2. Wer pflanzt einen Baum im Eingangsbereich?

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Der kleine Umweg hatte etwas länger gedauert als erwartet, aber schließlich endeten sie an dem richtigen Ort. Er lag mitten in der Altstadt. Nicht verwunderlich, denn bei der Adresse handelte es sich um ein Stadthaus, das wohl seit dem Mittelalter dastand.

Livia musterte das Haus, während Minh die Klingel betätigte. Es war schwer zu sagen, ob sie es mit der Hexen-Ästhetik übertrieben hatten, oder ob das Haus wirklich so aussah. Es wirkte schmal und eng mit kleinen, doppelverglasten Fenstern und mit Efeu überwachsen. Zudem stand es in einer Straße, die kaum breiter war als einen Meter, es fehlte nur noch eine schwarze Katze um die Ästhetik abzurunden. Die einzigen Dinge, die nicht dazu passten, war die Klingel und die Vorhänge, die man durch das Fenster sehen konnte. Die Klingel hörte sich an, als würde man die fehlende Katze durch den Fleischwolf drehen und die Vorhänge sahen wie das Resultat davon aus.

Es waren kaum zwei Sekunden vergangen, als die Tür geöffnet wurde. Eine Frau lächelte sie breit an, sie trug eine Bluse mit einem rosa-grünen Batikmuster, das an Schrecklichkeit den Vorhängen Konkurrenz machen konnte. Das lange, blond-weiße Haar hing ihr in einem Zopf über die Schulter und an den Füßen trug sie warm aussehende Pantoffeln.

Das war dann wohl Calla, die 'Hüterin' des Hauses. Das Haus selbst war schon seit einiger Zeit nicht mehr der Sitz eines Hexenzirkels, seit sich der letzte in den 70ern aufgelöst hatte. Jedoch lebten wegen der grossen Bedeutung noch eine Handvoll Hexen und Hexer dort, um sich darum zu kümmern. Das alles hatte Calla ihnen in einem Email berichtet. Livia hatte vom diesem Haus gehört, konnte aber nichts mit dem Namen anfangen.
Die Frau erkundigte sich über ihre Reise und beschwerte sich über die Baustelle, am Ende der Gasse, bevor sie überhaupt auf die Idee kam, die beiden reinzubitten.

Livia trat hinter ihrer Freundin ins Haus, sie spürte die Magie augenblicklich. Das Erste, was ihr im Haus auffiel, war der Baum. Er war auch schwer zu übersehen. Gleich neben der Treppe spross er aus dem Boden und streckte sich mit seinen Blättern und Zweigen bis fast zum zweiten Stock.

»Wir sind wirklich dankbar, dass alles so spontan funktioniert hat«, sagte Calla zu Minh, während sie ihr aus der Jacke half.

»Das war kein Problem«, versicherte Minh ihr. »Ich war etwas verwundert über die Anfrage aber wir haben gerade Semesterferien und wollten etwas weg.«

»Eigentlich hatte uns ein Hexer bereits versprochen, das zu übernehmen aber er musste kurzfristig absagen und es kann nicht länger warten. Leider interessieren sich die heutigen Hexen nicht mehr stark für Schutzzauber und wenn sie sich spezialisieren, dann auf coole Gebiete wie Heilmagie oder Objektmagie.« Sie seufzte und Livia verdrehte die Augen. Man wurde nicht bezahlt um Hexe zu sein und Minh hat sich ihr Wissen über Schutzzauber neben ihrem Studium angeeignet. 

»Ich weiß nicht, ob euch das aufgefallen ist«, meinte sie schliesslich trocken, »aber da hat jemand ein Baum in eurem Eingangsbereich gepflanzt.«
Calla lachte warm und wandte sich zum ersten Mal an sie. »Ja, das ist der Herzbaum«, sagte sie, als wäre die Erklärung genug.

Livia und Minh warfen sich einen amüsierten Blick zu. Ihre gemeinsame Wohnung war so zugestellt mit Pflanzen, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bevor Forscher kamen, um im Dickicht nach neuen Spezies zu forschen, aber gleich einen Baum in den Boden zu pflanzen...

»Aramis kann euch eure Zimmer zeigen und dann können wir euch eine kleine Tour durch das Haus geben«, schlug Calla vor und klatschte in die Hände. Sie drehte sich suchend um.
»Wo ist Aramis jetzt hin?«, fragte sie laut, immer noch breit lächelnd. Sie gab ihnen ein Zeichen kurz zu warten und machte langsam ein paar Schritte die Treppe hoch. Livia glaubte, sie würde hochgehen, doch sie hielt an.
»ARAMIS!«, brüllte sie durch das Haus, dass Minh beinahe ihre Tasche hätte fallen lassen. Sie drehte sich wieder zu den beiden jungen Frauen. 

Das Herz der HexenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt