Kapitel 6

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Am nächsten Morgen kümmerte Biggi sich gleich darum, was noch an fiel. Ihr Sohn hatte gegen ihre Pläne nichts einzuwenden, im Gegenteil, er war froh das seine Mutter von selbst gemerkt hatte das sie eine Auszeit brauchte. Denn auch ihm war zunehmend aufgefallen, wie abgekämpft und unruhig sie in letzter Zeit war. Und dadurch war sie dann auch sehr gereizt.
Das wochenlange Tanztraining und daneben die anderen Projekte und die allgemeine Arbeit als Schauspielerin, sowie der Haushalt, hatten von Biggi sehr viel ab verlangt und das machte sich nun seit einigen Wochen bemerkbar.
Eine Bekannte würde in der Zeit, in der Biggi nicht da war, auf ihren Sohn Acht geben und dafür sorgen, dass er alles hatte was er brauchte. Er würde schon ein paar Tage alleine zurecht kommen, für die allgemeine Sicherheit war es aber von Vorteil, wenn ab und zu mal jemand nach ihm sah. Das erste, was Biggi dann noch erledigte, war ihre Termine abzusagen oder zu verschieben. Auch das klappte problemlos und danach putzte Biggi erstmal das Haus einmal komplett durch.
Am Tag vor ihrer Abreise ging sie noch einen Großeinkauf machen und stellte sicher, dass ihrem Sohn an nichts fehlte. Für sich selbst kaufte sie ebenfalls schon ein paar Sachen ein, die wenigstens für zwei oder drei Tage reichen würden, bevor sie in Italien einkaufen gehen musste. Einzig und allein für Sunny kaufte sie genügend Futter für den kompletten Aufenthalt, denn ihre Hündin würde sie mitnehmen. Der Vermieter des Ferienhauses hatte zum Glück nichts gegen Hunde, das hatte sie im Vornherein nochmal telefonisch abgeklärt.
Am Nachmittag ging es schließlich ans Koffer packen und am Abend war ihr Auto mit allem beladen, was sie eventuell brauchen würde. An diesem Tag ging Biggi früh schlafen, um für die Fahrt nach Italien am nächsten Morgen fit und ausgeschlafen zu sein.
Und sie war nicht die einzige, die sich auf eine Reise vorbereitete. Auch Thomas hatte sich kurzerhand Urlaub genommen und seine Koffer gepackt. Wo genau es hin ging, wusste nur er selbst und so war das auch am besten.
Vera wusste nur, dass er erstmal verreiste. Wohin genau, das war erstmal nicht wichtig. Auch hatte er schon vor einigen Tagen beschlossen, dass ihre Ehe als beendet galt und das sie nur der Kinder wegen noch gemeinsam in diesem Haus lebten. Aber auch das würde sich, nachdem er zurück kam, ändern. Egal ob sein Plan das erhoffte Ende nehmen würde oder nicht, er würde diese Situation hier nicht mehr länger hinnehmen und den viel zu überfälligen Schlussstrich ziehen.
Und um trotz allem fair zu bleiben, war es ihm wichtig gewesen, die Fronten einigermaßen klar vor seiner Abreise noch zu klären. Auch Thomas' Gefährt, in diesem Fall sein Motorrad das nun jahrelang in der hintersten Ecke der Garage gestanden hatte, war beladen und wartete nur noch darauf, dass es am nächsten Morgen los ging.
Sein Ziel war, genau wie das von Biggi, Italien.
Und die Nacht von Biggi verlief das erste Mal seit Monaten sehr ruhig und entspannt. Sie wachte kein einziges Mal auf und schlief seit langem einmal wieder durch. Vielleicht war es das Wissen, am nächsten Tag zu keinem Termin hetzen zu müssen, die Tatsache, die sie endlich mal zur Ruhe kommen ließ. Ihr Wecker klingelte dennoch um sieben Uhr, denn so hatte sie noch genügend Zeit, um sich fertig zu machen und sich von ihrem Sohn zu verabschieden. Wenigstens war Samstag, weshalb er heute nicht zur Schule musste.
Biggi blieb nach dem Klingeln ihres Weckers noch einige Augenblicke lang liegen und kuschelte ausgiebig mit Sunny, die wie sonst auch neben ihr im Bett geschlafen hatte. Ungefähr eine dreiviertel Stunde später war Biggi bereits mit ihrer Hündin Gassi gewesen, hatte geduscht und sich angezogen. Danach hatte sie ihren Sohn geweckt, damit sie noch gemeinsam frühstücken konnten und dabei ließen sie sich viel mehr Zeit als sonst.
Oft musste Biggi nämlich auch am Wochenende arbeiten und das schon zu frühen Urzeiten, was einen gemeinsamen Start in den Tag für sie und ihren Sohn kaum möglich machte. Doch heute konnten sie es genießen, denn es war nicht wichtig, ob Biggi eine Stunde später oder auch zwei Stunden später in Italien an kam spielte keine große Rolle.
Sie frühstückten also gemütlich zu Ende und räumten dann gemeinsam noch den Tisch auf, ehe Biggi die restlichen Sachen für ihren Urlaub zusammen packte. Das waren nur ein paar Kleinigkeiten, weshalb das schnell erledigt war und schließlich begab sie sich gemeinsam mit Sunny und ihrem Sohn hinaus zum Auto.
"Und du bist dir sicher, dass du ohne mich hier zurecht kommst?", fragte Biggi und der Teenager nickte. "Ja klar, mach dir keine Sorgen. Ich bin schon groß und ich kriege das hin." Biggi seufzte und nahm ihren Jungen nochmal fest in den Arm. "Ich hab dich lieb!", sagte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. "Ich dich auch und jetzt fahr schon, nicht dass du am Ende doch hier bleibst.", drängte ihr Sohn und tatsächlich packten Biggi nun doch wieder die Zweifel.
"Ich könnte auch genauso gut hier Urlaub machen, zu Hause. Ich muss nicht unbedingt weg fahren.", meinte sie. "Mom!", erwiderte ihr Sohn streng. "Ich will, dass du fährst!", stellte er klar. "Du brauchst mal eine Auszeit von dem Ganzen hier und keine Panik. Wenn du zurück kommst, steht das Haus noch und ich lebe auch noch. Tu dir selbst diesen Gefallen und fahr dorthin. Du musst dringend mal abschalten." Und Biggi blieb nichts anderes übrig, als ihm Recht zu geben. Hier würde sie es wohl nie schaffen, komplett abzuschalten und dabei hatte sie genau das nötig.
Noch einmal nahm sie ihren Sohn fest in den Arm, ehe sie Sunny ins Auto setzte und anschließend selber einstieg. Schließlich fuhr sie vom Hof und sah ihren Sohn im Rückspiegel winken, bis ihr Haus außer Sichtweite war und sie sich auf dem Weg nach Italien befand.
Biggi konnte nicht glauben, dass sie das gerade tatsächlich machte. Aber mit jedem Kilometer, den sie zurück legte, verschwanden auch ihre Zweifel immer weiter Stück für Stück und sie fühlte, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Bereits in ein paar Stunden würde sie vor dem gemieteten Ferienhaus am Strand entlang spazieren und dem Sonnenuntergang zusehen und das komplett ohne Stress.
Biggi wusste gar nicht mehr, was es hieß, sich zu entspannen und abzuschalten. Das verlernte man wohl schnell, wenn man so etwas für mehrere Jahre vernachlässigte.

Fürs echte Leben gibt's nun mal kein Drehbuch - 15 Jahre später Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt