Noch vier Tage. Jedenfalls war das der Plan. Der Vorfall war jetzt zwei Tage her und war in meinem Kopf in den Hintergrund gerückt. Ich hatte es nicht geschafft mit Schwester Akali zu reden, deshalb hatte Jhin das in meinem Beisein übernommen. Er hatte alles gesagt, was ich ihm anvertraut hatte und jedes Mal auf meine Bestätigung gewartet um ja nichts falsch zu machen. Ich hoffte trotz dem Vorfall bald rauszukommen, denn bisher hatte mir niemand weitere Infos über meinen Verbleib gebeben.
Meine Schmerzen hatten nachgelassen und das "Nichts", was eigentlich innere Leere war, wurde immer wieder von allen möglichen Emotionen abgelöst. Es war anstrengend, aber mit Jhins Hilfe wurde es besser. Ich war echt dankbar ihn zu haben.
"Erde an Jinx, bist du da?", sagte er und stupste mich in die Wange. Ich zuckte zusammen und kam aus meinen Gedanken zurück. Ich grinste. "Ja und du?" Wir lagen gemeinsam auf der Couch und ich lauschte seinem Herzschlag. Er war gleichmäßig und gab mir Wärme. "Glaube schon, ja. Mit Tagträumen beschäftigt?" "Schon, ja." Ich richtete mich auf und setzte mich auf seinen Bauch. Er verzog das Gesicht. "Darf man fragen was das werden soll?" Ich grinste weiter und ließ meine Beine von der Couch baumeln. "Ich nutz dich als Sofa. Stört dich das?" Er grummelte und setzte sich mit aller Kraft auf. Ich kippte leicht um, aber er hielt mich fest. "Reicht dir das als Antwort?" Jetzt grinste er. Ich setzte mich richtig hin und sah ihn schief an. "Ach komm, so schwer bin ich nicht, oder?" Er schüttelte den Kopf und strich mir eine Strähne aus den Augen. "Nur so sieht man dich viel besser."
Ich spürte wie Wärme in meine Wangen stieg und drehte den Kopf weg. "Idiot." Er lachte leicht. Im Hintergrund hörte ich jemanden seufzen. "Ihr nervt mit diesem ganzen Geschnulze!" Annie stapfte gerade von der Essensausgabe mit einem Apfel zu uns und musterte uns argwöhnisch. "Habt ihr nichts besseres zu tun?" Laut begann ich zu lachen. Ich konnte sie einfach nicht ernst nehmen, wie sie da in ihrem Kleid mit Teddy und Apfel stand und versuchte seriös zu wirken. Beleidigt setzte sie sich an den Esstisch.
"Willst du eigentlich nichts essen?", fragte Jhin und schaute mich an. Sein Blick war ernst. Ich dachte er hätte nicht gemerkt, dass ich die letzten Tage nicht gegessen hatte. "Doch, klar", murmelte ich und stand auf. Er folgte mir und musterte mich, während ich einen Apfel von der Theke nahm. "Nur ein Apfel?" Ich fühlte mich klein unter seinem Blick, also nahm ich einen zweiten. Er nahm sich nichts und setzte sich zu mir an den Tisch. Langsam aß ich einen Apfel nach dem anderen. Das Essen bereitete mir Übelkeit, da mein Magen nicht mehr an Essen gewöhnt war, vor allem nicht an mehr als ein wenig Suppe.
"Gehts...?" Ich nickte und gab mir alle Mühe nicht zu würgen. Er holte mir Wasser und ich kippte es mit einem Schluck runter. Als ich fertig war brachte ich den Müll weg und ging zur Tür, die zum Flur führte. "Ich glaub ich leg mich etwas hin...." Er sah mich schief an. "Alles okay?" Ich nickte, aber gleichzeitig fühlte ich, wie die Leere sich in mir wieder ausbreitete. "Okay. Ich bin da, ja? Komm einfach zu meinem Zimmer wenn du was brauchst." Wieder nickte ich und ging raus, den Flur entlang und in mein Zimmer, wo ich die Tür schloss. Ich setzte mich auf mein Bett, ließ mich fallen, fallen, fallen, tief in die Leere in meinem Kopf.
Wie sollte es nur je besser werden? War ich eine Belastung für Jhin? Oder für das Personal des Purified Soul? Oder generell auch für andere Patienten? Was war nur falsch mit mir? Würde ich da je rauskommen? Warum wurde es trotz Tabletten nicht besser? Wieso sollte ausgerechnet jemand wie ich da rauskommen? Ich verdiente keine Besserung. Ich verdiente das Leid. Die Leere. Den Schmerz. Es konnte gar nicht besser werden. Es gab nur eine Art, wie es besser werden könnte. Es gab nur eine Art, all den Schmerz zu beenden.
Ich begann schneller zu atmen. Nein nein nein nein nein, ich durfte nicht darein verfallen. Die Gedankenspirale nach unten. Akali hatte mich davor gewarnt. Man solle sich daraus befreien sobald man konnte, da sie einen sonst zu furchtbaren Fehlern verlocken konnte, doch das Bild des Auswegs blieb vor meinem inneren Auge hängen und ich konnte an nichts anderes denken. Ich hatte Angst und wollte da raus, doch ich wusste nicht wie, bis mir eine Idee kam.
Mit aller Kraft die ich aufbringen konnte zwickte ich mich in die verbundenen Oberschenkel. Der Schmerz nahm sofort die Überhand und verdrängte die Gedanken. Erleichtert atmete ich durch und setzte mich wieder auf.
In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich Hilfe brauchte. Mehr als Jhins Umarmungen. Mehr als eine verdammte Zwangseinweisung. Ich musste mit jemandem reden.
Vorsichtig stand ich auf und schlich mich zum Stationszimmer, wo Shen saß und auf der Tastatur des Computers irgendwas eintippte. "Uhm... k-kann ich...", begann ich und starrte überfordert auf den Boden. Ich war nie um Worte verlegen, doch um Hilfe zu bitten fiel mir unerwartet schwer. "Ja?", antwortete er und sah mich an. "Gott Mädchen, du bist ja aschfahl. Setz dich." Er schob mir einen Hocker entgegen und schloss die Tür des Stationszimmers hinter mir. Ich setzte mich und atmete tief durch. "Können wir... reden...?" Er nickte und reichte mir Wasser. Ich atmete tief durch.
"...Und diese Gedanken kommen immer öfter, aber ich konnte nicht darüber reden! Ich konnte einfach nicht!" Meine Stimme brach. Ich weinte Shen bestimmt schon eine Stunde mit meinen Problemen voll und er schrieb eifrig mit und hörte zu, antwortete und war da. "Ich weiß nicht wieso. Ich wollte einfach nicht noch länger hier bleiben. Ich muss hier raus! Bitte behaltet mich nicht noch länger hier, bitte!" Er reichte mir ein Taschentuch. "Wir werden dich nicht länger hier gegen deinen Willen festhalten können. Die gerichtliche Verfügung gilt nur bis Montag, und das ist in vier Tagen. Aber ich würde dir wärmstens ans Herz legen eine Anschluss-Therapie in Erwägung zu ziehen." Ich starrte mit brennenden Augen auf die Tischplatte. Anschluss-Therapie? Wollte er mich verarschen? Ich war eine Kriminelle, als ob ich mir einen verdammten Seelsorger suchen würde. "Wenn du möchtest helfe ich dir bei der Suche." Ich schüttelte den Kopf und zwang mich zu einem Lächeln. "Ich komm klar." Langsam stand ich auf. "Jinx, ich denke nicht-" "Ich hab überreagiert. Vergessen Sie das alles einfach." Mit diesen Worten drehte ich mich um und ging aus dem Stationszimmer. Er folgte mir nicht.
Ich wusste nicht, wo meine Füße mich hinbrachten, bis ich mich erwischte, wie ich an seine Tür klopfte. Er öffnete die Tür und ich fiel ihm um den Hals und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. "Ich hab gelogen. Es geht nicht." Er nickte wissentlich, hob mich leicht hoch, damit ich mein Gesicht nicht von seiner Schulter nehmen musste und trug mich zu seinem Bett, wo wir uns gemeinsam setzten. Ich brach in Tränen aus und wimmerte immer wieder "Es tut mir leid", ohne wirklich zu wissen warum. Ich wollte ihn nie belügen, aber ich konnte es nicht anders. Es ging nicht, denn selbst das Lügen war leichter als Hilfe zu suchen.
"J-jhin?" Ich hob meinen Kopf und sah ihn an. Er hatte seine Maske abgenommen. "Jinx?" Ich sah in sanft an und er wischte meine Tränen weg. "Danke."
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Jinx - In Scherben gespalten
FanficUrsprünglich ein nettes junges Mädchen aus Zhaun, eine Chaosstifterin in Piltover und eine Verrückte auf den Straßen. Jinx wurde schon als vieles gesehen. Viele waren ihr auf den Fersen - Vi, Sheriff Caitlyn und noch viele mehr, doch niemand vermoch...