Prolog

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Langsam lief ich durch den kalten Flur vor dem Zimmer, in dem meine Mutter gerade zum letzten Mal ihre Augen geschlossen hat. Ich ließ mich mit dem Rücken an der Wand runtergleiten und saß mit den Knien vor der Brust auf dem Boden. Mein Gesicht hatte ich in meine Hände gelegt und die Tränen bahnten sich ihren Weg. Dieser Schmerz ging nicht weg auch nicht durch mein weinen. Das hatte mein Vater, ich meine Stiefvater, immer zu mir gesagt. Ich hob meinen Kopf und starrte an die mir gegenüberliegende Wand, bis ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Mein Blick glitt nach oben und ich sah in das Gesicht der Krankenschwester, die uns die letzten Wochen begleitet hatte. Sie zog mich hoch in ihre Arme und flüsterte mir etwas ins Ohr, aber ich hörte ihr gar nicht zu.

Am Abend saß ich auf dem Sofa in unserer Wohnung. Ich hatte mir einen Tee gemacht und schaute aus dem Fenster, um das treiben in der Stadt zu beobachten. Obwohl es schon nach 22 Uhr war, waren die Straßen noch gefüllt. Aber das ist typisch für einen Freitag. Auf dem Tisch lagen noch Unterlagen von meiner Mutter, von denen sie meinte, dass diese nach ihrem Tod wichtig für mich sind. Ich überlegte, ob ich reinschauen sollte, aber das verschob ich auf morgen.

Ich hatte immer ein eher angespanntes Verhältnis zu meiner Mutter und ihrem Mann, der sich die ersten 10 Jahre meines Lebens als mein Vater ausgab. Aufgefallen war es nur, weil wir für meinen Personalausweis meine Geburtsurkunde brauchten, wo bei Vater Unbekannt stand. Dank ihm dufte ich diese Jahre auch in seiner Heimat, einer kleinen Stadt kurz vor Moskau, verbringen. Als ich 10 war zogen wir zurück nach Hamburg. Das ist nun 6 Jahre her. Vor drei Jahren trennten die beiden sich und kurz darauf wurde meine Mutter krank. Zwei Jahre kämpfte sie gegen den Krebs und verlor den Kampf am 07. März 2016, also heute.

So saß ich mit 15 Jahren alleine in der Wohnung und hatte niemanden. Keinen Vater, keine Großeltern, nichts und niemanden. Sasha, so nannten wir den Mann meiner Mutter, lebte wieder in Russland und die Eltern meiner Mutter waren bereits vor meiner Geburt verstorben.

Als ich mein bisheriges Leben Revue passieren ließ, war ich Sasha doch dankbar für seine Unterstützung. Auch wenn die beiden sich getrennt hatten, sorgte er dafür, dass es uns gut ginge. Er hatte mich wie sein eigenes Kind behandelt und geliebt. Auch wenn unser Leben in Russland nicht das schönste war, hatte es mich geprägt. Ich lernte die Sprache und liebte es dort als Kind. Das was ich ihm nicht verzieh, war die Art der Ausbildung die ich erhielt. Es war eine Art Militärschule für Mädchen. Im Grunde war es eine normale Schule, jedoch lernten wir uns selber zu verteidigen und zu kämpfen. Zum Glück endete das als ich 10 war. Ich mochte Russland aber Deutschland gefiel mir um einiges besser, nur das Essen vermisste ich.

Ich muss eingeschlafen sein, denn ich wurde von der Sonne auf meinem Gesicht geweckt. Langsam schaute ich durch den Raum und atmete tief ein. Mein Blick lag auf dem Umschlag, der auf dem Tisch lag. Vorsichtig nahm ich ihn in die Hand und fuhr mit dem Finger über meinen Namen, der dort in der Handschrift meiner Mutter stand. Ich legte den Umschlag zurück und stand auf, um duschen zu gehen.

Als am Montag die Beerdigung meiner Mutter war, traf ich auf Sasha. Ich hatte ihm geschrieben. Er kam auf mich zu und zog mich in seine Arme. Er redete mir Mut zu und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Danach war er so schnell verschwunden, wie er kam. Ich wusste nie was er tat und wo er arbeitete aber inzwischen war es mir auch egal. Nach der Beerdigung kam ich zu einer Pflegefamilie, die etwas nördlicher von Hamburg lebte.

Bianca und Wolfgang waren sehr nett zu mir und auch ihr Sohn Leon, der zwei Jahre jünger war als ich. Wir lebten auf einem kleinen Reiterhof und so langsam nahm das Leben seinen Lauf. Ich ging wieder zur Schule und fand neue Freunde.

Doch dann fing es erst richtig an.

coming home to you (Tony Stark/Steve Rogers)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt