Es war wieder einer dieser Tage an denen die ganze Welt dir vermitteln will, dass du nur mit einem Partner glücklich bist. Das alle Menschen auf Wolke 7 leben und die Welt rosarot ist. Kriege und Kämpfe? Nein, das gibt es nicht. Nur Liebe und Glück. Keine einsamen Menschen. Männer die Frauen Blumen schenken. Frauen die das Lieblingsgericht der Männer kochen. Läden, die Pralinen nur noch in Herzformen verkaufen. Restaurants die aus allen Nähten platzen. Lautes Lachen und neckendes Turteln. Eine heile Welt.
Ein Theater bei welchem nach 24 Stunden die Vorhänge fallen und die Protagonisten ihre Masken ablegen. Ein Stück in dem nach 24 Stunden der Alltag wieder einkehrt. Ein Zwang, den man mitmachte. Besteht eine Beziehung daraus, ein Tag im Jahr nach der Arbeit panisch in einen Laden zu rennen und den nächst besten Blumenstrauß zu kaufen? Ist Liebe sich ein Tag im Jahr zu vertragen und zu Spielen wie das perfekte Leben sein könnte? Den Anderen zwanghaft zu vermitteln wie glücklich man doch sei, dabei brodelte es unter der Oberfläche. Eine große Lüge die uns besser fühlen lässt...für einen Tag.
Mit meinem Strawberrycream stand ich unter einem Baum auf der La Ramblas. Während ich an meinem Strohalm saugte beobachtete ich das Treiben. Paar die manches Mal übertrieben Kicherten, Männer die in die Geschäfte hetzten, Frauen die mit kleinen Geschenken durch die Gegend liefen und immer wieder die kleinen Schachteln begutachteten und sich fragten, ob eine Uhr den das Richtig war. Es gab all diese Menschen, die sich heute so gleichten.
Und dann gab es mich.
Amilie, 22 und Single. Die gefühlt Einzige die am heutigen Tag ohne Partner war. Aber ich hatte etwas weitaus besseres. Ich hatte Fernando. Einen Freund, mit dem ich schon den Kindergarten unsicher machte und ein ganzes Sandkastendorf baute. Einen Mann auf den ich mich wirklich verlassen konnte und dessen Tür mir immer offen stand. Einer mit dem ich schon durch Höhen und Tiefen ging, der mich auffing, wenn mich einer der Kerle wieder einmal sitzen lies. Ein Mann, der zwar nicht gerne shoppte, aber mir zu liebe den Packesel spielten, wenn mich eine meiner „Freundinnen" wieder mal hängengelassen hatte. Einer für den ich immer die Prinzessin war, egal was passiert war. Einer der mehr wert war, als jeder andere Kerl auf der Welt. Weil er ehrlich war.
„Regst du dich schon wieder über die Heucheleien der Menschheit auf?", hörte ich hinter mir jemanden Lachen. Ich begann zu Grinsen. Nur einer musste jedes Jahr mein Gebruddel über die Lügen der Feiertage ertragen. „Gewisse Dinge sollte man eben nicht immer nur ein Tag im Jahr wertschätzen", drehte ich mich lächelnd um. Fernando grinste mich an und hielt die Hände hinter dem Rücken versteckt. „Ich hab was für dich. Weil es dieses Jahr wieder nicht mit einem Typen geklappt hat.", lächelte er aufmunternd und holte eine weiße Rose und ein kleine Schachtel Pralinen hervor. Diese waren jedoch nicht in einer Herzchefschatulle sonder hatten die Form von Blumen. Im Sonnenlicht leuchteten seine Augen kräftig und sahen aus wie flüssige Schokolade. „Danke, das ist echt lieb von dir.", überrascht aber entzückt nahm ich seine Mitbringsel entgegen. „Na super. Und ich steh jetzt hier mit leeren Händen. Geb's zu, du wolltest mich demütigen!", warf ich ihm lachend vor und begann langsam los zu schlendern. „Klar, nur deswegen bin ich extra heute morgen der Erste gewesen im Blumenladen. Nur um dich bloßzustellen steh ich um 7 Uhr auf." witzelte er ironisch. „Ich brauch jetzt ein Eis."- „Um dein erhitztes Antivalentinstaggemüt wieder abzukühlen?"- „Du bist ganz schön scheiße. Weißt du das?" Ein spitzbübisches Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab und schließlich legte er seinen Arm um meine Schulter: „Du stehst doch drauf. Sonst würdest du mir nicht seit 19 Jahren nachrennen." Ein verächtliches Schnauben. „Nachrennen? Wovon träumst du bitte nachts?"- „Nicht von dir.", lachte er worauf ich ihn böse ansah: „Dafür schuldest du mir jetzt ein Kugel!"- „Nur eine Kugel? Das bekomm' ich gerade noch hin."
Kleine Sticheleien gab es zwischen uns immer. Das war wie unter Geschwistern. Aber wenn es drauf ankam, war er da. Manchmal trennen uns hunderte von Kilometern, aber ich konnte in jeder Zeit anrufen. Und trotz all dem Rummel um seine Person, war er sich selbst treu geblieben. Er war immer noch der kleine Junge aus Fuenlabrada.
Die Zeit war verstrichen und der Mond stand schon am Himmel. Keine Ahnung wie spät es war, aber als wir das Eiskaffee verließen, musste ich mir meine Jeansjacke anziehen. Der kühle Wind ließ den warmen Tag schon fast irreal erscheinen. „Am?", versuchte er etwas leise meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich mochte es wenn er mich so nannte. Es klang englisch und irgendwie anders. Es hob sich ab von den Anderen und machte mich zu was besonderem. Zu was besonderem für ihn. „Kann ich dir was zeigen? Dazu müssten wir aber noch ein Stückchen laufen." Was ist der den plötzlich so still? „Klar. Ich hab nichts vor." Er nickte kurz worauf er sein Handy nahm und eine Nummer wählte: „David? Wir kommen." Dann legte er wieder auf. „Wir gehen zu David?" Mir war klar das es sich nur um David Villa handeln konnte. Er zählte neben Sergio zu Fernandos engsten Vertrauten und wohnte passenderweise in Barcelona. „Nein...nicht ganz. Er soll mir nur ein Gefallen tun.", lächelt er mich etwas unsicher an. „Ach so." Geht es um Cloey? Er hatte mir von ihr erzählt. Sie wohnt in London und er ist ihr in einem Kaffee begegnet. Soll ich ihn fragen? Er sagte nur, dass er sie nett fand und normal würde er mir sagen wenn da was wäre.
Wir schwiegen, bis wir den Hafen erreicht hatten. Was wollte er hier? Immer noch sagte er kein Wort. „Wärst du mir sauer wenn sich etwas ändern würde?" fragte er schließlich leise bedrückt. „Wie meinst du das? Was wird sich ändern?" Ich warf ihm verwirrte Blicke zu, doch es kam keine Antwort mehr. Schweigsam sah er wieder zu Boden und tat, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden. Wir liefen auf einen riesigen Fels zu, der das schöne Bild des Strandes unterbrach und an eine Bucht erinnerte. Eine Person saß am Boden, man erkannte den Schatten da er nah an einem Feuer saß. Der Statur nach ein Mann. Wollten wir zu ihm? „Ich wäre nicht sauer. Ich will dich nur nicht verlieren.", sagte ich leise, weil ich wusste das er es brauchte. Viele wussten es vielleicht nicht, aber unter der lustigen Fassade steckte ein sensibler Kern.
Als die Person in der Ferne uns sah, stand sie auf. Um so näher wir der Stelle kamen um so besser konnte ich den Mann entdecken. Es war David. Und das am Boden war kein Lagerfeuer sondern viele kleine Kerzen die ein Herz darstellten. In der Mitte des Herzes lagen eine rote Rose, nicht gerade, sondern etwas schräg. Fassungslos starrte ich das Herz an. Mir fiel förmlich die Kinnlade runter ehe mein Blick von David zu Fernando und wieder zurück zu David schwankte. „Du?", fragte ich unglaubwürdig, „Aber..." Sollte das wirklich sein? David Villa? Er sagte nichts, lächelte nur süß und schüttelte etwas den Kopf. Er nickte etwas mit dem Kopf zu Fernando und sah ihn dann einfach nur an mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Mein Freund war währenddessen immer nervöser geworden. Erst jetzt bewegte er sich wieder. Zögernd, aber zärtlich nahm er mir mein Rose aus der Hand und legte sie zu der Anderen, so dass sie sich überkreuzten. Ich musste mehrmals blinzeln ehe ich es verstand. David lachte leise etwas, ehe er an Fernando vorbeilief und ihm dabei auf die Schulter klopfte. Dann waren wir allein.
Es geschah nichts. Beide starrten wir die Kerzen an und beobachteten wie die Flammen im Wind tanzten. Wie sie immer wieder von Walzer in den Tango wechselten und wieder zurück. „Fernando?", fragte ich ängstlich. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich hatte Angst. Klar, fühlte ich mich bei ihm wohl. Ich vertraute ihm blind. Ja, vielleicht liebte ich ihn, aber ich hatte es verdrängt. Er war mir zu wichtig um alles wegen so was kaputt zu machen. Er war doch immer der Einzige gewesen, der immer bei mir war und zu mir hielt. Er war mein Sandkastenfreud. Er war der, den ich als erstes küsste, weil wir uns geschworen hatten unseren ersten Kuss mit jemandem ganz besonderes zu haben. Hatte es da schon angefangen? War das schon der Fehler? Aber wir waren doch noch so jung. Klar schwört man sich als Kinder, dass man irgendwann mal heiratet, aber wir waren doch Kinder. Das nimmt doch niemand ernst. Wir hatten doch beide unsere Partner. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Glück. Davon abgesehen wohnt er doch 1000 km weit weg. Und ich vermisste ihn doch jetzt schon immer schrecklich.
Ein ängstliches „Fernando", mehr hatten wir uns nicht zu sagen? Ich musste mit den Tränen kämpfen. Ich wollte ihm nicht die Schuld dafür geben, aber er war Schuld! Wieso hat er es nicht einfach für sich behalten? Wieso hat er nicht einfach geschwiegen und wir hätten so weiter gemacht wie zuvor. Es wäre alles gleich geblieben. Nein stattdessen macht es kaputt! Ich wusste nicht ob es Wuttränen waren oder ob mich meine Gefühle einfach überrannten. Wieso hatte er nicht einfach die Klappe gehalten und über seine Gefühle geschwiegen? So wie ich es die ganze Zeit getan hatte. Dachte er, dass es mir leicht fiel? Hatte er nicht bemerkt wie schwer es mir am Anfang fiel. Wie ich mich die ersten Monate in jede Beziehung schmiss um mich abzulenken. Ich dachte doch ich sei darüber hinweg. „Wieso?", fragte ich leise mit feuchten Augen und sah ihn an. Er schluckte schwer und auch ihm fiel es nicht leicht. Verzweifelt schüttelte er etwas den Kopf und zuckte etwas mit den Schultern ehe er sie hängen ließ. Und jetzt? Ja es war süß. Ich dachte immer auf solchen Kitsch stehe ich nicht. Vielleicht hatte ich es mir aber nur eingeredet um niemanden an mich ran zu lassen. Gerührt sah ich erneut zum Herz, ehe ich in die Sterne sah und die Luft anhielt um nicht zu weinen. Wie sollte es jetzt weiter gehen? Würde es alles kaputt machen? Was ist wenn wir uns eines Tages nicht mehr lieben? Wenn einer einen Fehler macht? Ist unsere Freundschaft dann auch kaputt? Dann bin ich alleine. Ich presste die Augen fest zusammen. „Es tut mir Leid.", hörte ich ihn leise sagen. Er hatte die ganze Zeit nichts gesprochen, weshalb ich zusammenzuckte. Anschließend öffnete ich die Augen. Immer noch stand er vor mir. Zögerlich bewegte er eine Hand in Richtung meines Gesichtes. Sie kam immer näher, aber ich hatte nicht das Bedürfnis ihr zu entfliehen. Obwohl ich wusste, dass die Berührung diesmal nicht freundschaftlich gemeint war. Als seine Hand sanft an meiner Wange ruhte lehnte ich meinen Kopf etwas gegen sie. Seine zweite Hand folgte und ehe ich mich versah, folgte sein Gesicht. Es war fast etwas zerbrechlich und näherte sich nur vorsichtig Stück für Stück. Ich hätte es jeder Zeit stoppen können...wenn ich gewollt hätte. Seine Nase berührt bereits meine, als er inne hielt. Seine Augen war sicherlich geschlossen wie meine, als er leise hauchte: „Te quiero, Amilie." Und dann war es so weit. Seine Hände hoben meinen Kopf etwas an, ehe seine Lippen meine zärtlich versiegelten. Anfangs waren seine Küsse schüchtern, aber als er merkte, dass ich mich nicht dagegen sträubte wurde er etwas selbstsicherer. Eine seiner Hände wanderte etwas in meinen Nacken, während er kurz an meiner Unterlippe knabberte und schließlich legte er seinen Kopf langsam etwas schräg. Eine stumme Bitte folgte, als seine Zunge sanft über meine Lippen fuhr. Bereitwillig öffnete ich meinen Mund. Ich wollte ihn. Ich wollte ihn mehr als je zuvor an meiner Seite und ich wollte nicht mehr ihm dabei helfen seine Angebetete zu erobern. Ich wollte die Angebetete sein. Seine Angebetete.
Unsere Zungen berührten sich und es traf mich wie ein Blitz. Wie ein Kälteschauer, der mein Körper durchzuckte und eine Gänsehaut als Andenken hinterließ. Ich weiß nicht was es war, aber ein Geräusch der Erleichterung und des Verlangens verließ meine Kehle. Ich legte fast schon automatisch eine Hand auf seine Brust, aber nicht wie er vermutete um ihn weg zudrücken, wie er mir an seinem zurückweichen verdeutlichte. Ich wollte sein Herz schlagen spüren und es raste. Ich nahm die Stelle seines Oberteiles fest in meine Hand. Er sollte bleiben. Er sollte nicht aufhören.(104.04.2013)
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Valentine's day (OS)
Short StoryWie oft gehen wir manche Szenen im Kopf durch und sind am Ende doch überfordert wenn es so weit ist? Wie oft versuchen wir den Anderen zu beweisen, dass Freundschaft zwischen Mann und Frau funktioniert? Wie oft spielen wir Gefühle vor oder verstecke...