Kapitel 10

859 62 9
                                    

Denise

Meine Niedergeschlagenheit verwandelte sich schnell in Wut und da fast niemand mehr am Wasser war, ging ich zu dem Steg, der ungefähr fünf Meter weit in den See reichte. Ich sammelte ein paar flache Steine und sprang dann auf den Steg. Dieser wackelte heftig und drohte umzukippen. Ich hatte nicht gesehen, dass er tatsächlich auf dem Wasser schwamm und nicht wie gedacht mit Stelzen am Boden des Sees befestigt war. Durch Gewichtsverlagerung schaffte ich es, den Steg vorm Kentern zu bewahren. Dann hockte ich mich an die Kante und versuchte, einen meiner Steine flitschen zu lassen. Der erste Wurf war erbärmlich und der Stein versank sofort im Wasser. Der zweite hüpfte immerhin schon drei mal und der dritte schaffte sogar sechs Sprünge, bevor er unterging.

Ich wollte gerade den vierten werfen als der Steg anfing, fürchterlich zu wackeln. Ich schaute mich um und entdeckte zu meiner Überraschung Kaitlyn, die auf mich zu gestolpert kam. Desto mehr sie schwankte, desto mehr wackelte auch der Steg. Das Wasser schwappte hoch und machte meine Füße nass. "Was willst du hier?", fragte ich und konzentrierte mich wieder auf den Stein. "Also Tommy hab ich erzählt, dass ich mich bei dir entschuldige, weil ich dich vorhin so angeschrien habe."
"Und was willst du wirklich?"
"Weißt du, du hast das hier nicht verdient, aber du willst mir meinen Tommy wegnehmen und das kann ich nicht zulassen. Du bist eigentlich gar nicht so übel aber diese Tatsache ändert alles." Ich drehte mich zu ihr um. "Weißt du was? Ich will ihn gar nicht mehr. Du kannst ihn haben." Jetzt schaute sie mich entsetzt an. Sie hatte wohl mit allem gerechnet, aber nicht damit. "Deine Blicke sagen etwas anderes"
"Mir doch egal, was meine Blicke sagen. Ich weiß, was ich fühle. Und ich fühle, dass ich keinen haben will, der mit sowas wie dir zufrieden ist." "Eigentlich bin ich nicht so. Aber nie will jemand etwas mit mir zu tun haben und ich weiß nicht warum. Thomas war der Erste seit langem, der sich mal für mich interessiert hat und mich nicht von vornherein ignoriert hat. Und jetzt muss ich ihn dazu kriegen, bei mir zu bleiben. Und das krieg ich nur hin, indem ich Leute manipuliere und jede Menge trickse."
Ich glaubte nicht, was ich da gerade gehört hatte. So wie sie gerade redete, klang sie wirklich nett und wirkte in keinster Weise zickig. "Versuchs mal mit der Wahrheit. Sag ihm, was du für ihn empfindest oder zeig es ihm. Denn so, wie du jetzt bist, könnte ich dich sogar mögen" Das war die Wahrheit. Ihre Augen leuchteten. "Oh ja, das mach ich. Danke. Und ich geb mir Mühe, was dich betrifft. In Ordnung?" Ich nickte nur und hoffte, dass sie es tatsächlich ernst meinte.

"Oh Vorsicht!", rief ich, doch es war schon zu spät. Sie war auf dem nassen Holz des Stegs ausgerutscht und laut kreischend im Wasser gelandet. Ich kniete mich hin und beugte mich vor, um sie heraus zu ziehen. Die anderen hatten das Spektakel schon mitbekommen und waren zum Ufer gekommen. Als sie endlich keuchend auf dem Steg lag, sah sie mich durchdringend an, weshalb ich mich zu ihr kniete. "Das war ja jetzt total peinlich", sagte sie und grinste. Ich grinste auch, weil es ihr nichts auszumachen schien. Doch da hatte ich die Rechnung ohne sie gemacht. Sie fing sofort wieder an, rumzuschreien. "Was grinst du denn jetzt so blöd? Das war doch Absicht! Du hast mich geschubst, du miese Schlange!" Das hatten die anderen gehört und fingen an, darüber zu diskutieren. So wie es klang, war dabei aber die Mehrheit auf meiner Seite. Doch was half mir das, wenn er auf ihrer Seite war? Und das war er offensichtlich, denn er kam zu uns und zog sie hoch. Der Blick, den er mir dabei zuwarf, hätte locker eine ganze Armee töten können. Arm in Arm gingen die beiden zu dem Platz, an dem sie vorher gesessen hatten, nahmen ihre Sachen und verlagerten sie in die Sonne, damit ihr nicht kalt wurde. Unser Lehrer hatte dann auch schon mal etwas gemerkt und kam schnaufend angelaufen. Nicht, weil er sauer war, sondern weil er echt verdammt fett war. Ich fragte mich, wie er die Wanderung hatte überleben können.

"Was ist hier los?", fragte er völlig außer Atem. "Denise hat die blöde Tusse ins Wasser geschmissen", sagte jemand. "Hab ich nicht!", verteidigte ich mich. "Das hat sie aber gesagt!", antwortete jemand anderes. "Was auch immer passiert ist, sie hat es nicht anders verdient", das war Will. "Genau.", bekräftigten Dylan und Jenny. Ein paar andere nicken. "Ist ja auch egal. Es ist immerhin warm genug und eine Grippe hat noch keinem geschadet"
"Wenn sie dann wenigstens die Klappe hält, haben wir alle was davon"
Der Lehrer nickte und schüttelte zugleich den Kopf. "Juckt mich auch eigentlich nicht. Es sind eure Probleme und ihr seid alt genug, sie selbst zu lösen" Mit diesen Worten ging er davon und ließ uns alleine dort stehen.

Bitte, ThomasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt