CHAPTER 4

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Mein Blick war auf die schwarze Geldbörse trainiert. Ich blickte nur weg, wenn ich an meinem Bier nippte, Augenlider schwer von der Schicht, die ich gerade im Diner geschoben hatte.

Sie lag dort schon gestern und vorgestern.
Ich traute mich nicht, sie anzurühren, wegbringen hätte aber genauso wenig Sinn. Die Bullen würden etwas in die Richtung von »Wir tun unser bestes, den Besitzer zu finden« sagen, bevor sie das Geld in ihre Hosentasche stopften. Korrupte Ärsche.

Nach der halben Dose hatte ich mir mein Gewissen reingeredet. Was könnte schon passieren? Ein Blick würde nicht schaden.

Ich tauschte das Bier also gegen das teure Leder. Schon, als ich sie zum ersten Mal gehalten habe, wusste ich, dass es keiner der billigen Lappen war, die ich mein Leben lang kannte. Weshalb sollte man auch Geld für eine Börse ausgeben, wenn sie kaum Scheine sehen würde?

Ich war deswegen auch wenig überrascht vom Innenleben. Eine American Express reihte sich an die andere. Schwarz. Schwarz. Platinum. Gold.
Ich fischte seinen Ausweis heraus. Park Jimin. Er war drei Jahre älter als ich.

Aus reinem Interesse sah ich nach, wie viel Bares der Mann bei sich trug, zählte sie angespannt durch. Meine Finger verkrampften sich um die Dollarnoten.
Ein giftiges Gefühl kämpfte sich meinen Hals hoch.
Das Geld würde für diese und nächste Miete reichen.

Ich hasste mich dafür, dass ich es überhaupt in Erwägung zog.
Ich hasste mich dafür, dass ich diesen Mann beneidete, um all das, was er erreicht oder geerbt hatte, es machte keinen Unterschied.

Denn ich wusste, dass ich nicht einmal einen Bruchteil davon haben würde. Selbst in zehn Jahren würde ich von Monat zu Monat in diesem Loch leben, das ich mein Zuhause nannte.

Mit knirschenden Zähnen stopfte ich das Geld wieder zurück und warf die Börse auf den Tisch. Wenn ich jetzt stahl, würde ich das letzte Bisschen Respekt vor mir selber verlieren.

Ich zuckte zusammen, als mein Handy klingelte. Ich fühlte mich ertappt, entblößt, als hätte jemand geahnt, was ich gerade dachte.

»Jen, ich will nicht feiern gehen. Der Tag war hart-«

»Er hat nach dir gefragt!«, quietschte die Schwarzhaarige am anderen Ende, pulsierende Diskomusik mischte sich unter ihre Stimme.
»Er kam gerade an die Bar und hat nach dir gefragt!«

Einige Augenblicke schwieg ich. Ich brachte nicht zu fragen, um zu wissen, von wem sie sprach.

»Und?«

»Was, und? Schlepp deinen Arsch her, bevor du deine Gelegenheit verpasst.«

Ich ließ den Kopf in den Nacken fallen und rieb mir über die Augen. Ich wollte sie nicht wissen lassen, wie hart der Tag tatsächlich war. Wie schlaflos die letzte Nacht war, wie satt ich mein Leben hatte.

»Ich- Ich kann nicht. Ich habe noch zu tun.«

»Einen Dreck hast du zu tun. Es ist Freitagabend.«

»Jen-«

»Jeon Jungkook. Du hast deine Fünfziger, um Freitagabende Zuhause zu verbringen. Ich erwarte dich in einer halben Stunde hier, sonst solltest du Acht darauf geben, dass du die Tür heute Nacht absperrst.«

Sie legte ohne ein weiteres Wort auf und ließ mich der Stille meines Apartments ausgeliefert.
Noch einen Moment haderte ich mit mir, griff dann nach dem Portmonee. Wenn ich noch länger mit dem Stapel Geld in meiner Wohnung aushalten müsste, würde ich wahrscheinlich durchdrehen.

-

Popmusik vibrierte durch die Wände vom Heaven's Break. Es war so voll wie sonst nie und gleich bereute ich meine Entscheidung, nachgegeben zu haben. Ich hasste Menschenmassen schon seit ich klein war.

BROOKLYN BOY | 𝑗𝑖𝑘𝑜𝑜𝑘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt