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Leise öffnete sie die Tür, die in den großen Speiseraum führte. Es war ein schickes Restaurant, viel schicker als sie es gewohnt war.
"Frau Trentino?", wurde sie von einem befracktem Kellner aus ihrem stillen Staunen geweckt.
"Ja?", fragte sie verunsichert zurück.
"Ihr Tisch steht bereit", sagte er und wieß auf einen kleinen Tisch.
"Vielen Dank", meinte sie, als der Befrackte ihren Stuhl zurückzog. Unsicher schaute sie sich in dem großen Raum um. Das Restaurant war in mehrere solcher Essbereiche eingeteilt, wie sie im Internet gesehen hatte.
"Wünschen Sie etwas?", fragte der Kellner. Überrascht schaute sie auf, eigentlich hatte sie erwartet, dass er wieder gehen würde.
"Wir haben Proseko, Wein, Sekt-"
"Danke, ich warte noch auf jemanden", unterbrach sie den Angestellten.
"Wie Sie wünschen", meinte er und zog sich mit einer Verbeugung zurück.
Jule schauderte, als sie die Leute um sich herum betrachte. Alle sahen aus, als wäre es das normalste der Welt, in so einem schicken Schuppen zu essen.
Misbilligend schaute eine ältere Dame vom Nebentisch zu ihr hinüber und Jule wandte schnell den Blick ab. Unsicher faltete sie ihre Finger in ihrem Schoß. Sie fühlte sich ganz und gar nicht wohl. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, dass ihr Date das Essen nicht bezahlen würde. Sie würde ewig brauchen, um das Geld wieder reinzuholen. Überhaupt war das eine ziemlich blöde Idee von ihm gewesen, doch sie hatte zugesagt und war somit selbst dafür verantwortlich. Entschloss drückte sie den Rücken durch. Sie hatte sich das eingebrockt, also würde sie es jetzt auch durchziehen. Lieber dachte sie an den bevorstehenden Abend.

Ihr Date hatte sie erst kürzlich übers Internet kennengelernt.
Er hatte sie angeschrieben und sie war darauf eingegangen. Besser gesagt, war ihre beste Freundin drauf eingegangen. Als sie die Nachricht bekommen hatte, war Lena gerade bei ihr gewesen und hatte es natürlich gleich entdeckt. Ab da hatte sie keine Chance mehr gehabt, Lena wollte sie schon seit Jahren verkuppeln.
Das war gerade mal eine Woche her. Eine verdammte Woche. Keine Ahnung, was sie sich dabei gedacht hatte. Es war immerhin nur eine Woche. Seit Jahren war sie nicht mehr auf Dates gegangen und jetzt traf sie sich mit einem Wildfremden Typen aus dem Internet. Lena fand das sehr gut. Was sie selbst davon halten sollte, wusste sie nicht. Aber sie war jetzt immerhin 23 Jahre alt. Es wurde von ihr erwartet da sie einen Typen fand, ihn heiratete und Kinder bekam. Eigentlich etwas, was ihr gar nicht in den Kram passte. Aber ihre Mutter sah das ein bisschen anders. Als einziges Kind zwei strenger Eltern, hatte sie schon immer die Erwartungen erfüllen müssen.

Ihr Handy riss sie aus ihren Gedanken. Neugierig schaute sie auf das Display. Eine neue Nachricht.
Schnell entsperrte sie das Gerät. Es war Lena. Wer auch sonst.
Wie läuft's? Schrieb sie. Ja wie lief es denn? Scheiße? Gut? Ihr Date war nicht da und die Lady vom Nachbartisch versuchte sie mit Blicken zu erdolchen, während sie sich immer unwohler fühlte.
Er ist noch nicht da. Schrieb sie wahrheitsgemäß.
Oh. Ja Oh. Ganz großes Oh. Was half gegen dieses Oh? Ganz genau, Alkohol. Aber dummerweise musste sie heute noch wieder mit dem Auto zurück. Also doch weiter Oh.
"Entschuldigung? Ein Wasser bitte", hielt Jule einen Kellner auf.
"Kommt sofort Madame", erweiderte er und rauschte davon.

Entnervt zupfte Jule am Saum ihres kurzen Kleides. Ständig rutschte es hoch. Sie hatte es sich von Lena geliehen, die etwas kleiner als sie war. Als sie aus ihrer Wohnung gegangen war, hatte sie sich, bekräftigt durch Lena, wie eine Prinzessin gefühlt, als sie hier ankam war sie zu 'Hilfe ich bin im falschen Film' übergegangen.
Wieder tippte sie auf das Display ihres Handys. 19:07 Uhr. Er war jetzt schon fast zehn Minuten zu spät. Und das beim ersten Date. Einen guten Eindruck würde das nicht hinterlassen.
"Ihr Wasser", riss sie der Kellner aus ihren Gedanken. Bei genauerem Betrachten, war es doch ein anderer Kellner, als der, der ihre Bestellung entgegen genommen hatte. Irgendwie sahen die alle gleich aus.
"Danke", meinte Jule hastig und der Kellner stellte das Glas vor ihr ab.
"Wünschen Sie sonst noch etwas?", fragte er. 'Mein Date', dachte sie genervt.
"Nein danke", antwortete sie freundlich. Der Mitleidige Blick des jungen Angestellten entging ihr nicht. War sie wirklich so bemitleidenswert?
'Klar, ein Mädchen das offensichtlich versetzt wurden ist, ist bemitleidenswert', dachte sie verbittert. Warum hatte sie sich auch auf so eine Scheiße eingelassen? Sie hätte lieber bei Lena bleiben sollen, mit ihr einen Film schauen und bis zum nächsten Morgen quatschen sollen. Aber nein, jetzt saß sie hier und wurde selbst von den Kellnern bemitleidet. Aber so durfte sie nicht denken. Wahrscheinlich stand er einfach nur im Stau und war deswegen noch nicht hier.
Wieder schaute sie auf ihr Handy. Keine neuen Nachrichten, dafür war es jetzt schon 19:10 Uhr.
'Bis 19:20 warte ich noch', beschloss sie.
Entschlossen nahm sie einen Schluck aus ihrem Glas. Angenehm prickelnd floss das kühle Getränk ihren Hals hinunter. Das Gefühl erinnerte sie daran, wenn ihr Opa ihr früher an Silvester heimlich Sekt ins Glas goss. Nur das Wasser und Sekt, ausgenommen der Kohlensäure, nicht sehr ähnlich waren.
Es war immer das einzige mal im Jahr, in dem ihre Eltern ein Auge zugedrückt hatten. Silvester hatte sie schon immer genossen. Den Abend lang vertiefte sie sich in ein Buch und nach dem Feuerwerk ging sie, um die Katze ihrer Großeltern zu beruhigen. Keine Anforderungen, einfach nur sie. Warum es nicht immer so sein konnte, hatte sie nie verstanden.
Morgen war noch ein freier Tag, dann musste sie sich wieder dem Medizin Studium verschreiben. Ihre Eltern hatten immer gewollt das sie Ärztin wurde. Oder Juristin.

Abermals strich sie ihren Rock glatt und nahm noch einen Schluck aus ihrem Glas. Ihr Date war nun schon eine Viertelstunde und ein Glas Wasser zu spät. Wieder blickte sie auf ihr Handy. Keine neuen Nachrichten. So langsam könnte er ruhig mal auftauchen. Am besten mit einer guten Erklärung.
"Jule?", wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.
Hoffnungsvoll schaute sie auf.
"Entschuldigung, kenne ich Sie?", fragte sie verwirrt.
"Ich bin Kian", meinte ihr gegenüber nervös. Verwirrt starrte sie den jungen Mann an. Das war ganz eindeutig nicht der Mann, mit dem sie geschrieben hatte.
Sie war gekatfisht wurden.

UnexpectedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt