Folge 2 ~2.1~ Superdupernatural

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~2.1~

POV Luis Pastor

Ich...

Kann nicht...

Atmen.

Schlamm verklebt meine Lippen, füllt meinen Mund und verstopft mir die Lunge. Er ist überall. Kalt. Beißend. Bitter. Meine Brust ist steinhart und brechend schwer als ich versuche, die lebensnotwendige Luft einzusaugen. Doch es funktioniert nicht. Mein Körper scheint mir nicht mehr zu gehorchen. Meine Hände beginnen zu zittern, während meine Gedanken vibrieren. Es wird mehr und mehr zum undurchsichtigen Nebel, der vor meinen inneren Augen aufzieht, meine Sicht trübt und mein Gehirn lahmlegt. Es fühlt sich an, als ob kein bisschen des notwendigen Sauerstoffs meine Synapsen erreicht.

Ich kann einfach nicht atmen, kann mich nicht bewegen.

Alles wird dunkler und ich spüre, wie die Welt um mich herum verschwindet.

„NEIN!", stoße ich laut aus und schlage die Augen auf. Der Widerhall meiner eigenen Stimme fegt durch den Raum und durch meinen Kopf. Jedoch er ist nichts gegen die Stärke meines Herzschlags, des Bebens meiner Brust, welche die Nachwirkungen des Traums mit sich bringen. Ich spüre beides bis in meine Fingerspitzen hinein pulsieren und in meinem kleinen Zeh verweilen.

Ein Traum. Einatmen. Nur ein Traum. Ich atme aus. Für eine Sekunde empfängt mich die Erleichterung. Doch sie schwindet schnell, weil die Erkenntnis einsetzt. Es war zu real. Es fühlte sich echt an. Greifbar. Erlebt. Selbst der Geschmack des Schlamms hängt in meinem Mund und ist bitter und kalt.

Das alte löchrige T-Shirt klebt mir feucht auf der Haut, als ich die Bettdecke zur Seite schiebe, weil ich mit einmal merke, wie es mich einzwängt. Ich brauche mehr Raum. Mit einer hektischen Bewegung zerre ich das Textil über den Kopf und werfe es zu Boden. Ich atme gelindert aus, bemerke mit Genugtuung, wie sich meine Lungenflügel mit Sauerstoff füllen und wie ein kühler Hauch auf meine erhitzte Haut trifft. Es hilft. Ich lebe. Wäre ich doch niemals in dieses Kellerbüro gegangen und hätte diesen verrückten Kerl angesprochen. Hätte ich doch nur auf seine ersten Vorschläge gehört und es sich darauf beruhen lassen. Hätte ich doch nur seine erste Ablehnung hingenommen. Besessenheit. Golem. Einhörner! Was für ein verdammter Albtraum.

Ein Albtraum schlimmster Sorte. Aber...

„Fuck, fuck, fuck", brabbele ich, ehe sich die Gedankenfäden in meinem Kopf langsam entknäulen. Doch zu fluchen reicht nicht. Erst nach weiteren Minuten und dem sorgfältigen Ertasten all meiner Gliedmaßen greife ich zur Seite und schalte die Nachttischlampe ein. Das dezente Licht erdet mich, zieht mich in die Wahrhaftigkeit und ebnet mir die Realität. Ich streiche mir mit beiden Händen über das Gesicht und feiere still die Tatsache, dass all meine Körperteile noch dort sind, wo sie hingehören. Beim Versuch, meine verschwitzten Haare zu bändigen, ertasten meine Finger eine raue Stelle hinter dem linken Ohr. Ich reibe darüber und erkenne die Rückstände von getrocknetem Schlamm auf meiner Fingerspitze, als ich sie danach betrachte. Der braune Staub lässt mich schaudern. Es war kein Traum. Es ist wirklich passiert. All der Schlamm. Die feuchte Kälte. Das Grölen und die umherfliegenden Dinge. Das Ungetüm aus Erde und Fels, welches über mir zusammenbrach und mich vollständig unter sich begrub. Nichts davon habe ich mir eingebildet. Oder vielleicht doch? Der Geschmack von Staub liegt schwer auf meiner Zunge, während ich ruhelos mit den Händen über mein Gesicht reibe und danach tief ein- und wieder ausatme. Die Panik erfasst mich in Wellen und ich schwöre, einige davon sind mörderisch. Ich konzentriere mich lieber noch etwas länger darauf, am Leben zu sein. Einatmen. Ausatmen. Meinen Herzschlag spüren. Es wird besser, je mehr Luft ich einsauge. Je mehr das feine Kitzeln auf der Haut versiegt.

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