Wie ein Fels in der Brandung

42 4 108
                                    

[SPOILER Bella Ciao - Aw0nderfulw0rld]

WIE zu einer Salzsäule erstarrt stand ich da. Die Passanten, welche sich gehetzt an mir vorbeischoben oder händchenhaltend durch die Gegend flanierten, schienen mich gar nicht zu bemerken. Für sie war ich nur eine von vielen hunderten Menschen in dieser Stadt, an diesem Ort.
Ich hatte nichts an mir, was ihre Aufmerksamkeit auf mich zog, nein.

Ich verschmolz praktisch mit der Umgebung.

Eins mit der Natur, das war ich.
Vielleicht war ich dieser wörtlich genommenen Form des Sprichwortes gerade in diesem Augenblick näher als irgendwer sonst auf dieser Welt.

Der salzige, unverkennbare Geschmack des Meeres, der mir durch eine frische Brise ins Gesicht geweht wurde und meine Haare aufbauschte, breitete sich auf meiner Zunge aus, während das kühle Wasser meine Knöchel umspielte und an den hochgekrempelten Enden meiner Jeans leckte.
Ich riss meine spröden Lippen auf, um etwas Sauerstoff in meine Lungenflügel zu saugen. Und obwohl mein Verstand mir zuflüsterte, dass ich bereits genug des überlebenswichtigen Gasgemisches in meinem Körper hatte, konnte ich doch nicht aufhören immer wieder und immer hektischer Atem zu holen.

Die kleinen Wogen und der körnige Sand unter meinen Füßen, ebenso wie der Wind erinnerten mich an längst vergangene Zeiten. Und so sehr ich auch den Sturm in meinem Inneren niederringen wollte, war ich dennoch nicht stark genug um die Rückblenden an ein Leben voller Sonnenschein erinnerten und unweigerlich mit einem tiefgründigen Schmerz verkoppelt waren, von der Oberfläche fernzuhalten.

Erbarmungslos riss die Flut mich von der Realität los und zerrte mich gewaltsam in die Untiefen meines Gedächtnisses.

Meer.

Solange der Blick reichte, sah ich nur das glitzernde, funkelnde Wasser.

Felsen aus rosafarbenen Granit spalteten das Wasser, welches mit solch einer Wucht gegen die Küste krachte, dass der weiße Schaum Meter hoch in die Luft spritzte.

Die raue Oberfläche der Muscheln, dessen Gewicht schwer in meinen Händen lastete, rieb mir die Haut auf, aber dennoch war ich nicht gewillt diese Schätze aufzugeben.

Ich riss meinen Blick von dem Schauspiel des Wassers los und betrachtete mit einer aufkeimenden Freude den großen Leuchtturm, welcher in nicht allzu weiter Entfernung majestätisch auf den granitartigen Gestein thronte.

Der Leuchtturm von Ploumanac'h.
Er schmückte die Côte de Granit Rose wie ein Juwel es bei einer Kette tat.

»Emilia, warte!«

Die Rufe meiner Eltern ließen mich herumfahren. Sie hingen ein gutes Stück hinter mir her. In seinen starken Armen hielt mein Vater Lilith, die sich den Fuß bei einem mehr oder weniger waghalsigen Manöver, über einen Haufen Steine zu balancieren, verstaucht hatte.
Ich hatte mich damit zufriedengeben, die Muscheln, welche an das Ufer geschwemmt wurden, zu sammeln und das abenteuerliche Klettern direkt sein gelassen. Ich kannte meine Grenzen.

»Emilia!«, rief meine Mutter nun so laut, dass ihr Echo an den steinigen Küsten widerhallte.

Irritiert blieb ich stehen und hob meine Hände in die Luft, um sie auf mich aufmerksam zu machen. »Ich bin hier!«, brüllte ich zurück, doch abermals schienen sie keine Notiz von mir zu nehmen und schrien verzweifelt weiter meinen Namen.

Panik erfasste mich, fraß sich tief, sehr tief, in mein Fleisch herein und ließ meine Knochen butterweich werden.
Warum sehen sie mich denn nicht?
Was stimmt nicht mit mir?

Goldene Erinnerungen | LCDPWo Geschichten leben. Entdecke jetzt