Ankommen

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„Also eigentlich...", begann Samuel zögerlich, als wir losgehen wollten. „Muss ich auch noch lernen."

Doch Asdreel drängte ihn gutmütig, mitzukommen. Ich hoffe es liegt nicht daran, dass er mich nicht leiden kann.

Und mit Valery an meiner Seite fiel es mir schwer, ihn nicht auszublenden. So still wie Samuel war.

Wir verließen die kreisrunde Plattform des Schlossgeländes über eine Brücke. Doch was mich mehr erstaunte, war die Wolkenschicht, welche den vermutlichen Abgrund versteckte. Wie reinweißer Nebel quoll sie hervor und verdeckte noch einige Meter den Boden und unsere Fußgelenke. Ehrlich gesagt kam ich mir wie ein Kind vor, dass jeden seiner Schritte beobachtete. Begeistert davon, einzelne Wölkchen aufzuwirbeln dabei.

Und die Stadt war ähnlich faszinierend. Sie glich ein wenig dem Schloss. Überall weiße Häuser, umrundet von gepflasterten Straßen, saftigen Büschen, Gärten und künstlichen Bächen. Sie verliefen harmonisch plätschernd unter Wegen hindurch und an Gebäuden vorbei. Fast, als würde ich träumen...

Solche Gegenden kannte ich nur aus Büchern.

Selbst die Engel hier wirkten strahlender, während ich neugierig einige Gesprächsfetzen auffing und heimlich fremde Gesichter musterte. Unfair, dass sie alle mit dieser natürlichen Schönheit ausgestattet sind.

Dass ich mir dabei fast wie das Bauernkind von nebenan vorkam, behielt ich natürlich für mich. Immerhin darf ich diese viel zu wertvolle Uniform tragen.


„Hier, probier mal!", drängte Val, nachdem Asdreel eine kleine Tüte voller seltsamer Beeren gekauft hatte. Inzwischen wurde die Straße von unterschiedlichsten Ständen umrundet, ähnlich unseres Marktplatzes. „Was ist das?", hakte ich nach und nahm diesen roten Ball entgegen. Da kicherte Val: „Finds selbst heraus."

Na gut. Sie würden mich ja nicht vergiften wollen. Also steckte ich mir die Beere im Ganzen in den Mund, ehe eine furchtbare Süße auf meiner Zunge explodierte. Überrascht sah ich sie und Asdreel an. „Ist... lecker", gestand ich. „Und jetzt..."

Da nahm Val sich noch eine, während der Engel ihr die Tüte hinhielt. Plötzlich schoss eine Stichflamme aus ihrem Zeigefinger, die mich zurückweichen ließ. „Woa!", machte ich erschrocken und brachte die beiden zum Lachen. „Geröstet schmeckt sie noch besser", erklärte Valery und drückte sie mir nickend in die Finger. „Heiß!", wimmerte ich überrascht und nahm die Beere mit der zweiten Hand, um sie nicht fallen zu lassen. Das hätte ich mir auch denken können. Was mich aber nicht davon abhielt, sie trotzdem sofort zu essen. Stiche jagten über meine Zunge und ließen mich das Gesicht verziehen. „Alles okay?", hakte Asdreel nach. Doch da ebbte der Schmerz bereits ab und ich fühlte wieder diese Süße... vermischt mit irgendetwas Herzhaftem. Sie hat recht!

„Ja, aber das ist echt wirklich lecker", staunte ich und sofort legte Val grinsend den Kopf zur Seite.

Ich konnte es nur erwidern. Irgendwie war das hier alles so schön... nicht nur die Welt an sich. Wie lange ist es her, dass ich etwas mit anderen unternommen habe? Spaß hatte und locker lassen konnte?

Inzwischen wusste ich gar nicht mehr, wie sich das anfühlte. Geld und Zeit waren wichtiger, als Vergnügen. So sehr es mir leidtat, war es, als ob eine riesige Bürde von mir genommen wurde, indem ich mich von meiner Welt und meinem Leben entfernte.


Irgendwann, nachdem mir fast schon schlecht von dem ganzen Essen war und ich es vor Schuldgefühlen nicht mehr aushielt, meinte Asdreel widerwillig: „Ich muss gehen, Ariel will mich sprechen."

Caelestis ✟ Himmlisches RufenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt