Lucie

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Anmerkung:
Im Gegensatz zu dem Rest, den ich hier so veröffentliche, ist Lucie tatsächlich ein größeres Projekt, an dem ich viel auch in der Zeit meines inneren Coming-Out-Prozesses geschrieben habe, und von dem ich nur sehr kleine Teile online stellen werden.

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„I’d die for you! I’d cry for you! I’d do anything! I’d lie for you!”
Mitten im Refrain musste ich auf einmal anfangen zu lachen. Kichernd warf ich mich rücklings aufs Sofa. Vom vielen Tanzen, Singen und Lachen war ich schon ganz außer Atem. Lucie schmiss sich neben mich. Als sie ihren Kopf zu mir drehte, waren unsere Gesichter auf einmal ziemlich nah beieinander. Für einen kurzen Moment dachte ich, sie wollte mich küssen, doch dann wandte sie sich ab, um nach ihrem Handy zu angeln und die Musik leiser zu machen. Fast war ich ein bisschen enttäuscht.

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[...] Der Kuss, der zunächst noch eher vorsichtig war, wurde schnell gieriger, als wir merkten, dass und wie sehr wir das beide gerade wollten. Ich zog sie näher zu mir heran und ihre langen, schlanken Finger fuhren immer wieder durch meinen Nacken und krallte sich in meinen Haaren fest. Als unsere Lippen einander verließen, begann Lucie, sich langsam mein Gesicht und meinen Hals herunterzuarbeiten. Ich legte ganz automatisch meinen Kopf leicht in den Nacken und konnte nur durch ein schnelles Beißen auf meine Unterlippe verhindern, dass ich laut losstöhnte. Dann kam Lucie zurück zu meinem Mund und wir küssten uns erneut. Reinstes Begehren sprach aus den beinahe hastigen Bewegungen unserer Lippen und als wir uns schließlich doch voneinander lösten, waren wir beide ein wenig außer Atem. [...]

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"10... 9... 8... 7... 6... 5... 4... 3... 2... 1... 0... frohes Neues!" Lachend zählten wir alle zusammen den Countdown herunter und stießen an, als wir im neuen Jahr ankamen. Sobald die Sektgläser leer waren, zogen wir unsere Schuhe an, denn schließlich gab es draußen ein Feuerwerk zu bewundern. Während der Rest schon einmal in den Garten verschwand, ging ich noch kurz auf die Toilette, und Lucie wartete auf mich. Als ich schließlich fertig zum Rausgehen war, nahm sie meine Hände und hielt mich davon ab, direkt rauszugehen. Jedes einzelne Gefühl, dass ich in diesem Moment hatte, sah ich auch in ihren Augen, als sie die Arme um meine Taille legte und wir uns
küssten. Schlagartig war das Feuerwerk draußen am Himmel egal, denn dieser Kuss ließ tausend Raketen vor meinen Augen explodieren, es regnete in den buntesten Farben. Unser Silvesterkuss war anders als alle anderen Küsse, die wir jemals zuvor ausgetauscht hatten. Er ging tief unter die Haut und war in seiner Sanftheit doch sehr eng, aber all das ohne das sonst so präsente Verlangen.
Es war nicht mehr der Kuss zweier experimentierfreudiger Freundinnen, es war der Kuss eines Paares, und der Unterschied wurde mir erst in diesem Moment klar. „Danke.“, flüsterte ich, als wir uns voneinander lösten. „Ich danke dir.“, meinte Lucie, „Lass uns rausgehen, deine Familie wartet.“ Unsere Finger verschränkten sich ineinander und wir gingen Hand in Hand zu den anderen, voller Vorfreude auf das neue Jahr.

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