Kapitel 1

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Es war ein schöner Tag.
Die Sonne schien hell und die Wärme sammelte sich auf seiner nackten Haut.
Vor ihm lag das weite Meer und er beobachtete wie die kühlen Wellen seine Füße umspielten und die Gischt sich langsam um sie herum aufstaute. Er roch die salzige Luft, das frische grüne Gras unter seinem Körper und das süßliche Aroma der umherstehenden Blumen. Es war ein wunderschöner Anblick, jedoch störte ihn diese ewige Ruhe. Seine Leier lag unberührt neben ihm. Er wollte sie nicht einmal mehr ansehen. Ihr Holz glänzte golden, ein Teil spiegelte das blau des Meeres wider. Ihre Klänge, wenn er auf ihr spielte, waren so hell und klar wie seine Stimme. Das Gold erschien ihm wie seine Haare, die hinter ihm im Wind flogen, wenn er sich umdrehte und ihn anlächelte. Das blau erinnerte ihn an seine Augen. Lebendig, aufgeweckt und ruhelos. Tränen sammelten sich abermals in seinen Augen und nahmen ihm die Luft zu Atmen. Die Trauer überwältigte ihn erneut und er vergrub sein Gesicht im Gras, griff mit den Händen in die Erde und suchte Halt. Doch er wusste, dass ihm nichts je wieder so ein Gefühl geben könnte, wie er es getan hatte. Er schrie. Dieser Schrei hallte durch die ganze Umgebung. In seinen Ohren hörte es sich jedoch wild an, wie der Schrei eines verletzten Tieres, getränkt in Verzweiflung.

Die nächsten Tage kamen und vergingen ohne, dass er Notiz davon nahm. Es war ihm egal. Alles war ihm egal. Es würde sich niemals etwas ändern.
Jeden Abend saß er am Strand, immer an derselben Stelle. Er klagte den Göttern sein Leid und flehte, sie mögen ihn von diesem erlösen. Die Götter jedoch blieben stumm.
Es trieb ihn in den Wahnsinn. Er aß nicht mehr, er lag stundenlang im Gras und weinte bis seine Augen keine Tränen mehr hergaben.

Monate vergingen und er hatte immer noch nicht seinen Willen zum Leben zurückerlangt.
Bis sie schließlich eines Tages an seiner Küste stand. Sie hatte sich nicht verändert. Ihre Haut so kalt und blass wie die Gischt, ihre Augen ausdruckslos und dunkel, die Lippen so rot wie die Beeren, welche er mit ihm so gerne gegessen hatte.
In ihren Haaren hatten sich Algen verfangen, doch dies schien sie nicht zu kümmern.
Er stand nur ein paar Meter von ihr entfernt, die Füße im weichen Sand vergraben.
Er jedoch konnte nicht sprechen, sich nicht einmal bewegen, ungläubig was seine Augen sahen.
Für eine Weile stand er nur da. Dann sprach Thetis:" Die Götter haben dich erhört. Lange genug haben sie dich leiden sehen. Komm mit mir Patroklos."

Immer noch traute er seinen Augen nicht, dachte, sie wollten ihn in die Irre führen. Als er jedoch ihre so vertraute, aber verhasste Stimme hörte, wusste er, dass er sich nicht irrte. Er griff nach seiner Leier, außer ihr hatte er nichts von Bedeutung das er hätte zurücklassen können, und folgte ihr in die Tiefen des kalten Meeres.

Sie reisten lange. Er sah viele verschiedene Reiche und gab sich Mühe, sie alle in Erinnerung zu halten. Als er eines Tages die Insel Skyros erblickte, ergriff ihn Misstrauen in die Göttin. Vor einigen Jahren hatte sie hier ihren Sohn verborgen, getarnt als Frau unter den Tänzerinnen, die der Tochter des Königs unterwürfig waren. Sie wollte ihn davon abhalten in den Trojanischen Krieg und somit seinen eigenen Tod zu ziehen.
Doch warum brachte sie ihn nun wieder an diesen furchtbaren Ort?
Er hatte keine Erklärung.
Widerwillig betrachtete er die Landschaft genau. Vor seinem inneren Auge sah er Achill und sich, wie sie glücklich und lachend die Küste entlangliefen, wie sie sich auf der Abgelegenen Wiese, hoch oben am Berg, geliebt hatten.
Er drängte jedoch seine Trauer zurück, er wagte es nicht vor der Göttin in Tränen auszubrechen.

Patroklos, der wahre Aristos AchaionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt