Spaziergang

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Am nächsten morgen stehe ich extra zeitig auf, um meinem Vater aus dem Weg zu gehen. Ich will nicht schon wieder mit ihm streiten. Das kommt in letzter Zeit viel zu oft vor. In der Küche greife ich mir schnell einen Apfel und laufe dann leise nach draußen. Die Sonne ist bereits aufgegangen und mit ihr sind auch die Vögel munter geworden, die nun ausgelassen um die Wette zwitschern. Ich laufe bis zum Markt wo schon ein paar Dorfbewohner ihre Obst- und Gemüse-Stände aufbauen. "Guten Morgen." begrüße ich das Bäckersmädchen und bekomme gleich ein schlechtes Gewissen, da ich ihr gegenüber immer noch Eifersucht fühle. Ich weiß, dass ist bescheuert. Ich weiß ja nicht einmal, ob Bruno überhaupt in sie verliebt ist. Und dennoch kann ich nichts dagegen tun. "Guten Morgen, Juliana." begrüßt sie mich freundlich, als ich an ihr vorbei gehe. In der Mitte des Markplatzes befindet sich ein großer runder Spring-Brunnen, auf dessen Rand ich mich nun setze und in dessen kaltes Wasser ich meine nackten Füße strecke. Ich gehe gerne barfuß. Schuhe engen mich oft zu sehr ein.

Während ich das kalte Wasser an meinen Füßen und die warme Sonne in meinem Gesicht genieße, beiße ich herzhaft in den Apfel hinein. "Hey, Juliana." begrüßt mich plötzlich jemand hinter mir. "Oh hey Julietta." entgegne ich fröhlich, mit vollem Mund. "Was machst du denn schon so zeitig hier? Ich dachte immer du bist eher der Langschläfer." stellt sie amüsiert fest und hievt eine Kiste mit selbstgemachtem Gebäck auf den Tisch, von einem der Stände. Ich zucke nur mit den Schultern. "Hm. Aber gut, dass ich dich hier treffe ich wollte nämlich mal mit dir reden." erkläre ich ihr ernst.

 "Was ist denn los? Ist was passiert?" "Nein es ist alles gut, aber ich wollte dich mal was fragen." Ich steige vorsichtig aus dem Brunnen und laufe zu ihr rüber damit uns nicht jeder zuhören kann. "Klar du kannst mich alles fragen." "Also ähm...du...du hast doch gestern etwas davon erwähnt...dass...dass Bruno in jemanden verliebt sei und ich hab mich gefragt ob du mir sagen kannst wer es-" "Juliana tut mir Leid, aber ich hätte das gestern nicht sagen sollen. Bruno hat mir das erzählt, weil er mir vertraut und deswegen sollte ich dir nicht sagen, in wen er verliebt ist." "Ach komm schon Julietta. Kannst du mir nicht nur einen kleine Tipp geb-" "Juliana ich kann es dir wirklich nicht sagen." Ich seufze auf. "Tut mir Leid." sie wirft mir einen entgschuldigenden Blick zu.

"Aber wieso willst du das überhaupt wissen?" fragt sie nun neugierig und ich spüre wie mir die Röte ins Gesicht steigt. "Ich ähm...naja ich bin halt einfach nur neugierig und-" "Einfach nur neugierig ja?" Ihr Grinsen wird breiter. Vielleicht sollte ich ihr es einfach sagen. Aber was ist, wenn sie es dann Bruno erzählt. Ach nein das würde sie niemals tun. Sie sagt mir ja schließlich auch nicht in wen Bruno verliebt ist. Da wird sie mein Geheimnis auch nicht ausplaudern.

"Julietta? K-kann ich dir mal was sagen..." beginne ich vorsichtig. "Klar alles." "Naja also...ich..." Ich versuche die passenden Worte zu finden doch vergebens. "Ich...ich glaube ich hab mich in Bruno verliebt."

 Grinsend sieht sie mich "Hey, das ist doch toll." "Nein. Das ist gar nicht toll Julietta. Er-er ist mein bester Freund und ich will nicht, dass die Dinge komisch werden zwischen uns verstehst du? Außer-Außderdem mag er ja schon jemand anderes." Julietta lacht kurz auf und sieht mich dann aufmunternd an. "Was ist? Wieso lachst du?" "Du solltest es ihm sagen Juliana." Entgeistert sehe ich sie an. "Was?! Nein auf keinen Fall! Das kann ich nicht machen!" "Wieso denn nicht?" "Na...weil...hast du mir überhaupt zugehört? Das würde alles nur...komisch und...und kompliziert machen und das will ich nicht." "Sag es ihm einfach." "Ich kann nicht." Sie seufzt. Da taucht plötzlich jemand neben mir auf.

"Guten Morgen, die Damen."  begrüßt uns der Braunhaarige. Na toll der hat mir gerade noch gefehlt. "Juliana, ich habe gehofft dich mal wieder zu sehen." "Guten Morgen Mateo." begrüße ich ihn ebenfalls, sehe ihn dabei jedoch nicht an und tue so als hätte ich was Wichtiges mit Julietta zu besprechen. Was ja auch der Fall war, kurz bevor Mateo hier aufgetaucht ist. "Darf ich dich vielleicht auf einen Spaziergang begleiten?" fragt er höflich. Oh man Dieser Kerl gibt auch echt nicht auf. Aber ich hab keine Lust heute gemein zu sein und sage deshalb "Na gut. Wieso nicht?" Erfreut lächelt er mich an. "Bis dann." Verabschiede ich mich bei Julietta und werfe ihr noch einen warnenden Blick zu. "Wehe du erzählst es ihm.", zische ich ihr leise zu und meine damit natürlich Bruno. Sie seufzt, gibt mir jedoch ihr Wort,  dass sie es niemandem erzählen wird. 

"Ich weiß nicht, ob dein Vater es dir schon erzählt hat, aber ich würde mich freuen, wenn ihr am Samstag mit mir zu Abend isst." Ich nicke. "Ja mein Vater hat mich schon darüber in Kenntniss gesetzt." "Und werdet ihr unsere Einladung annehmen?" fragt er neugierig, während wir über die kleine Brücke gehen. "Ich..." Ich wollte doch nicht gemein sein. Und so schlimm kann so ein einfaches Abendessen doch nicht sein. "Mein Vater und ich wären sehr erfreut, mit dir und deiner Familie zu essen."

Wir laufen jetzt schon eine Weile durch das kleine Dorf, sodass wir in der Zwischenzeit wieder am Brunnen angelangt sind. Wir haben viel miteinander geredet und es hat sich herausgestellt, dass Mateo gar nicht mal so unsympatisch ist, wie ich vorher dachte. Ganz im Gegenteil er ist eigentlich ziemlich nett. Ich hab herausgefunden, dass er gerne Gitarre spielt und auch eigene Lieder schreibt. Dazu ist er auch noch ein ausgezeichneter Koch, wie er sich selbst beschreibt. Ich habe gesagt, dass ich das gerne mal testen würde. Ich habe es genossen mit ihm Zeit zu verbringen. Ich schätze ich habe ihn wirklich falsch eingeschätzt. Außerdem teilen wir den gleichen Humor. Und schlecht sieht er auch nicht gerade aus. Eher im Gegenteil. Dennoch würde ich ihn lieber nicht heiraten wollen. Und wahrscheinlich hatte mein Vater Recht damit, dass das an Bruno liegt. Ich kann Mateo nicht heiraten, weil ich in Bruno verliebt bin.

Wir setzen uns auf den Rand des Brunnens während ich gerade über einen Witz, den er gemacht hat lache. "Und seitdem wird mir beim bloßen Anblick einer Arepa con queso schon schlecht." beendet er gerade seine Geschichte über eine Wette mit seinem Bruder, wer am Meisten von dem kolumbianischen Gebäck essen kann. "Oh na toll. Dann solltest du nicht bei Julietta einkaufen gehen. Sie macht die besten Arepa Con Queso." erkläre ich amüsiert. "Das werd ich mir merken." entgegenet er grinsend. Daraufhin ensteht eine kurze Stille zwischen uns. "Du bist ganz anders als ich dachte." sagt er plötzlich. Verwirrt sehe ich zu ihm auf. "Positiv anders oder Negativ anders?"  frage ich grinsend. "Definitiv positiv." erklärt er ebenfalls grinsend. Ich schenke ihm ein dankbares Lächeln und sage "Ja, geht mir bei dir genauso." Auch er lächelt mich dankbar an.

Erneut entsteht Stille. "Ich...wir kennen uns zwar noch nicht lange, aber ich glaube durch dieses Gespräch gerade eben, schon eine Menge über dich kennengelernt zu haben." Neugierig horche ich auf. Oh nein; was kommt jetzt? Bitte mach mir keinen Antrag. Bitte mach mir keinen Antrag. "Und ich hab das zwar noch niemanden erzählt, aber ich glaube ich kann dir die Wahrheit sagen, warum ich dich besser kennen lernen wollte." Nervös blicke ich zu ihm auf. Das hört sich gar nicht gut an. "Also ich wollte-" Bevor er den Satz zu Ende bringen kann, springe ich plötzlich auf "Ach Mist. Ich hab total vergessen, dass ich meinem Vater versprochen habe, ihm heute im Laden zu helfen. Er wird bestimmt wütend sein." Lüge ich hastig etwas zusammen und tue so als hätte ich es auf einmal ganz eilig. "Aber ich-" wieder unterbreche ich ihn. "Tut mir echt Leid, aber ich muss jetzt wirklich los. Man sieht sich." Oder auch nicht. Füge ich in Gedanken hinzu und eile hastig davon. Doch in meiner Eile renne ich plötzlich in jemanden hinein.

Don't Leave Me (Bruno ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt