Ich erzähle euch eine Geschichte...

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Ich durchquerte den Flur des Krankenhauses. Der lange, weiße Gang schien sich unendlich in die Länge zu strecken. Rechts und links zweigten immer mal wieder Gänge oder Türen ab. Hin und wieder begegnete einem auch eine Krankenschwester oder ein Arzt. Jedes Mal wurde ich höflich gegrüßt, schließlich war ich hier auch schon ein Stammgast.
Ich bog rechts in den Gang ein und ging unbeirrt von der Länge, weiter geradeaus.
Vor einer großen, geschlossenen Tür blieb ich stehen. Lautes Lachen und Stimmgewirr drang durch die Wand. Die Tür war geschmückt mit vielen verschiedenen Bildern. Fotos, Selbstgemaltes, aber auch Selbstgebasteltes hing an dem Eingang.

Schwungvoll stieß ich die Tür auf und betrat den Raum. Viele Kinder von 9 bis 14 Jahren tobten herum. Sie lachten, diskutierten oder lasen einfach Bücher.
Das Zimmer war ausgestattet mit vielen Betten, Schränken, Bücherregalen und Spielzeugen. Zwei Zimmer konnte man von diesem großen Raum aus erreichen. Ein Bad für Mädchen und eines für Jungs. In der hinteren Ecke des Raumes stand ein kleines Sofa, drum herum viel Kissen und andere Sitzmöglichkeiten. Und genau darauf bewegte ich mich jetzt zu.
Sobald ich mich in die Kissen hatte fallen lassen, wurde ich auch schon von Umarmungen überhäuft. Alle standen um mich herum und lächelten mich breit an. Sie wussten, weshalb ich hier war und sie liebten es.
Ich fand es immer erstaunlich, wie positiv hier doch alle waren, obwohl sie mit einer starken Krankheit zu kämpfen hatten. Doch keiner gab auf. Natürlich gab es immer wieder Momente der Angst und des Schreckens vor dem Versagen, doch auch sowas überwanden sie immer mit positiven Gedanken. Dabei waren sie alle noch so jung. Ich war gute 3 Jahre älter als die ältesten hier und hatte schon größten Respekt, wenn ich nur die Krebsabteilung betrat. Genau aus diesem Grund tat ich was ich konnte, um sie bei Laune zu halten. Und das war in meinem Fall eben vorlesen.
„Liest du uns heute wieder ein Märchen vor?" fragte Kyra, ein 9-jähriges Mädchen, welches vor gut einem halben Jahr hierhergebracht wurde. Lächelnd antwortete ich: „Wie wäre es dieses Mal mit einer Geschichte, die sich vor gut 10 Jahren hier abgespielt hat?" Begeistert setzten sich alle auf die Kissen und ich begann zu erzählen:

„Vor gut 10 Jahren gab es auf der Welt den Ausbruch einer neuen Krankheit. Einer Krankheit, mit der keiner Erfahrung hatte. Die Krankheit war vielseitig. Sie konnte sehr gefährlich werden, doch sie konnte sich auch wie eine einfache Erkältung anfühlen. Sie konnte einen komplett umhauen oder man hatte einfach nur eine verstopfte Nase. Und diese Krankheit nannte sich Covid 19. Oder einfach Corona. ^
Durch Corona wurden alle eingeschränkt und mussten auf ihre Freizeitaktivitäten verzichten. Es war nicht wie bei euch. Man konnte sich nicht einfach weiter mit Freunden treffen, da die Krankheit sehr ansteckend war – und für ältere Leute auch sehr gefährlich. Also blieb man zuhause. Man traf keine Freunde mehr, zumindest nicht mehr so viele, man fuhr oft nicht in den Urlaub und man musste mit Masken rumlaufen. Mit genau den gleichen Masken, die auch Ärzte bei OPs tragen. Und das Ganze zog sich über mehrere Monate dahin. Die Regierung traf immer wieder Entscheidungen, wie zum Beispiel, dass die Schulen geschlossen werden sollten und man vom Fernunterricht aus arbeiten sollte. Dann öffnete man die Schulen wieder, nur um sie, sobald die Infektionszahlen stiegen, wieder zu schließen. Die Ärzte waren oft überfordert, da immer mehr Leute ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
Aber dann, nach einem guten Jahr gab es eine Impfung gegen dieses Virus. Man impfte zuerst die Älteren, da diese häufig am gefährdetsten waren. Von dort aus ging man immer weiter runter, bis irgendwann alle soweit geimpft waren, dass man die Bedingungen wieder lockern konnte. Also konnte man wieder seine Freunde treffen, wieder in die Schule gehen und wieder seinen Hobbys nachgehen.

Und wisst ihr, was ich dabei echt bewundert habe? Dass die Leute aufeinander Rücksicht genommen haben. Dass sie ihre eigenen Hobbys zurückgeschraubt haben, damit dieses Virus bekämpft werden konnte.
Soll ich euch noch etwas sagen? Ihr seid der Zeit von früher gar nicht so unähnlich. Ihr hofft, ihr gebt nicht auf und vielleicht besiegt ihr den Krebs. Und ihr stellt euch dem Neuen vielleicht mit Angst, aber vor allem mit Mut. Ihr wisst, dass man nur den Weg nach vorne antreten kann, da es keinen Weg zurückgibt. Und diese Hoffnung kann euch niemand nehmen. Denn man kann sie nicht greifen. Man kann sie nur spüren und sie ist immer da, egal in welcher Situation. Vertraut darauf!"

Corona und Krebs (OS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt