Eine verheiratete Frau

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Später erst, als die Mädchen damit beschäftigt waren, mit dem Gürtel die Tunika auf eine Weise zu fixieren, dass der Faltenwurf in regelmäßigen Linien von der Hüfte zum Saum verlief, bemerkte sie, wie schnell ihr Herz schlug. Das Gespräch mit Eleazar hatte sie Kraft gekostet. Ob es die Fremde zwischen ihnen war oder ihre eigene Anspannung, ihre Unzufriedenheit, ihre Ohnmacht, die Angst, der Wunsch stark zu erscheinen, sie wusste es nicht. Doch sie wusste, dass sie sich keine Müdigkeit leisten konnte. Der erste Moment ist entscheidend, sagte sie sich und dachte dabei an den alten Stallknecht ihres Vaters, dem sie und Jonathan Nachmittage lang zugehört hatten, wenn er über Pferde und Kamele sprach. Wie du dich dem Pferd näherst, hatte er ihnen erklärt, dieser eine kleine Augenblick, entscheidet darüber, wer von euch in Zukunft das Sagen haben wird. Tabitha seufzte. Der Gedanke an Jonathan hatte ihr Herz noch schwerer gemacht.

„Ist es so recht, Herrin?" hörte sie die feine Stimme von Martha, der älteren ihrer beiden Dienerinnen. Tabithas Schweigsamkeit verunsicherte sie.

„Es ist gut." Sie nickte. Wie viele Augenblicke mochten es zwischen zwei Menschen sein, die zählten, fragte sie sich. Und natürlich würde Eleazar sich ihr nicht unterordnen. Im besten Fall konnte sie ihn dazu bringen, dass er über sie nicht in derselben Weise verfügen würde wie über seine Güter, sein Vieh und seine Sklaven.

„Wie dürfen wir euer Haar kämmen", erkundigte sich Martha. „Wollt ihr die gleiche Frisur wie beim Sukkot-Fest?"

„Aber, nein", entfuhr es Tabitha, zu heftig, und so fügte sie gleich erklärend hinzu. „Zu verspielt. Ich will doch keinen Knaben mehr gefallen. Ich bin eine verheiratete Frau." Die Ironie in ihrer Stimme brachte die Mädchen zum Kichern und auch Tabitha musste lächeln. Die beiden Dienerinnen waren zwar ein paar Jahre älter als sie selbst, aber sie waren ihr dennoch stets zwei gute Freundinnen gewesen, stille Helferinnen, die ihr nicht nur Bewunderung und Ergebenheit, sondern mehr als alles Verbundenheit entgegenbrachten. Doch hier im Haus des Eleazars schienen ihr sogar Martha und ihre Schwester Miriam fremd.

„Legt mein Haar so, dass ich älter wirke", sagte sie schließlich. Dann folgte sie Martha ein paar Schritte zu einem kleinen Tischchen mit Kämmen, Bändern, Spangen und Haarnadeln. Tabitha setzte sich und ihre Dienerinnen begannen ihr Werk. Mit wenigen Handgriffen hatten sie das lange schwarze Haar ihrer Herrin in einen festen, tief sitzenden Knoten gebunden. Dann verteilte Martha etwas Kokosöl in ihren Händen und strich damit die streng zurückgekämmten Haare glatt. Kein Strähnchen, nur Ordnung, dachte Tabitha und beobachtete unterdessen in einem kleinen Silberspiegel, wie Martha einen Schatten von dunklem Puder auf ihre Nase, die Schläfen und die Wangenknochen auftrug. Sie hatte die Konturen hart gezeichnet und zum Haaransatz hin allmählich verblendet. Mit jedem Pinselstrich der Dienerin war es Tabitha, als würde die Frau, die ihr entgegen blickte, um Monate, um Jahre vielleicht sogar altern. Schließlich waren sie alle drei zufrieden und Tabitha ließ Meschach, Eleazars Chaphschi, kommen, damit er sie durch das Anwesen führen konnte.

Während sie sich von ihm das Herrenhaus, die Vorratskammern, die Hütten der Dienerschaft und die Stallungen zeigen ließ, überlegte sie, was es zu verbessern gab, wo Kosten verringert und Arbeitsgänge eingespart werden konnten. Sie dachte dabei an ein Gespräch, das sie mit ihrer Mutter vor der Hochzeit geführt hatte, und an deren Rat, sich für Eleazar unverzichtbar zu machen. Allerdings schien der Haushalt dafür nicht das geeignete Betätigungsfeld zu sein. Denn zu Tabithas Überraschung war das prunkvolle Anwesen bestens organisiert und trotz dem Glanz, in dem Eleazar seinen Reichtum präsentierte, stieß sie kaum auf Verschwendung. Sie ordnete also ein paar geringfügige Veränderungen an, ließ sich von Meschach berichten, welche Waren er am Markt zu erwerben vorhatte, und von den Köchinnen erzählen, welche Speisen sie für die Gäste, die Eleazar am Abend erwartete, zubereiten wollten.

Am Nachmittag widmete Tabitha sich Dan und seinem Torah-Studium und nützte schließlich das warme Licht der untergehenden Sonne, um sich von Martha und Miriam für das Festmahl ankleiden zu lassen. Als sie kurz darauf im Atrium ihrem Ehemann gegenüber trat, stellte sie zufrieden fest, dass er ihr verändertes Aussehen mit einer gewissen Überraschung zur Kenntnis nahm. Auch Eleazar hatte sich offensichtlich Mühe mit seinem Äußeren gegeben, aufrecht und stolz stand er vor ihr, die Farben der Edelsteine, die seine Armreifen zierten, waren mit dem Garn abgestimmt, mit dem die Bordüren seiner Tunika bestickt waren.

„Ihr erwartet wichtige Gäste", stellte Tabitha fest.

„Einen wichtigen Gast, meine Liebe", erwiderte Eleazar trocken, „und eine ganze Reihe unbedeutender Schmeichler."

„Dann verspricht es ja ein großartiger Abend zu werden", antwortete Tabitha ungerührt und Eleazar lachte sein kurzes süffisantes Lachen. Dann hielt er ihr einladend den Arm hin und sie gingen Seite an Seite wie in einem stillen Einverständnis in Richtung des Eingangstores.

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