Der Anfang eines neuen Lebens

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Als ich verschwitzt zu mir komme und die Augen öffne, finde ich mich in vollkommener Dunkelheit wieder.
Wo bin ich?
Mein Kopf hämmert und meine Kehle ist trocken, sodass ich erstmal ein paar Schluckversuche tätigen muss, um das kratzende Gefühl in meinem Hals loszuwerden. Ich befinde mich in einem Bett. Etwa in meinem? Habe ich das alles nur geträumt? Mein Schädel fühlt sich so schwer an und ich greife an meine Stirn. Sie ist heiß. Fieber?
Ich taste mich angestrengt zur Bettkante. Vielleicht befindet sich daneben eine Tischlampe, die ich einschalten kann. Die Oberfläche des kleinen Nachttisches fühlt sich so rau an, dass ich mir schon ziemlich sicher bin, dass das keines meiner Möbelstücke ist. Endlich ertaste ich die kleine Lampe und schalte sie ein. Ich stocke und schaue mich stirnrunzelnd um. Das Zimmer ist riesig. Hohe Wände erstrecken sich an die pompöse Decke, die mit edlen Mustern und Gravierungen verziert ist. Lange, zugezogene Verdunkelungsvorhänge, in der schönen Farbe dunkelmint, hängen zum Parkettboden herunter, dessen Fläche überwiegend von einem Designer-Teppichen besetzt wird. Vor dem breiten Himmelbett befinden sich zwei. im barocken Stil gebaute, Sessel, die zu einem großen Kamin gerichtet sind. An den weißen Wänden hängen wunderschöne Ölgemälde, die landschaftliche Orte wiedergeben und ein Wandregal, dessen Bücher darin ordentlich aneinandergereiht sind. Eine aus Milchglas bestehende Schiebetür ist ein paar Meter neben dem Kamin angebracht. Vermutlich führt diese ins Badezimmer.
Wenn ich mich nicht täusche bin ich in einer Art Suit untergebracht. Bevor ich mich dazu entschließe aufzustehen und nachzusehen, was sich hinter der Schiebetür verbirgt, öffnet sich die Tür, ohne weitere Vorwarnung, und eine fröhlich summende Frau in Schürze kommt herein.
Instinktiv decke ich mich bis über meine Nase zu und beobachte, wie sie schockiert auf die eingeschaltete Nachttischlampe und dann rüber zu mir linst. Sie bringt ein hastiges »Oh, Miss!« heraus und trippelt die Tür wieder hinaus. Ich runzele die Stirn und frage mich, wer das war, ehe ich kurz darauf höre mehrere Schritte näher kommen höre und meine Mum, gefolgt von Mr Greymoor und Drake die Tür hereinstürmen. Auch die Dame mit der Schürze übertritt wiederholt die Schwelle des Zimmers und öffnet die dicken Vorhänge, sodass eine geballte Ladung Sonnenlicht den Raum erhellt und geht wieder hinaus.
Ich halte mir schützend den Ellenbogen vor die Augen, als meine Mutter mich schon voller Erleichterung in die Arme nimmt und über das ganze Gesicht küsst. »Na endlich, mein Schatz! Du bist wach!«
Als sie mich weiter mit ihren Küssen bedeckt, drücke ich sie sanft weg und sehe in ihren erfreuten Gesichtsausdruck, der sich mit einigen Freudentränen schmückt.
»Was ist hier los?«, frage ich noch immer erschöpft und drücke mich vom bequemen Bett hoch.
»Was los ist?« Meine Mutter sieht mich bemitleidend an. »Unser Haus ist eingestürzt. Es gab Meldungen über starke Beben, die sich Nachts in der ganzen Stadt ausgebreitet haben. Ein paar Häuser sind dabei in Schutt gefallen, insbesondere unseres ...« Sie drückt mich nochmals fest.
Stimmt, unser einstiges Heim ist, wegen dem Nachbeben, wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Ich war mir aber ziemlich sicher, dass das eine übersinnliche Kraft eines Wesens war. Hier in der Gegend sind Erdbeben sehr selten.
»Schätzchen, ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist. Wer weiß was geschehen wäre, wenn deine Freundin und der nette junge Mann hinter mir nicht gewesen wären.« Meine Mutter zeigt Drake ein dankbares Lächeln.
»Oh.« Das ist so ziemlich das Einzigste, was ich in meiner Verwirrung aus mir rausbekomme. »Aber ... wenn das alles kein Traum war ... wo werden wir jetzt wohnen?«
Meine Mutter packt mit großer Vorfreude meine Arme an. Sollte sie nicht eher in Traurigkeit versinken? Schließlich war das Haus ihr wahr gewordener Wunsch, den sie Jahrelang verfolgte.
»Mäusschen, das mit dem Haus ist eine Katastrophe, die wir Beide bestimmt nicht so schnell vergessen werden - insbesondere du nicht. Dennoch habe ich heute mit der Versicherung telefoniert und sie werden schnellstmöglich alles prüfen und erfassen, sodass wir unser Geld bekommen. Wer weis, vielleicht können wir uns dann ein kleines Haus, nach unseren konkreten Vorstellungen, bauen lassen.« sie zwinkert mir optimistisch zu und ich frage mich, wieso sie mir meine Frage noch nicht beantwortet hat.
»Mum, das freut mich wirklich sehr.« Mein Blick schweift zu Drake und dessen Vater. Befinden wir uns etwa in ihrem Haus? »Und wo werden wir in dieser Zeit wohnen?«
»Nun ...«, sie hält kurz inne und blickt hinter sich zu Richard. »Familie Greymoor ist so freundlich und hat netterweise vorgeschlagen uns bei sich im Haus aufzunehmen, bis sich alles geklärt hat.«
Ich muss sie wohl falsch verstanden haben. »Was?!« Ich schaue zu Drake, der mich grinsend ansieht und mir belustigt zuwinkt.
»Wie lange soll das alles denn dauern?«
Meine Mutter sieht mich verständnisvoll an und streicht mir die verschlafenen Haare aus meinem Gesicht. »Schätzchen. Das kann ich nicht so genau sagen. Wochen ... Monate?«
Ich nicke gedankenverloren und frage mich gerade, ob ich nicht doch lieber zu Elly ziehen ... Moment - Elly!
»Wie geht es Elly?!« ich raffe mich noch mehr aus dem Bett und merke erst jetzt, dass ich einen rosafarbenen Schlafanzug anhabe. Zum wiederholten Mal wurde ich von jemand Fremden umgezogen und höchstwahrscheinlich sogar gewaschen.
Drake meldet sich zu Wort. »Elly geht es blendend. Sie wartet darauf, dass du endlich aufwachst. Schließlich hast du fast zwei Tage geschlafen.«
»Ich habe was?!«
»Naja, ab und zu bist du kurz benommen aufgewacht und Mrs Scott, unser Dienstmädchen, hat dir etwas zu trinken oder essen angeboten.«
Das kann ja wohl nicht wahr sein.
Ich habe fast zwei Tage meines Lebens verschlafen und das nur, weil mich irgendwelche fantastische Wesen angriffen und letztendlich umbringen wollten. Mir kommt es so vor, als würde ich in einem einzigen Disaster leben. Kaum habe ich den einen verrückten Tag überstanden, kommt schon das nächste Chaos wortwörtlich durch mein Zimmerfenster hineingeflattert. Was ist bloß los mit dieser Stadt?
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich so lange durchgeschlafen habe. Es kommt mir vor, als wäre es Stunden her seit ...« Ich stocke. »Ach ... nicht so wichtig.« Wenn meine Mutter wüsste, was in dieser Nacht wirklich geschehen ist, wäre sie bestimmt am Rande ihres Wahnsinns angekommen. »Wie sieht es mit der Schule aus? Weis Mr Beaufort Bescheid?«
Mrs Clinton streichelt meine Wange. »Ja, wir haben ihm erzählt was vorgefallen ist. Er hat dir eine gute Besserung gewünscht, sowie die Erlaubnis erteilt, dass du erstmal bis Mitte nächster Woche krankgeschrieben bist. Da ich weis, dass du keinen Schulstoff verpassen möchtest, lässt er dir die Hausaufgaben und Lernvorgaben zuschicken. So kannst du dich auch von Zuhause nach Lust und Laune dem Lernen widmen.«
Das hört sich ja perfekt an - in ironischem Sinne. »Danke Mum.«
Meine Mutter küsst mir auf den Kopf und steht auf. »Immer gerne mein Liebling und nun ruh dich noch etwas aus.«
Mr Greymoor lächelt. »Mrs Scott wird dir etwas zu Essen bringen, sodass du wieder zu Kräften kommst.«
Die Eltern gehen aus dem Zimmer und lassen Drake und mich alleine.

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