Sockentanz

55 2 0
                                    

Er stand an der Seite und beobachtete das Geschehen. Es war noch recht früh und außer ihm lümmelten noch ein paar andere Leute hier rum. Die meisten standen, wie er, nur am Rand.
Eine Gruppe Hippies tanzte ausgelassen in der Mitte des Raumes. Ihnen war es egal, wie die anderen sie sahen. Sie hatten ja sich. Man erkannte sie durch die weite, bunte Kleidung, den verfilzten Haaren und ihre bekifften Gesichter. Jeder war für sich eimzigartig, aber später konnte er sich nicht an ein Gesicht von ihnen erinnern.
Er schaute sich weiter um. Ein paar Nerds, die sich wahrscheinlich cool fühlten, da sie rauchten und auf einer Party waren. Wow. Wahrscheinlich haben sie sich schon lange überlegt, was sie tragen werden und wieviel Frauen sie abschleppen werden. Oder auch nicht. Er beachtete sie auch nicht weiter.
Schräg gegenüber von ihm standen drei junge Frauen, die ihn kichernd beäugten. Also tat er es ihnen gleich.
Ihre Kleidung zeigte, dass die drei krampfhaft versuchen einen auf 'Hipster' zu machen. Doch ihre Körper sprachen dagegen. Sie alle drei waren nicht die schlankesten. Die dunkelhaarige war.. nun ja, dick traf es gut. Vom Gesicht her recht hübsch, aber das war es auch. Ihre Kleidung sah auch eher teuer aus, er stufte sie sofort als Anführerin ein. Die zweite, ein gefärbtes, ausgeblichenes rot in den Haaren, hatte nur einen ziemlich breiten Hintern. Ihr Gesicht war von Aknenarben überseht und das gekünsteltes Lachen konnte er bis hier hin hören. Die blonde war.. er konnte es nicht sagen. Sie hatte das meiste Interesse an ihm, war aber auch.. irgendwas stieß ihn ab. Wie ein Kerl. Sie sah ein wenig aus wie ein Kerl. sagte seine innere Stimme zu ihm. Und sie hatte Recht. Das Mädchen war schon als solches zu erkennen, hatte aber ziemlich breite Schultern, ein Cap auf dem Kopf und viele Ohrstecker. Eine fette Nerdbrille ruhte auf ihrer runden Nase und ein paar Locken fielen in das schmale Gesicht. Sie schaute auf ihr Handy und dann wieder zu ihm. Er lächelte. Nicht weil er flirten wollte, er belächelte ihre Hoffnungen einfach. Warum sollte er sich auf so eine wie ihn einlassen?
Weiter am Rand stand ein Pärchen. Sie schienen sich leicht zu streiten. Ab und zu schaute das weißblonde Mädchen zu ihm. Sie hatte ein recht kindliches Gesicht. Meine Güte. Klar sah er gut aus. Aber vor ihrem Freund? Wieder grinste er. War echt eine gute Idee gewesen, hier her zu kommen.
Er zündete sich noch eine Zigarette an. Heute rauchte er echt am Stück. Wird er sicher demnächst auch beim joggen merken.
Er überlegte zu einem anderen Floor zu gehen, bis die Hippies ihn aufsehen ließen. Sie drehten sich zum Eingang und schrieen erfreut auf.
Und dann sah er sie zum ersten Mal. Von oben bis unten. Ausgelatschte, schmutzige Schuhe. Wunderschöne, lange Beine. Eine gemusterte kurze Hose und ein durchsichtiges Shirt. Als er in ihr Gesicht blickte, erstarrte er. Sie war blass, dass sah er ja schon an ihrem Körper, aber es war nicht hässlich. Wie gerne würde er nun über ihre Wangen streichen. Ihre milchige Haut war sicher weich. Die Lippen waren geschwungen und es zeichneten sich Grübchen ab, als sie zaghaft ihre Freunde anlächelte. Ihre Augen waren groß und wenig geschminkt. Sie war einfach.. wow. Ihre Hände strichen eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann ging sie zu ihren Freunden und tanzte mit. Und die Zeit blieb stehen. Sie setzte ihren Körper perfekt ein.
Er sah sich wieder um. Jeder schaute zu ihr. Die Nerds sabbernd, die drei Grazien wütend. Vom Pärchen schaute der Junge, das Mädchen klatschte ihm leicht eine. Aber sie darf glotzen? Mhm.
Bevor er es sich versah, hatte er sich einen Plan gemacht. Er wollte das unglaubliche Mädchen haben. Aber er musste es ruhig angehen, bevor er sie verschreckte. Auch wenn sie nicht aussah, wie ein schüchternes Mädchen. Oder doch. Ein bisschen schüchterte sie ihn ein. Ruhig.
Er stieß sich an der Wand ab, um zu gehen, ging bei ihr lang und strich unauffällig über ihren nackten Arm. Wie eine zufällige Berührung. Ihre Haut war wirklich weich.
Als er bei den Grazien langging, grinste er die Blonde an, die sofort rot wurde. Er lief weiter und verdrehte die Augen. Dumm wie Stroh.

Nachdem er seine Blase erleichtert hatte, sah er sich im großen Spiegel bei den Waschbecken an. Bei seinem Aussehen konnte er auch eitel sein. Sein braunes lockiges Haar war kunstvoll verwuschelt, die blauen Augen blitzten vergnüglich auf und weiße Zähne strahlten ihn an. Keine konnte ihm widerstehen. Er bekam immer, was er wollte.
Er strich sein weißes Shirt glatt und richtete seine schwarze Jacke. Dann ging er auf den Hauptfloor. Das Mädchen konnte warten.
Hier war viel mehr los. Menschen pressten ihre Körper aufeinander und tanzten wild. Die Musik stimmte aber nicht. Er ging zur Bar.
»Einmal Cola-Wodka bitte.« schrie er dem Barkeeper zu und schob ihm das Geld über den Tresen. Neben ihm stand die komische Blonde.
»Und das was sie will.« er zeigte mit dem Kopf auf sie.
»Dasselbe.« Gott. Er mochte ihre Stimme nicht. Ein wenig wie eine Ente und doch menschlich. Ihre grünen Augen sahen ihn nun an.
»Danke.« sagte sie ihm laut ins Ohr.
»Ich bin Julia.«
»Schön.« erwiderte er. Nicht, weil er den Namen schön fand, sondern weil es ihn gar nicht interessierte. Er lächelte ihr nochmal zu und ging dann. Hoffentlich folgte sie ihm nicht. Was sie aber tat. Er ging wieder runter in den Hippiefloor und lehnte sich wieder an die Wand, während er trinkend das Geschehen beobachtete. Neben ihn stellte sich Julia hin und quatschte auf ihn ein. Ab und zu antwortete er, doch später konnte er sich nicht mehr erinnern, worüber das Gespräch ging. Er beobachtete lieber die Tanzenden.
Inzwischen wurde es voller. Das Mädchen, sein Mädchen, tanzte noch immer. Sie schien in ihrer eigenen Welt verschwunden zu sein. Irgendwann kam sie auf ihn zu, ohne ihn zu sehen. Sie nahm aus ihrer kleinen Tasche ihren Tabak und drehte sich eine Zigarette, während sie neben ihm an der Wand lehnte. Eigentlich roch es hier nur nach Qualm und billigem Parfum, er jedoch roch sie sofort. Sie hatte einen leichten Duft. Nicht aufdringlich, jedoch genug um in Erinnerung zu bleiben.
Ihre Finger bewegten sich geschickt um das Paper. Julia neben ihn räusperte sich laut. Ihm war das egal.
Das Mädchen steckte ihr Drehzeug weg und suchte nun..
»Brauchst du Feuer?« bot er ihr an. Nun schaute sie ihm erst richtig in die Augen, nahm ihn war. Ihre Augen waren grau. Wie Nebel. Nur heller.
Sie nahm ihre Zigarette in Mund und er gab ihr Feuer. Es machte ihn ein wenig an, wie ihre Lippen die Zigaretten umschlossen. Sie nahm einen Zug.
»Danke.« und ging wieder auf die Tanzfläche. Er atmete aus. Sie war einfach wundervoll und sah von nahem noch besser aus.
Nachdem er sie eine Weile beobachtete, bemerkt er erst, dass Julia weg war. Naja. Ihm soll es Recht sein.
Die Tanzmenge wurde immer betrunkener und er nahm einen Hauch Marihuana war. Er mochte die düstere, verqualmte Stimmung, deshalb war er hier.
Nach einem letzten Schluck war sein Getränk alle und er warf es weg. Schon nahm er sich wieder eine Zigarette. Eigentlich mochte er den Geschmack noch nicht mal. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass er es brauchte.
