Ich ging schnell noch einmal die Sachen, die ich in meinem Beutel mitschleppte in meinem Kopf durch, während ich auf das Haus meiner Großmutter zu stapfte.
Mein Atmen hinterließ weiße Wölkchen in der Luft, während ich die Sachen stumm aufzählte. Bücher, Wolle, Rotwein, frisches Brot vom Bäcker und einen Strauß Rosen. Prüfend fuhr ich über die Tasche der Innenseite meines roten Mantels. Mein Lieblingsdolch hatte ich immer dabei, seit mein bester Freund Livian, Sohn des Schmieds ihn selber für mich geschliffen hatte.
Er warnte mich jedesmal, bevor ich los lief.
Vor den Gefahren des Waldes, vor den Gefahren unserer Stadt. Hexen, Wölfe, Räuber und was ihm noch so einfiel.Allerdings Hexen gab es nicht mehr, Die letzte hatte sich selber das Leben genommen, indem sie vom Kirchturm sprang. Die Reste aufzufegen, die sie hinterlassen hatte, war garantiert nicht sehr appetitlich gewesen. Das Einzige was nicht zermatscht gewesen war, waren ihre Augen, die munter umher rollten, wie als wären sie auf der Suche nach einem neuen Körper.
Der 89 m hohe Kirchturm dient auch als Wachposten und egal wo Hexen runter springen, wenn es höher als 7 Meter ist, sind sie automatisch tot. Ob unsterblich oder nicht. Jeder hatte eine Schwäche, man musste sie nur finden.
Zwerge waren faul, schlecht gelaunt und versuchten so gut es geht wenig zu machen. Das Atmen fanden sie schon anstrengend genug, aber sie würden alles für Honig tuen. Für Honig zu töten, ließ sich einrichten. Ein Grund, dass sich dieser nicht in meinem Gepäck befand.
Harmloser dagegen waren Kobolde. Ich fand sie auch irgendwie süß mit ihren großen, grünen Augen und ihrem Verlangen Streiche zu spielen. Sie waren jedoch ziemlich tollpatschig, was zusammen mit ihrer enormen Kraft durchaus gefährlich sein konnte. Ihre Schwäche war Angst vor Insekten.
Livian beachtete meine logische Schwächenliste jedoch nicht. Er sah nur die möglichen Gefahren. Kopfschüttelnd, dass meine Eltern es mir erlaubten meine Großmutter alleine zu besuchen, drückte er mir eines Tages den Dolch, ein paar kleine Messer und eine Schrotflinte in die Hand."Sie ist völlig instand gesetzt," hatte er mit stolzgeschwellter Brust verkündet und auf die Schrotflinte gedeutet.
"Sie geht erst nach 145 Schüssen kaputt! Also nach 13 Magazinen."
Ich starrte ihn fassungslos an. Den Gedanken mit einer unhandlichen Waffe durch den Wald zu laufen, machte die Gefahren nur weitaus realer und ich hasste es Angst zu haben. Schwächen war etwas, auf das ich mich konzentrierte um mich zu verteidigen. Ich selber wollte ohne Schwächen durch die Welt gehen, mich unsterblich fühlen.
"Schützt dich bestimmt vor den Wölfen." Livian machte ein besorgtes Gesicht. "Das deine Eltern dir keinen Schutz geben, finde ich echt verantwortungslos."
Während Livian dachte, meine Eltern schickten mich zu meiner Großmutter, hatte ich meinen Eltern erzählt, dass ich bei Livian die Nacht verbrachte. Sie wussten nichts von meinem geplanten Ausflug und den Besuch und es war besser so.
Meine Eltern würden es mir nie erlauben in den Wald zu gehen. Schon gar nicht alleine und schon gar nicht zu ihr.
Keiner wollte gerne sein Leben im Wald lassen.
Der Grund waren die Wölfe.
Wölfe hatten keine bekannten Schwächen, außer das Feuer. Aber Feuer war für jeden tödlich und da es auch die Menschen fürchten, war es selten, dass jemand etwas anzündete um die Wesen des Waldes zu vertreiben. Sie kamen ohnehin nie . Wölfe waren sehr scheu, sie zeigten sich nicht jedem. Das Wissen war begrenzt, nicht jeder der Professoren war lebendig zurückgekommen oder ohne bleibende Schäden.Laut meiner Großmutter lag es daran, dass man völlig falsch an die Sache herangehen würde. Man brauchte keine Stifte oder Papier um die Bewegungen und das Verhalten zu studieren, sondern ein Gewehr um das Tier zu erschießen. Meine Oma hasste Wölfe. Meine Oma hasste vieles. Sie hasste Kinder, Gesellschaft und Anfälligkeit.
Ich betrat die Veranda des Hauses und lief zur Haustür. Nach unserem Klopfzeichen hörte ich ihre energischen Schritte, noch bevor ich ihren Umriss durch das kleine Fenster, dass in der Tür eingelassen war, erkannte. Sie öffnete schwungvoll die Tür, sah erst mich und dann den Beutel auf meinem Rücken an.
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Red & Wolf
Teen FictionEin geheimnisvoller Mann in Gestalt eines Wolfes. Der eifersüchtige Bodyguard, der um sie wirbt. Die Bedrohung in Form ihrer Großmutter und in all dem Trubel die 17-jährige Thoya Lancester, Thronfolgerin und bereit ihr Volk vor dem Tod zu bewahren...