Ein Tauschgeschäft

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„Es scheint mir nicht allzu viele Möglichkeiten zu geben", erwiderte Silas und bemühte sich, seine Worte teilnahmslos klingen zu lassen. Er würde also nicht durch die Hand eines römischen Hilfssoldaten, sondern durch die Hand des Mannes sterben, der der Vater seines besten Freundes war.

„Ich würde euch gerne etwas sagen", setzte er so klar und deutlich, wie er nur konnte, fort. „Ihr widert mich an, Schlomo ben Ahitub." Dabei setzte er all seine Kraft ein, um sich trotz der bleiernen Müdigkeit aufzurichten, seinem Körper den quälenden Fesseln zum Trotz zumindest eine kleine Ahnung von Würde zu verleihen. In seinem Inneren tobten der Zorn und die Angst. Blutverschmiert und schmutzig, in zerfetzten Kleidern, kaum genug, seine Scham zu bedecken, war er der Willkür des Alten ausgeliefert. Schlomo kam nun auf ihn zu.

„Weißt du, was dein Problem ist, Silas?" Silas schwieg. „Du hast in deinem Leben zu wenig Prügel bekommen." Schlomo wartete einen Augenblick, dann setzte er mit einem selbstgefälligen Lächeln hinzu: „Aber das wird sich jetzt ändern."

Die letzten Worte versetzten Silas einen kleinen, scharfen Stich in der schmerzenden Brust. Er würde ihn also nicht einfach töten. Aber was hatte er vor? Silas war ein Gefangener der Römer, ein Rebell, und Schlomo war ein angesehener jüdischer Oberpriester, der Verwalter des Tempelschatzes.

„Wollt ihr mich hier im Kellergemäuer der Baris vor euch knien lassen und mich wie einen kleinen Jungen züchtigen?" fragte er spöttisch. Nein, antwortete er im Stillen, das wäre zu lächerlich. Blieb nur das Seil und eine nicht ganz kleine Auswahl an Foltergeräten.

„Das ist vielleicht gar kein schlechter Vorschlag", antwortete Schlomo gönnerhaft und lachte dabei. „Aber dazu müsste ich dich erst losbinden." Es entstand eine Stille, und Silas versuchte fieberhaft an etwas Schönes zu denken, irgendeine Erinnerung, die ihm Kraft und Mut spenden könnte.

„Du bist zum Tode verurteilt", sagte Jonathans Vater endlich.

Silas schwieg. Hartnäckig richtete er seinen Blick auf das winzige Fenster, das ein Stück über seinem Kopf spärliches Licht in den Raum fallen ließ. Angestrengt starrte er in die Öffnung, als könnte er zumindest in Gedanken fort fliehen, weit weg von der verhassten Stimme, die nicht verstummen wollte.

„Die anderen haben sie in aller Eile mit dem Schwert abgeschlachtet, weil sie Angst vor weiteren Angriffen hatten. Ein blutiger, schmutziger Tod, aber zumindest schnell." Vor Silas Augen tauchten die Bilder der Kameraden auf, ihre Gesichtszüge in dem Moment, da das Schwert ihre Kehle durchschnitt, das letzte Zucken des Körpers, die Augen, wie sie jeden Ausdruck verloren. Er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen, rang mit seiner Selbstbeherrschung, nach außen aber blieb er unbeweglich und starr.

„Die stoische Ruhe, hm", spottete Schlomo, „ wie ihr Griechen sie so liebt. Aber sie wird dir schon noch vergehen, deine Ataraxia, wenn die Römer dich als Gefangenen durch die Gassen Jerusalems schleifen bis zum Ophel und dann weiter zum Hügel der Akra. Wenn sie dich auspeitschen, Silas. Du kennst die Peitsche nicht, das macht dich umso verletzlicher. Der Schmerz wird dich in einer Weise übermannen, wie du es nie für möglich gehalten hättest. Und dann am Kreuz", er hielt kurz inne. Silas hörte die Schritte des Alten. Sie waren jetzt hinter ihm. Was tat er? Wo ging er hin? Schlomo kam auf ihn zu, legte ihm eine Hand auf die Schulter. Silas fröstelte. Der Ekel füllte ihn mehr und mehr aus. 

„Am Kreuz, Silas", fuhr Schlomo nun leise fort und seufzte zynisch, „wirst du langsam und qualvoll sterben. Du bist jung und dein Körper wird sich aufbäumen in einem sinnlosen Todeskampf. Denk an deine Mutter, sie wird zusehen. Denk an ihre Verzweiflung, an die Schande. Du bist ihr einziger Sohn, das einzige, was ihr von deinem Vater geblieben ist."

Priester und KönigeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt