Job verlieren und das wollte sie auf keinen Fall riskieren. Nicht nochmal, denn inzwischen lief es wieder prächtig. Die Serie kam bei den Zuschauern immer besser an, die Quoten sprachen für sich und die Tendenz war steigend. Der Ausstieg zweier Hauptpersonen konnte diesen Erfolg ganz schnell verderben und deshalb lebten Biggi und Thomas ihr Liebesglück nach wie vor im verborgenen aus.
Oft trafen sie sich bei Biggi zu Hause oder auch einfach nach den Dreharbeiten nochmal in einer der zwei Garderoben. Vera war in dem Glauben, dass Nachtdrehs anstanden. Und die Hauptsache war für die beiden Schauspieler, dass sie Zeit miteinander verbringen konnten. Egal wann und wie viel, auch wenn es nur ein paar Minuten waren. Dazu wurden dann gerne auch mal die Drehpausen genutzt, so wie heute. Während die anderen Essen gegangen waren, hatten Biggi und Thomas sich davon geschlichen. Biggi unter dem Vorwand, dass sie sich noch ein wenig hinlegen wollte und Thomas gab vor, noch ein wenig den Text lernen zu wollen.
Biggi wartete wie immer sehnsüchtig in ihrer Garderobe, bis es endlich klopfte. Und nach ungefähr fünf Minuten hörte sie es endlich. Schnell öffnete sie die Tür und ließ ihren Kollegen und Freund herein, der die Tür hinter sich sofort wieder schloss und den Schlüssel umdrehte. Daraufhin zog er Biggi sofort an sich, um sie zu küssen, was sie natürlich zu gern erwiderte. "Du hast mir gefehlt!", sagte Thomas zwischen zwei Küssen. "Unser letzter Kuss ist gerade mal drei Stunden her.", meinte Biggi belustigt. "Viel zu lange!", stellte Thomas grinsend klar und legte seine Lippen sofort wieder auf die der Schauspielerin.
Und auch diesmal blieb es nicht nur beim Küssen, wie eigentlich jedes Mal, wenn sich die beiden sahen. Und ihre Momente der Zweisamkeit waren so rar bemessen, dass sie wirklich jede Gelegenheit nutzen mussten, um sich nah zu sein.
Eng umschlungen lagen sie nun gemeinsam auf der Couch und kuschelten noch ein wenig, ehe sie sich in ein paar Minuten wieder anziehen mussten, da ihre Pause bald wieder vorüber war. Biggi seufzte wohlig, als Thomas begann, ihr sanft über den Rücken und ihre Schulter zu streicheln. Sie genoss die Nähe zu ihm sehr, was sie vor ein paar Wochen nie gedacht hätte. Thomas lächelte, als er sah, wie entspannt Biggi auf seiner Brust lag. Ihre Augen hatte sie geschlossen, auf ihren Lippen lag ein zufriedenes Lächeln. Und er hätte noch stundenlang so liegen bleiben können, hier, zusammen mit ihr. Doch er wusste , dass das nicht ging. "He, nicht einschlafen!", ermahnte der Schauspieler seine Geliebte belustigt und pustete ihr ins Gesicht. Biggi murrte genervt. "Lass mich!", murmelte sie und drehte ihren Kopf weg. "Du weißt genau, dass das jetzt nicht geht.", erinnerte Thomas sie und Biggi blickte ihn daraufhin an.
"Ja, leider.", hauchte sie und kuschelte sich dann doch wieder an ihn. "Und dabei wollte ich doch die Pause zum Schlafen nutzen.", meinte Biggi. "Jetzt bin ich noch müder als vorher.", fügte sie hinzu. "Du hast doch geschlafen.", antwortete Thomas. "Mit mir. Das ist auch eine Art von Schlafen, wenn auch eine sportliche Variante." Biggi musste über diese Aussage lachen. "Wo du Recht hast, hast du Recht.", pflichtete sie ihm bei.
"Und was war deine Ausrede heute?", wollte Biggi nun wissen. "Ich hab gesagt, ich muss noch Text lernen.", antwortete Thomas und die beiden mussten lachen. "Seit wann musst du denn lernen? Du behauptest doch immer, das einmal durchlesen reicht. Da war meine Ausrede ja mal um Längen besser!", meinte Biggi lachend. "Obwohl, jetzt wo du es sagst.. ich hab die Passagen für die Szene später noch nicht einmal durchgelesen.", erinnerte sich die Schauspielerin erschrocken. "Dann solltest du das mal.", antwortete Thomas und angelte sich das Skript vom Boden, das praktischerweise direkt neben der Couch lag.
"Danke sehr, der Herr.", sagte Biggi und nahm das Skript an sich. Sie hatte es tatsächlich noch kaum angerührt, es war nicht wie sonst durchgearbeitet. Nichts war markiert und keine Notizen befanden sich darin, was für Biggi eigentlich untypisch war. Sonst paukte sie jede Zeile, bis sie saß. Sie konnte sogar oftmals die Redeanteile ihrer Kollegen auswendig und half ihnen dann bei einem Hänger auf die Sprünge. Doch heute konnte sie froh sein, wenn sie überhaupt ihren Teil noch irgendwie in den Kopf bekam. Die Schauspielerin blätterte im Skript umher, bis sie die entsprechenden Szenen gefunden hatte.
"Ich hab's mir heute früh mal ganz kurz durchgelesen.", meinte Thomas. "Totaler Mist, wenn du mich fragst. Zumindest die eine Szene.", offenbarte er ihr. "Wirklich?", fragte Biggi erstaunt. Vor allem deswegen, weil Thomas ein wenig verärgert klang. "Ja, wirklich.", bestätigte er. "Und was genau daran gefällt dir nicht? Beziehungsweise von welcher Szene ist hier die Rede?", wollte Biggi wissen und wortlos nahm Thomas ihr das Skript wieder ab. Er blätterte ein paar Seiten weiter und gab es ihr zurück. "Lies einfach mal selbst.", forderte der Schauspieler Biggi auf, die sein Verhalten nach wie vor nicht nachvollziehen konnte. Thomas verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke, während Biggi anfing zu lesen.
In dieser Szene  sollte sie zusammen mit ihrem Kollegen Axel drehen.  Dieser spielte seit kurzem den Anwalt Axel Wertheim, den Biggi bei einem Unfall kennengelernt und in den sie sich Hals über Kopf verliebt hat. Und während Biggi die Zeilen überflog, dämmerte es ihr langsam, was wohl Thomas' Problem bei der Sache sein musste. Es handelte sich nämlich um eine ziemlich eindeutige Szene, um eine Liebeszene um genau zu sein und Biggi musste schmunzeln. Sie ließ das Skript wieder auf den Boden fallen und wandte sich Thomas zu, der nach wie vor an die Decke starrte.
"Kann es sein, dass da jemand ein bisschen eifersüchtig ist?", erkundigte sich die Schauspielerin grinsend, während Thomas weiterhin stur an die Zimmerdecke starrte und schmollte. "Hey, Freundchen. Ich rede mit dir.", sagte Biggi, allerdings reagierte Thomas nach wie vor nicht. "Du bist eifersüchtig.", schlussfolgerte die schöne Schauspielerin schließlich und verkniff sich das Lachen. Es sah einfach zu süß aus, wie Thomas drein schaute. "Bin ich nicht!", leugnete der Schauspieler, ohne den Blick von der Decke abzuwenden. "Du kannst mir nichts vormachen.", meinte Biggi. "Ich sehe dir an, dass es so ist. Warum auch sonst würdest du dich jetzt so benehmen?"
Biggi konnte sehen, dass Thomas mit den Augen rollte und dabei genervt aus atmete. "Wie könnte ich auch nicht eifersüchtig sein?!", fragte er sie vorwurfsvoll. "Wenn ich das alleine schon lese.. Herrgott, Biggi! Das ist ein halber Porno!", rief Thomas empört. "Shh, Shh, Shh!", ermahnte Biggi ihn gleich. "Willst du etwa, dass es das gesamte Team mitbekommt und wir auffliegen?! Dann schrei weiter so rum!"
Thomas sah ein, dass er einen Fehler gemacht hatte. "Entschuldige.", nuschelte der Schauspieler. "Aber alleine schon der Gedanke, dass du und er.. Ich find's einfach scheiße, okay?", gab Thomas zu. "Ich hätte mit dir damals eine ähnliche Szene drehen sollen.", erinnerte Biggi ihren Geliebten. "Das war was anderes.", antwortete Thomas. "Ach ja?", fragte Biggi verwundert. "Da war es nur ein anderes Set und ein anderer Kollege, mehr auch nicht.", erklärte Biggi.
"Für dich ist das also völlig in Ordnung oder was?!", meckerte Thomas und stand ruckartig auf. Biggi rutschte von ihm herunter und landete somit auf der Couch, während Thomas sich seine Boxershorts vom Boden aufhob und sie anzog. Biggi schnappte sich die Kuscheldecke, die auf der Lehne des Sofas lag, und wickelte sich darin ein. "Kannst du mir mal erklären, warum genau du jetzt auf einmal so durch tickst?!"
Biggi war verwirrt. Mit so einer Reaktion von Thomas hätte sie nun wirklich nicht gerechnet, aber anscheinend schien ihm das mit dieser Szene doch mehr auszumachen, als er zugeben wollte und die Schauspielerin konnte das gerade noch nicht verstehen. Für sie gehörte es zu ihrer Arbeit, mehr aber auch nicht. Es war schließlich nicht ihre erste Szene dieser Art.
"Jetzt tu nicht so, als ob du es dir nicht erklären könntest!", ging Thomas sie an. "Das einzige, was logisch für mich wäre, ist die Tatsache, dass du eifersüchtig bist.", antwortete Biggi. "Aber nachdem du das gerade geleugnet hast, verstehe ich wirklich nicht, was es sonst sein könnte.", gab die Schauspielerin ehrlich zu. "Ach, weißt du was?! Vergiss es!" Thomas hob weiterhin seine Kleidungsstücke vom Boden auf und zog eines nach dem anderen an. Biggi blieb nach wie vor auf dem Sofa sitzen.
"Du benimmst dich gerade wie deine Göttergattin, ist dir das klar?!", wollte Biggi von ihm wissen. "Das ist mein Job, Thomas!", stellte sie anschließend klar. "Was genau?! Nackt vor der Kamera zu posieren und das ständig mit anderen Männern?! Das müsste nicht zwingend sein und das weißt du genau!" Thomas versuchte seine Stimme nicht allzu sehr zu erheben, aber wütend klang es auch in gemäßigter Lautstärke. "Was redest du da überhaupt?!", entfuhr es Biggi fassungslos. "Klar müsste es nicht sein, aber wenn ich mich weigere, suchen die sich ganz schnell eine andere. Und ganz ehrlich finde ich daran überhaupt nichts schlimmes, ich probiere mich gerne aus.", versuchte die Schauspielerin nun in einem ruhigeren Ton zu erklären.
"Das ist doch alles auch nicht echt, schon vergessen? Ich spiele das nur!", beharrte Biggi. "Herrgott nochmal, ich bin Schauspielerin! Das ist mein Beruf, genau wie es deiner ist! Du hast dich für Vera damals entschuldigt, als sie unsere Szene ruiniert hat und jetzt führst du dich genauso auf!", versuchte Biggi Thomas begreiflich zu machen.
"Das war was völlig anderes!", hielt dieser dagegen. "Nein, Thomas. War es nicht.", erwiderte Biggi. "Du kapierst es nicht!", gab Thomas spöttisch zurück. "Du kapierst es einfach nicht!", wiederholte er. "Was kapiere ich denn nicht?", verlangte Biggi zu wissen. "Du kapierst nicht, dass ich dich liebe und das ich den Gedanken nicht ertragen kann, dass haufenweise Männer dich nackt über den Bildschirm hüpfen sehen und sich sonst was dabei denken!", platzte es nun aus Thomas heraus. "Aber mach doch was du willst!", sagte er anschließend und verließ daraufhin wutentbrannt die Garderobe.

Fürs echte Leben gibt's nun mal kein DrehbuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt