Kapitel 5

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Ich stehe ratlos in der Speisekammer und sehe mich um.
Nichts spricht mich an.
Mein Vorschlag, Toast Hawaii zu machen, wurde von meinen WG Mitgliedern einstimmig abgelehnt.
Also muss ich mir etwas einfallen lassen.
Ich überlege.
Was hat Valentin vorhin noch gleich erzählt?
Scarlet hat immer typisch Englisch gekocht?
Na dann...
Ich besinne mich auf meinen Vorsatz, so wenig aufzufallen wie möglich und greife mir aus einem Regal Kartoffeln.
Wenn schon Englisch, dann auch richtig!
In der Tiefkühltruhe finde ich noch ein paar Stücke Fisch und beginne sie in der Pfanne zu braten.
Als ich die Kartoffeln schäle, schaut Valentin in die Küche.
Er schnuppert.
„Fisch?", fragt er.
Ich nicke ohne aufzusehen.
„Kann ich helfen?"
Er geht um die Kochinsel herum und bleibt neben mir stehen.
Auf seine Frage, warum ich denn für Fisch and Chips keine Tiefkühlpommes nehme, zucke ich nur lässig mit den Schultern und suche nach einem Messer.
Valentin reicht mir eins.
„Du bist anders, Scarlet."
Ich spüre seinen kitzelnden warmen Atem an meinem Ohr und kichere ein bisschen.
„Genau das meine ich. Bis gestern warst du nur schwer zum Lachen zu überreden. Von Humor keine Spur. Die Änderung gefällt mir sehr, Scarlet. Weißt du, ich finde es gut, dass wir nicht mehr so verfeindet sind wie vorher."
Ich wende meinen Blick von den Kartoffeln ab und schaue zu ihm hoch.
Seine Augen glitzern, angestrahlt von der Abendsonne und auf seinem Gesicht steht ein zufriedener Ausdruck.
Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, da verspüre ich einen stechenden Schmerz im linken Daumen.
„Verdammt!", fluche ich und lasse das Messer fallen.
Blut tritt aus meinem Daumen.
Valentin öffnet wortlos eine Schublade und packt ein Pflaster aus.
„Komm, ich verarzte dich."
Ich strecke ihm zögernd meinen Daumen entgegen.
Er tupft ganz vorsichtig das Rinnsal an Blut ab und klebt dann das Pflaster auf den Schnitt.
Das ganze tut er so andächtig, dass ich unbemerkt die Luft anhalte.
„Geht's wieder?", fragt er, hält dabei aber immer noch meine Hand in seiner, als würde er sie erst durch meine Bejahung loslassen wollen.
Ich nicke und ziehe meine Hand zurück.
Mit sanftem Druck schiebt Valentin mich bei Seite und schneidet die Kartoffeln weiter in lange Streifen.
„Danke.", hauche ich und wende den Fisch einige Male.

Nach dem Essen, das tatsächlich allen gut geschmeckt hat, ziehe ich mich zurück auf mein Zimmer.
Es ist groß und geschmackvoll eingerichtet.
Ich lasse mich auf das Bett fallen und starre an die Decke.
In meinem Bauch kribbelt es bemerkbar.
Ich muss lächeln.
Ganz in Gedanken versunken höre ich das leise Klopfen nicht und bemerke Elena erst, als sie neben dem Bett steht.
„Hey.", murmelt sie.
„Hi."
Krampfhaft sucht sie nach den richtigen Worten.
Ich setze mich auf und schaue sie an.
„Was ist das da zwischen dir und Valentin? Ich habe euch beobachtet in der Küche. Bis gestern wart ihr doch total verfeindet!"
Sie schaut mich verständnislos an.
„Und jetzt flirtet ihr miteinander.", fügt sie hinzu und schaut zu Boden.
„Elena...."
Gerade will ich ansetzen und ihr meine Geschichte erzählen, doch ich zögere.
Wäre es richtig, ihr zu erzählen, dass ich nicht Scarlet aus England bin, sondern Addison aus Kanada?
Beim Gedanken an Elenas vermutliche Reaktion lasse ich ganz schnell davon ab.
„Der Unfall hat mir eine andere Denkweise gegeben. Ich wollte Valentin nochmal eine Chance geben und habe gemerkt, dass er gar nicht so doof ist.", lüge ich das Blaue vom Himmel herunter.
Elena zieht beide Augenbrauen weit hoch und nickt.
Ich sehe ihr direkt an, dass sie mir kein einziges Wort glaubt.
„Wie du meinst. Du musst selber wissen, was du jetzt mit Tini machst, aber wenn ihr hier irgendwann knutschend in der Ecke sitzt und auf Wolke 7 schwebt, werde ich mich ausklinken. Darauf habe ich keinen Bock. Wir wollten einfach alle nur Freunde sein, keine Beziehungen untereinander. Also überlegt euch gut, was ihr macht. Entweder einer für alle und alle für einen oder ihr seid nur noch zu dritt."
Mit diesen Worten verlässt Elena das Zimmer und knallt die Tür hinter sich zu.
Ich blinzele verdutzt.
Jetzt mache ich auch noch das WG Leben von bisher friedlich zusammenlebenden Personen kaputt!
Ich muss mich zurückhalten.
Meinen heimlichen Wunsch, den ich mir eingestehen muss, muss ich unterdrücken.
Als ich diesen Entschluss gemacht habe, beginnt mein Herz zu schmerzen, so sehr habe ich mich scheinbar innerhalb von 2 Tagen in den jungen Mann mit dem seidigen Haar und Augen, in denen man sich verlieren kann, verliebt.
Bei diesem Gedanken rinnt eine Träne meine Wange hinunter.
Verärgert wische ich sie mit der Hand weg, straffe die Schultern und verlasse das Zimmer, mit dem Entschluss, Valentin, so wie die echte Scarlet vorher, nicht an mich heranzulassen.
So ist es besser.
Oder?

𝕾𝖈𝖍𝖓𝖊𝖊𝖘𝖈𝖍𝖎𝖈𝖐𝖘𝖆𝖑Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt