Ich kam schon wieder fast zu spät zur Arbeit. Es ist einfach jeden Tag das Gleiche: Ich stelle mir zehn Wecker, stehe beim letzten Klingeln dann auf und habe genau 20 Minuten, um aus dem Haus zu kommen und zur Bahn zu laufen, um von meiner kleinen Wohnung in Balham, in die belebte Londoner Innenstadt zu fahren. Als ich einen Job bei dem Frauen-Magazin 'Bright' angeboten bekam, war ich froh eine halbwegs günstige Wohnung gefunden zu haben, von der aus ich mit dem Zug schnell meinen Arbeitsplatz erreichen konnte. Dort schreibe ich eine kleine Kolumne und helfe teilweise auch bei Recherchearbeiten, wenn irgendwo noch eine helfende Hand gebraucht wird. In meiner Kolumne schreibe ich immer über Themen über die Frauen sich im alltäglichen Leben nun einmal Gedanken machen und gebe zu allem meinen Senf dazu. In der letzten Ausgabe schreib ich über ein Frauen After-Shave, dass fiesen Ausschlag im Intimbereich nach dem Rasieren vermeiden sollte. Ich ließ mich groß und breit darüber aus, dass jede Frau dies anscheinend kennt und sich keiner dafür schämen braucht und so weiter.
Das klingt jetzt von mir wahrscheinlich etwas gelangweilt aber ich liebe meinen Job wirklich. Nachdem ich vergeblich an der University of Nottingham zwei Semester Philosophie studierte und dem wirklich nichts abgewinnen konnte, entschied ich mich fürs Schreiben und wandte mich dem Journalismus zu. Es war vielleicht nicht von vornherein mein Ziel über Frauenprobleme und die Menstruation monatlich einen Artikel zu verfassen, man muss aber irgendwie Fuß fassen. Vielleicht schaffe ich es ja noch seriösere Jobs an Land zu ziehen.
Mittlerweile saß ich schon im Zug zur Arbeit und freute mich schon auf Mirandas Bericht über ihr gestriges Date. Sie wollte mir ursprünglich noch kurz eine Nachricht geschrieben haben, wie es gelaufen ist. So wie ich Miranda kenne, war es etwas später geworden und sie wollte mich einfach nicht durch ein Klingeln meines Handys wecken. Ich bin wirklich froh sie kennengelernt zu haben. Sie arbeitet auch bei 'Bright' und wir verstanden uns wirklich von der ersten Minute an sehr gut. Sie ist groß und blond, hat eine Traumfigur und trägt ihre Haare in einem eleganten Bob. Miranda arbeitet schon länger bei 'Bright' als ich und half mir in den ersten Tagen sehr mich zurecht zu finden. Dazu muss ich sagen, dass ich immer etwas brauche, um mit Menschen, die ich nicht kenne, warm zu werden. Ich will nicht sagen, dass ich schüchtern bin, ich vertraue mich aber nicht sofort jedem an. Manchmal fühle ich mich noch unbehaglich wegen meinem Äußeren, was auch ein Grund dafür sein kann, dass ich nicht gerne auf Menschen zu gehe. Auf der Uni war ich ziemlich übergewichtig und trug eine Hornbrille, die ich erst im Laufe der Jahre durch Kontaktlinsen austauschte, als ich begriff, dass ich doch ein ganz annehmliches Gesicht habe, nachdem ich einige Kilos abgenommen hatte. Mittlerweile beschreibe ich meine Figur als normal, trage mein Haar lang und meist wellig. Ich habe große Augen und volle Lippen. Eigentlich würde ich sagen, dass sich die Männerwelt über mein Aussehen nicht beschweren kann - zumindest heutzutage nicht. Mein früheres Aussehen bereitet mir doch immer noch Unbehagen, da ich damals alles andere als ein männermordender Vamp war. Sexy war bei mir fehl am Platze.
Derzeit bin ich in keiner festen Beziehung und kann auch nicht von mir behaupten, dass ich so viele Dates wie Miranda habe. Ich wirke wahrscheinlich viel zu verschlossen, um auf ein Date eingeladen zu werden.Als ich aus dem Aufzug heraus kam strahlte mich Miranda schon aus dem hinteren Teil der Großraumbüros an und winkte mir hektisch zu. Anscheinend war das Date gut gelaufen. Zu oft habe ich schon ihre After-Date-Stimmung gesehen, als dass ich mich jetzt täuschen könnte. Gespannt ging ich auf sie zu und sie prasselte los. Die Wörter sprudelten aus ihr raus wie aus einem voll aufgedrehten Gartenschlauch. Ich konnte folgende Wörter aufnehmen: sexy, gutaussehend, muskulös, Traummann, Kuss. Okay. Anscheinend ist das Date wirklich gut gelaufen. Miranda war sehr anspruchsvoll, was die Partnerwahl anbelangt. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass sie die Interviews mit den Prominenten hier bei 'Bright' führt oder ob sie generell einfach anspruchsvoll ist. Wenn man aber bedenkt, dass sie ständig mit den Schönen und Reichen zu tun hat, scheint meine erste Vermutung nicht abwegig.
"Okay, nochmal langsam und zum mitschreiben.",bat ich Miranda und konnte mir ein Lächeln dabei nicht verkneifen. Man konnte in ihrem Blick sehen, dass sie gerade realisierte wie schnell sie eigentlich gesprochen hat und wir beide lachten laut los. "Tut mir Leid.",sagte sie lachend. "Tim war wirklich genau wie ich ihn mir vorgestellt habe. Ein absoluter Gentleman, ein tolles Aussehen.. Wobei wir das ja schon wussten." Miranda lernte Tim bei einem Meeting kennen und ich hatte ihn auch kurz gesehen. Er sah wirklich gut aus. Dunkle Haare, eine große und muskulöse Statur, ein verschmitztes Lächeln. "Aber wirklich, Lynn. Ich hatte das Gefühl wir waren wirklich so richtig auf einer Wellenlänge. Und um es nur so nebenbei zu erwähnen... Gut küssen kann er auch.", dabei zwinkerte mir Miranda mit ihren eisblauen Augen zu.
"Was?", ich sah sie mit erstaunten Augen an. "Wer hat denn hier gegen ihre 'Ich-küsse-nicht-beim-ersten-Date-Regel' verstoßen?" Wieder lachten wir beide. Das Lachen hielt jedoch nicht lange an, da Mrs. Collin aus dem Aufzug stieg.
Mrs. Colin ist eine knallharte Geschäftsfrau und vor allen Dingen unsere Vorgesetzte. Sie hatte natürlich auch eine freundliche Art aber das Business erlaubt es einfach nicht eine labile und freundliche Persönlichkeit an den Tag zu legen. Sie trug ihre Haare stets streng zu einer Hochsteckfrisur gebunden und betonte ihre weibliche Figur durch ein teures Kostüm mit Bleistiftrock. Irgendwie schaffte sie es auch immer diese Röcke an die aktuellen Trends anzupassen, sodass sie niemals so konservativ aussah, wie sich ihre Beschreibung von mir stets anhört. Wir hatten alle Respekt vor ihr und so verlegten Miranda und ich unsere Unterhaltung auf unsere gemeinsame Mittagspause.Ich ging in mein Büro und setzte mich an meine neue Kolumne. Ich überlegte welches Thema meine Leser zunächst interessieren würde. Abwechslung stand bei mir an der Tagesordnung, sodass sich meine Leser nicht langweilten. Da ich die letzten Kolumnen über Menstruation und After-Shave schrieb, wollte ich mich diesen Monat mit dem Thema Dating befassen. Nach einer Stunde Brain-Storming hatte ich soeben ein Thema: 'Dating - Verabredung im Kino'.
Sofort recherchierte ich und las in Foren, was Frauen und Männer generell von Dates im Kino halten, welche Filme sie gerne sehen und welche Filme für ein Date angebracht sind. Um dies für meine Leser mehr zu veranschaulichen, suchte ich mir auch die aktuellen Kinocharts. Dass 'Cinderella' im Kino läuft, wusste ich zum Beispiel gar nicht. Den würde ich gerne sehen. Ich liebe es in einer Traumwelt zu versinken und mir vorzustellen, dass auch ich einmal eine Prinzessin in so einem wunderschönen Kleid wäre. Solange bis ich über meine eigenen Füße stolpere und mit einem Klatsch auf den Boden merke, dass ich dafür gar nicht galant genug bin. Ich muss bei der Vorstellung grinsen.
Mit in den Charts ist auch der Kinofilm 'Insurgent'. Sofort schweifen meine Gedanken ab und ich denke an mein Philosophie-Studium. Der Hauptdarsteller des Kinofilms, Theo James, belegte damals meinen Kurs. Rein aus Interesse gebe ich seinen Namen mal in die Suchmaschine ein. Gut aussehen tut er ja. Was mich damals schon an ihm faszinierte sind seine vollen Lippen. Noch nie habe ich einen Mann gesehen, der so volle Lippen hat. Irgendwie laden Sie schon zum Küssen ein. Nein. Halt. Was denke ich hier überhaupt?
Er war damals auch nicht freundlicher zu mir als die anderen. Ok, unfreundlich waren sie auch nicht aber mit mir zu tun haben wollten sie trotzdem nichts. Vielleicht lag es bei Theo auch daran, dass er im Gegensatz zu mir so groß ist. Sein Blick, war damals auch schon unergründlich und nicht zu durchschauen. Vielleicht jagte mir das ein bisschen Angst ein. Im Laufe der Jahre hat er aber auf jeden Fall an Sexappeal dazu gewonnen. Jetzt nicht wegen seinem Ruhm. Mit sowas kann man mich nicht beeindrucken.
Als ob ich ihn jemals beeindrucken könnte.
Und als würde Theo sich wie ein Rattenschwanz hinter mir her ziehen, erzählte mir Miranda nicht nur von ihrem heißen Kuss mit Tim, als wir in der Mittagspause gemeinsam aßen, sie erzählte mir auch, dass sie nächste Woche ein Interview mit Theo haben würde. Das freute mich wirklich sehr für sie. Für mich hieß das Ganze aber, dass sie mir damit jetzt bis zum Interview und mindestens zwei Wochen danach noch in den Ohren liegen würde. Ich erzählte ihr natürlich nicht, dass wir damals gemeinsam zur Uni gingen. Ich hatte schließlich meine Gründe.
Theo James war damals schon der gut aussehende Typ von heute und ich war einfach das hässliche Entlein und war damals wirklich ziemlich hässlich. Ich konnte ihn nie leiden, weil er nicht zu durchschauen war und so dachte ich nicht weiter über die ganze Sache nach. Ich würde ihm sowieso nie wieder persönlich in die Augen sehen. Dachte ich.
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Das Interview
FanfictionIch fühle mich schon geschmeichelt, dass Miranda mich gebeten hat ihr Interview zu übernehmen. Ich will sie auch wirklich nicht enttäuschen, da wir über die Jahre wirklich gute Freunde geworden sind und sie eine steile Karriere hingelegt hat. Aber w...