57

186 20 6
                                    

Als wir zehn Tage später aus den Rocky Mountains zurückfahren, sind wir alle so erfüllt von innerer Ruhe und Ausgeglichenheit, dass es fast gruselig ist.

Hinter uns lagen durchgetanzte Nächte, endlose Monopolypartien am Lagerfeuer, Gespräche unter der einzigartigen Schönheit des Nachthimmels und Erinnerungen, die für immer einen besonderen Platz in unserem Herzen haben werden. Wir waren erschöpft, vor allem von dem Lachflash gerade eben. Liss hat uns ein Foto von ihrer Schwester und Flocke gezeigt. Wie befürchtet, beide mit einer pinken Strähne im Haar beziehungsweise in der Mähne.

Mit einem Schmunzeln denke ich an die letzte Nacht zurück. Cole und ich haben noch einen Spaziergang gemacht und am Rand eines Bergsees einen kleinen Stopp eingelegt. Wir sind in Unterwäsche baden gegangen und haben uns so lange geküsst, bis ich überall nur noch Sterne gesehen habe.

Ich habe mit ihm geschlafen. Weil ich es wollte. Nicht um ihn zu befriedigen, nicht um mir selbst etwas zu beweisen, sondern einfach nur, weil ich es wollte. Und es war genau richtig.

Ich würde meinem jüngeren Ich gerne sagen, dass es sich Zeit nehmen und nein sagen darf. Dass es jedes Recht dazu hat unsicher zu sein oder auch dann noch Nein zu sagen, wenn sie vorher schon Ja gesagt hat. Ich würde ihr gerne etwas von dem Mut abgeben, den ich jetzt empfinde. Von dem Wissen, dass es beim Sex genauso um meine Lust geht, wie um seine.

Cole gibt mir einen Kuss auf die Schläfe und kuschelt sich enger an mich. Ich lehne mich an den schlafenden Spenc. Es überrascht mich kein bisschen, dass ich in der ganzen Zeit keinen einzigen Alptraum gehabt habe. Ich glaube nicht, dass ich nie wieder einen haben werde, aber wenn man sich so sicher fühlt, wie ich es in ihrer Gegenwart tue, ist es nur logisch, dass selbst mein Unterbewusstsein merkt, dass sich etwas Wesentliches verändert hat.

"Ich verstehe es jetzt, Tate." Cole schaut zu Spenc und dann zurück zu mir. "Ich habe lange darüber nachgedacht, als du über eure Verbundenheit geredet habt. Zuerst war ich sauer, dann eifersüchtig und erst mit der Zeit habe ich erkannt, dass ich keinen Grund habe irgendetwas davon zu fühlen."

"Ich bin über jeden Menschen in deinen Leben froh, der dich glücklich macht und ich habe eingesehen, dass das nicht immer ich sein kein. Ich wäre es natürlich gerne. Keine Frage." Er grinst schief, während ich nach seiner Hand greife. "Aber wir beide wissen, was Abhängigkeit in einer Beziehung anrichten kann. Und das will ich für keinen von uns."

"Redest du von deinen Eltern?", frage ich leise. Er nickt und ich lege meine Hand an seine Wange. "Ich liebe dich so sehr, Cole."

"Und ich liebe dich, Tate. Auf eine Art, von der ich niemals gedacht hätte, dass es sie wirklich gibt."

Das Problem mit Abhängigkeiten ist, dass man nicht selbst entscheiden kann, süchtig zu werden oder es zu lassen. Indem ich mich auf Cole eingelassen habe, voll und ganz, und ohne einen Teil von mir zurückzuhalten, könnte ich tiefer fallen als je zuvor. Doch, durch ihn, Liss, Toni, Mila, Robin und Spenc habe ich nicht nur Liebe und Sicherheit in meinem Leben. Sie alle haben mich gelernt, was wahre Freundschaft ist, aber auch, dass man zuerst sich selbst akzeptieren und lieben muss.

Ich habe Angst, was Coles Verlust mit mir machen würde, zu was für einem Menschen ich werden würde. Aber in mir baut sich langsam der Gedanke auf, dass ich es überstehen würde. Dass ich alles überstehen kann. Irgendwie. Vielleicht nicht alles von mir, aber doch das meiste.

Sobald wir zurück sind, übertreffe ich Toni, indem ich im Down Under aufkreuze und Niko anflehe mir noch am selben Abend ein Tattoo zu stechen.

Als ich in meinem Zimmer bin und auf dem Weg zum Spiegel mit den Fingern über die Buchrücken streiche, kann ich das Gefühl in meinem Inneren noch immer nicht greifen. Leichtigkeit, Mut, Zufriedenheit, pures Glück? Wahrscheinlich eine Mischung aus allem.

Ich ziehe mein T-Shirt hoch und ziehe, gegen Nikos ausdrückliche Anweisung, die Folie ab. Seitlich an meinem Rippenbogen unter dem BH Träger in kursiver Schönschrift, habe ich drei Worte verewigt, die mich immer daran erinnern werden, was ich hinter mir habe und daran wie stark ich bin.

Never Falling Deeper

________

Wie findet ihr den Titelbezug?💫💛

Never Falling Deeper | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt