⊱Kapitel 22⊰

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»Alli ich muss jetzt wirklich auflegen.« Das Handy zwischen Schulter und Ohr geklemmt, versuche ich irgendwie den Verschluss meiner Kette zu schließen. So fummelig wie das grundsätzlich schon ist, macht es das Telefonat mit Alli nicht wirklich einfacher. Auch wenn ich meiner besten Freundin aus Kindheitstagen für die Ablenkung in den vergangenen Stunden unheimlich dankbar bin. Immerhin hat sie mich davor bewahrt vollkommen den Verstand zu verlieren. Denn immer wieder musste ich an den bevorstehenden Abend denken. Obwohl das eigentlich völlig nutzlos ist. Denn alles wird so geschehen, wie es soll. Ganz egal wie viele Gedanken ich mit im Vorfeld mache. Aiden ist Aiden. Und ich bin ich. Wir sind wir. Und wenn wir uns dieses Mal wirklich näher kommen sollten, dann ist es wohl einfach ein Wink des Schicksals. Denn hätten uns Aidens Eltern an jenem Abend nicht unterbrochen, dann hätten wir uns höchstwahrscheinlich sogar wirklich geküsst. Ich bezweifle stark, dass irgendjemand von uns beiden es sich in letzter Sekunde anders überlegt hätte. Dass das rationale Denken wieder eingesetzt hätte. Falls wir in jenem Augenblick überhaupt gedacht haben. Vermutlich eher nicht, denn sonst wäre es wohl niemals soweit gekommen.
»Aber du hast doch noch Zeit oder nicht?«
Ich seufze. »Ja, die habe ich Alli. Aber ich muss mich noch zu Ende fertig machen«, erkläre ich das Logische und versuche noch immer tapfer diesen damlichen Verschluss zu schließen. Für einen Moment ist es am anderen Ende der Leitung still.
»Allison? Bist du noch dran?«
Ein Rascheln, dumpfe Geräusche. Erst dann höre ich wieder die Stimme meiner Freundin.
»Ja kar. Vorry«, nuschelt Alli. Erneut raschelt es. Verdutzt ziehe ich die Stirn kraus, als es mir endlich gelingt den wiederspenstigen Kettenverschluss zu schließen.
»Vielleicht etwas deutlicher Alli?!«
Mit der rechten Hand ziehe ich mein Handy wieder aus der Klemme und setzte mich auf meine Bettkante. Als nächstes müsste ich irgendwie meine Schuhe zubinden. Statt einer Antwort von Allison ist da wieder diese Stille.
»Sorry Lyn. Ich brauchte gerade einfach Schokolade. Ich meine meine beste Freundin geht auf ihr erstes Date und ich bin nicht bei ihr.«
Ihre Stimme ist dieses Mal deutlich klarer und besser zu verstehen und dennoch entgeht mir der traurige Unterton ihrer Worte nicht. Gerade will ich etwa sagen, doch Allison kommt mir zuvor.
»Egal. Bei der Hochzeit bin ich auf jeden Fall dabei.« Alli macht eine melodramatische Pause und ich verdrehe die Augen. Da gibt man diesem Mädchen eine Spule und sie spinnt dein ganzes Leben daran auf.
»Aber egal. Ich freue mich so für dich. Und ich will einen ausführlichen Bericht.« Dabei kratzt sie ganz extrem an dem schmalen Grad zwischen Kreischen und ehrlicher Freude. Es ist so unangenehm, dass ich für einen Moment mein Gesicht verziehe und das Handy ein Stück weit vom Ohr halten muss.
»Okay Alli. Das ist ganz ganz lieb von dir. Ich melde mich morgen oder so bei dir und erzähle dir alles ganz ausführlich. Aber ich muss jetzt echt beeilen.«
»Kein Ding. Viel Glück. Ach und Lyn?«
»Ja?«
»Ich hab dich lieb.«
Ich lächle und halte das Telefon automatisch fester in meiner Hand. Es ist einer dieser Momente in denen ich feststelle, wie sehr ich meine beste Freundin vermisse. Auch wenn ich mir hier in Effingham inzwischen ganz gut eingelebt habe, ich meine immerhin gehe ich heute auf ein Date, fehlt mir das ganze Choas aus Walla Walla schon ein bisschen. So merkwürdig es auch ist, irgendwie vermisse ich sogar die alte Mrs. Johansen.
»Ich hab dich auch ganz dolle lieb Allison.«
Ihr Lächeln kann ich förmlich durch den Hörer spüren. Ohne ein weiteres Wort zu sagen legt Alli auf. Und es ist okay. Weil wir beide wissen, wie sie es meint. Es ist nicht unhöflich. Ganz im Gegenteil. Für den Notfall stecke ich mein Handy lieber in die kleine Handtasche die ich mitnehmen werde, ehe ich mit zittrigen Händen versuche die Schnürsenkel meiner Sneaker zu binden. Zwar hat mich unser Telefonat in den letzten Stunden ganz gut abgelenkt, dafür kehrt sie mir einem einzigen Schwung schlagartig zurück. Die Aufregung. Abermals rast mein Puls. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Der Schweiß steht mir fast sichtlich auf der Stirn. Einmal mehr atme ich tief durch. Du schaffst das Lyn. Du kannst das. Es ist nur ein Date. Nur ein Abend. Nur Aiden. Und vielleicht ist genau das doch das Problem. Vielleicht wird Aiden zu meinem größten Glück oder aber auch zu meinem größten Schmerz. Vielleicht sind wir wirklich füreinander geschaffen und es war absoluter Zufall, dass wir uns ausgerechnet jetzt, auf diese Weise begegnen. Vielleicht sind wir es aber auch nicht. Vielleicht stellen wir fest, dass ein gemeinsames miteinander keinen Sinn ergibt. Dass unsere Gefühle nicht mitspielen. Sich die elektrisierende Hitze in ein absolutes Fegefeuer verwandelt und wir die Hölle auf Erden erleben werden. Schließlich sind wir im gleichen Freundeskreis unterwegs und wenn es hart auf hart kommt, dann würden Josie und die anderen vermutlich so oder so zu Aiden halten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie nicht wenigstens ihren Senf dazugeben würden.

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