Als er wieder auf die Tanzfläche starrte, bemerkte er ein Grummeln in der Bauchhöhle, als zwei Kerle auf sein Mädchen zugingen. Sie redeten etwas in ihr Ohr, und sofort drehte sie sich um. Und schaute ihn an. Lächelnd. Gewinnend. Sie tanzte weiter, sah nur ihn. Und das, obwohl zwei Meter zwischen ihnen waren. Irgendwann zeigte sie leicht Richtung Bar und ging auch dahin, ohne zu schauen, ob er ihr folgte. Er ging ihr hinterher, wurde fast schon von ihr angezogen.
Die Keeperin sah die beiden erwartungsvoll an.
»Zweimal das, was sie will.« sagte er.
»Heißt zweimal meine Mixe.« sagte sein Mädchen lächelnd. Die Keeperin sah ihn wissend an.
»Dann wartet noch einen Moment. Dauert ein Weilchen.«
Auf einmal starrte sein Mädchen ihn an und hauchte ihm ins Ohr
»Schau nicht hin, was sie reinmixen. Ist ein Geheimrezept.« Er bekam Gänsehaut. Nicht vor Angst, sondern vor Lust. Und er konnte in ihren Augen sehen, dass es ihr so auch ging.
»Was soll ich denn sonst machen?« erwiderte er neckisch. Dann küsste sie ihn. Er wusste nicht, wie ihm geschah, zog sie nur noch enger ran, während sie sich in seinen Haaren festhielt. Sie hatte die perfekte Größe. Er musste seinen Kopf zwar senken, aber nicht zu weit. Und ihre Lippen.. Er schmeckte Alkohol. Stärken Alkohol und Zigaretten. Dann aber noch.. Beeren? Irgendetwas süßes. Der Moment zog sich endlos hin, war aber viel zu schnell vorbei. Sie zog sich zurück, leckte sich über die Lippen, nahm das Getränk, grinste ihn nochmal an und verschwand in der Menge. Er blieb nur verdutzt stehen. Was war das denn? Trotzdem musste er zugeben, dass er sie jetzt schon mochte. Nicht nur wegen ihrem Körper, sondern weil sie eindeutig auch Rums dahinter hatte. Das gefiel ihm. Irgendwie konnte er sie jedoch nicht mit anderen Schlampen in Verbindung setzen. Sie tat es nicht, um sich irgendwo hochzuschlafen. Sondern einfach so. Einen völlig fremden. Er knurrte leicht, legte das Geld auf den Tresen und setzte sich auf ein Sofa, wo schon einige völlig abkomerten. Nachdem er einen kratzigen Hals bekam, nahm er einen großen Schluck aus seinem Becher. Und bereute es. Da war alles drin. Wodka, Rum, Whisky.. Er sah die Barkeeperin lachen.
»Sowas trinkt sie wie Wasser.« rief sie ihm durch die Musik hinweg. Stöhnend legte er seinen Kopf zurück. Das könnte ja heiter werden.

Nach einer Weile merkte er etwas schweres auf seinem Schoß. Er öffnete die Augen. Sein Mädchen saß breitbeinig auf ihm und schaute ihn an.
»Dich hat es ja ganz schön weggepustet, oder?« sagte sie lächelnd und zeigte auf sein fast leeres Getränk. Ihm drehte sich alles.
»Nicht das Trinken. Sondern du.« meinte er und versuchte nicht zu lallen. Sie lachte kokett und beugte sich zu ihm hinunter.
»Das kann ich aber noch besser.« sagte sie, bevor sie ihn wieder küsste.

...

Im Nachhinein wusste er weder wie sie hieß, noch wo sie wohnte. Nur dass sie ihm noch Wochen danach im Kopf rumspukte. Er dachte an all die Fetzen, die er noch von ihr wusste. Die er generell noch von dem Abend wusste.
Vorsichtig richtete er seine Haare. Auch wenn er es nicht zugab, er wollte sie heute wieder treffen. Denn heute war wieder eine Party dort. Vielleicht würde er sie heute nach ihrem Namen fragen. Wer weiß.

SockentanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt