Schwarzes Schaf

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☆ River ☆


»Ich ... ich ... mag ... dich ... auch ... sehr ...«

Dakotas Stammelei war irgendwie erfrischend. Mir ist klar, dass es nicht leicht werden wird, sie davon zu überzeugen, dass ich es ernst meine und keine Spielchen spiele. Ich bin nicht so eine Flachpfeife, wie dieser Spacken Lincoln. Unfassbar, dass er, scheinbar ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, zugegeben hat, dass er nur eine Ablenkung suchte. Wie krank muss man bitte sein, um einer Frau so etwas ins Gesicht zu sagen? Kein Wunder, dass Dakota so enttäuscht von der Männerwelt ist.

»Vergiss diesen Versager einfach«, rate ich ihr und ziehe sie zwischen meine Beine, wo sie es sich gemütlich macht und schließlich gegen meine Brust lehnt. Beschützend schlinge ich die Arme um sie. »Er hatte dich sowieso nicht verdient.«

»Danke«, bringt sie leise hervor und legt ihre Hände auf meine Unterarme. »Lincoln ist aber nicht der einzige Grund, warum ich hier her gekommen bin.«

»Nicht?«

»Nein.«

»Okay. Was liegt dir sonst noch auf dem Herzen?«

»Meine ... meine ... Mutter ist gestorben.«

»Rita ist tot?« Fassungslos starre ich auf ihren Hinterkopf. Warum weiß ich nichts davon? Raven hat mir nichts erzählt oder geschrieben. Mein Unmut gegenüber meiner Schwester steigt augenblicklich an.

Okay, dass sie mir nichts über die Schikanen meiner Jugendfreunde mitgeteilt hat, da kann ich gerade noch drüber hinweg sehen, aber nicht, dass sie mir kein Wort von Ritas Tod gesagt hat. Ich kannte Dakotas Eltern gut und mochte die beiden. Bei der Beerdigung von ihrem Dad Tom vor etwa fünf Jahren war ich anwesend und es war ein wirklich herber Schlag, denn er war wie ein Onkel für mich gewesen.

»Woran ist sie gestorben?«

»Lungenentzündung.«

»Oh.« Damit habe ich jetzt nicht gerechnet, denn im Normalfall stirbt man nicht an einer Pneumonie.

»Ihr Immunsystem war bereits durch die Chemotherapie geschwächt, die sie vor zwei Jahren hatte.«

Von dem Brustkrebs, gegen den Rita gekämpft hat, weiß ich und ich war unheimlich erleichtert, als sie ihn besiegt hatte.

»Das tut mir unendlich leid, Baby.« Ich verstärke meinen Griff um ihren Körper und lehne den Kopf an ihren.

»Mir auch. Jetzt bin ich ganz alleine, habe niemanden mehr.«

»Du hast uns«, sage ich entschieden und drücke einen Kuss auf ihren Scheitel. »Für meine Eltern warst du immer wie eine zweite Tochter.«

Sie schluchzt und mein Herz zieht sich sofort vor Mitgefühl zusammen. Das letzte Jahr hat es wirklich nicht gut mit Dakota gemeint. Nun kann ich verstehen, warum sie ihre Ruhe wollte, um all die Tiefschläge zu verarbeiten. Auf der anderen Seite bin ich der Meinung, dass sie sich von diesem herben Schicksalsschlag ablenken sollte. Trauern ist vollkommen in Ordnung und muss auch sein, aber wenn man damit nicht abschließt, dann kann es ungesund werden und womöglich noch zu Depressionen führen.

»Deine Mom war mir eine richtige Stütze«, erwidert sie und wischt sich die Tränen von den Wangen. »Wenn sie und Raven nicht gewesen wären, dann hätte ich das mit der Beerdigung nie hinbekommen.«

Verärgert beiße ich die Zähne zusammen. Sobald wir alle zurück in Boston sind, muss ich dringend ein Hühnchen mit meiner Schwester rupfen. Wie konnte sie mir das nur verschweigen? Ja, ich war auf einem anderen Kontinent und oft von der Außenwelt abgeschnitten, aber warum hat sie mir keine E-Mail geschrieben? Die hätte ich vielleicht erst ein paar Wochen später lesen können, aber ich hätte mich doch sofort in den nächsten Flieger gesetzt, um nach Hause zu fliegen und Rita den Respekt zu erweisen, den sie verdient hatte.

»Ich weiß gerade echt nicht, was ich sagen soll«, gebe ich zu und unterdrücke die Tränen, die sich in meinen Augen sammeln. »Niemand hat mir etwas gesagt. Ich fühle mich gerade von allem ausgeschlossen, wie so ein ausgestoßenes schwarzes Schaf.«

Dakota dreht sich in meinen Armen um und setzt sich auf meinen Schoß. »O River, das stimmt nicht. Du bist kein schwarzes Schaf.«

Ich lege meine Hände auf ihre Oberschenkel und blicke bedröppelt drein. »Hmm ...«

Sie schmiegt sich an mich und legt ihren Kopf auf meine Schulter. »Ich hatte keine Ahnung, dass dir Raven nicht Bescheid gesagt hat.«

»Wann ist sie gestorben?«

»Anfang November.«

Vor knapp acht Wochen. Wow.

»Ging es wenigstens schnell?« Beim Gedanken, dass Rita womöglich wochenlang gelitten hat, dreht sich mir der Magen um.

»Ja. Nicht mal eine Woche.«

Das ist wirklich schnell.

»Jetzt ist sie wieder bei ihrem geliebten Tom«, murmele ich und schließe kurz die Augen.

Ich erinnere mich daran, wie verliebt Dakotas Eltern waren. Wann immer ich die beiden zusammen sah, da turtelten sie wie Frischverliebte miteinander. Meine Eltern sind ebenfalls nach wie vor verliebt ineinander, aber Tom und Rita hatten eine noch innigere Verbindung. Beneidenswert. Für meine Zukunft wünsche ich mir genauso eine tiefe Liebe, habe sie bisher aber noch nicht gefunden.

Oder etwa doch?

Ganz gemächlich streichele ich über Dakotas Rücken und stelle mir vor, wie ein Leben mit ihr an meiner Seite aussehen könnte. Sie ist ein absoluter Familienmensch und unheimlich auf Harmonie bedacht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie eine wundervolle Mutter sein wird, wenn die Zeit für eigene Kinder reif ist. Vielleicht mit mir? Der Gedanke an eine eigene Familie gefällt mir langsam immer besser.

»Schläfst du heute Nacht wieder bei mir?«, frage ich und halte die Luft an, da ich nicht sicher bin, ob die Frage jetzt nicht zu direkt ist. Letzte Nacht war sie beschwipst gewesen, heute ist sie stocknüchtern.

»Wegen des Stromausfalls?«

»Nicht nur. Es war schön, dich im Arm zu halten.«

Dakota fährt mit einem Finger meine Ohrmuschel entlang. »Ja, das fand ich auch schön.«

»Ist das also ein Ja?«

»Ja«, bestätigt sie mit einem Lächeln in der Stimme. »Du darfst mich wärmen.«

»Es ist mir ein Vergnügen.«

Captain Morgan springt auf die Sofalehne neben meinem Kopf und schnuppert an meiner Schläfe.

»Nehmen wir die Kinder mit?«

Dakota kichert und kneift mir ins Ohrläppchen. »Sie sind noch zu klein, um allein zu bleiben und wir haben kein Babyfon, um sie zu belauschen.«

»Stimmt auch wieder.«

☆°~♡~°☆

Mein Herz blutet gerade, wenn ich mir vorstelle, wie Dakota das Jahr über gelitten hat. 🥺🤧 Jetzt braucht sie eine starke Schulter zum Anlehnen. 😊

Kinder ... 😂 Ich sehe es vor mir, wie sie Treppen nach oben gehen, jeder ein Kind auf dem Arm. 🤣

Snowed In With The SinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt