The Night Nanny

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An diesen besonderen Abend blieb die kleine Susie hellwach. Erwartungsvoll bewunderte sie den Sternenhimmel aus dem offenen Fenster ihres Kinderzimmers. Es kam ihr so vor, als ob diese hellen Punkte oben am Firmament nur für sie strahlten – auch wenn sie mit ihren acht Jahren alt genug war, um zu wissen, dass das natürlich Unsinn war. Fiel da gerade eine Sternschnuppe herab? Schnell schloss sie ihre Augen und wünschte sich etwas.

Bei diesem „Etwas" handelte es sich um John, den neuen Freund ihrer Mutter. Von allen Männern, mit denen sich ihre Mutter in den letzten Jahren getroffen hatte – und es waren so einige gewesen – hätte sie sich John am ehesten als ihren neuen Vater vorstellen können. Irgendwie hatte sie so ein vertrautes Gefühl, wenn er zu Besuch kam, eine tiefe Zuneigung, die sie nicht erklären konnte. Seit zwei Monaten traf er sich mit ihrer Mutter, doch es kam Susie so vor, als ob sie ihn ewig kennen würde ...

Es klopfte leise an ihrer Tür und schnell verschloss sie das Fenster – sie wollte nicht wieder einen Vortrag ihrer Mutter darüber hören, wie ungesund die eisige Nachtluft für ihre Bronchien sei – hüpfte auf ihr Bett und kuschelte sich in der Decke ein.

„Hallo, du kleines Monster!", begrüße sie ihre Mutter, während sie in das Zimmer eintrat. Susie hasste es, von ihr so genannt zu werden und verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse. Sie bekam von ihrer Mutter ein kleines Tablett mit etwas lauwarmem Kakao und ein paar Oreos gereicht - das Eine verschlang sie sofort mit Wonne und das Andere trank sie in Windeseile.

„Lies mir eine Geschichte vor, ja?", bat – oder besser ausgedrückt: befahl – Susie ihrer Mutter.

„Du weißt, dass John gleich hier sein wird. Bist du nicht außerdem schon zu alt für Gutenachtgeschichten?", antwortete ihre Mutter in der vagen Hoffnung, nicht wieder eines dieser Kinderbücher vorlesen zu müssen, die sie von ihrem Vater geschenkt bekam und die eigentlich nur zur Dekoration das Bücherregal zierten. Woher er diese grauenhaften Bilderbücher hatte, wusste sie nicht. All diese Schmöker waren schon etwas älter gewesen, vermutlich hat er sie von seinen Eltern und diese von ihren Eltern vorgelesen bekommen. Familienerbstücke. Abgesehen von einem bestimmten, wesentlich neueren, aber ebenso grausigen Buch ...

„Nein! Ich will eine Geschichte!" Susie blieb stur und bestand darauf, vor dem Einschlafen etwas vorgelesen zu bekommen – unter der Bettdecke hielt sie die Arme trotzig ineinander verschränkt. So blieb ihrer Mutter nichts anderes übrig, als das Bücherregal nach etwas Geeignetem abzusuchen.

„In Ordnung, für eine kurze Geschichte reicht die Zeit wohl. Möchtest du ‚Der kleine Admiral im Pinguinland' hören?"

„Nein! Lies' mir etwas Gruseliges vor!"

„Halloween ist erst in einer Woche! Na, wir werden schon etwas schön Schauriges finden: ‚Grauenvolle Gnomgestalten' gefällig? Oder möchtest du ‚Luzie in der Finsternis'?" Nur noch wenige Bücher, die infrage kamen, befanden sich im Regal – und Susies Mutter hoffte inständig, dass ihre Tochter nicht wieder DAS Buch verlangt. „Hier wäre noch: ‚Heidi und der Nekrom...'"

„Ich will..."

‚Bitte nicht!', dachte Susies Mutter.

„Ich will: ‚Die Nanny der Nacht'! Bittebittebitte!"

Susies Mutter hasste dieses Buch so sehr wie der Teufel eine Weihwasser-Mundspülung. Seitdem Susie es vor drei Wochen von ihrem neuen Freund John geschenkt bekam, bettelte sie regelmäßig darum, es gemeinsam mit ihrer Mutter lesen zu dürfen. Doch bis jetzt gelang es ihr immer, diesen Wunsch ihrer Tochter abzulehnen und mit ihr etwas anderes zu unternehmen. Dass man so etwas als „Kinderbuch" bezeichnet, war ihr völlig unverständlich! Schon alleine das schreckliche Cover!

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