Weg nach Damaskus

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Unmittelbar nach dem Festgelage hatte Gabinius einige Vertraute zu sich gerufen und damit begonnen, die Struktur der judäischen Verwaltung umzugestalten. Er unterteilte das Land in fünf Bezirke, die er von einem unabhängigen regionalen Rat, dem Synedrion, leiten lassen wollte. Damit entmachtete er den Hohen Rat von Jerusalem. Ob Gabinius mit der Gründung der neuen Zentren Jericho, Sepphoris, Amathus und Adora lediglich die Steuereintreibung effektiver gestalten oder aber Hyrkans Macht endgültig zerschlagen wollte, war schwer zu entscheiden. Hyrkan jedenfalls verlor die Funktion des Etnarchen und behielt lediglich das Amt des Hohenpriesters sowie den Vorsitz im Hohen Rat von Jerusalem. Das Reich der Juden sollte damit de facto zu existieren aufhören, die Regierung würde mehr und mehr von den Aristokraten übernommen werden.

Alexander dagegen war es gelungen, sich mit einigen wenigen treuen Männern bis zur Festung Alexandreion durchzuschlagen und sich dort zu verschanzen. Die Festung lag auf Sartaba, einem mächtigen kahlen Berg, und wurde ihrem Ruf zunächst durchaus gerecht, galt sie doch als uneinnehmbar, zumindest was frontale Angriffe betraf. Auch gewährleistete ein ausgeklügeltes Wassersystem das Überleben der Bewohner, der stattliche Vorrat an Nahrung, den Alexander im Vorfeld hatte anlegen lassen, verschaffte ihm nun einen strategischen Vorteil. Und so kam es, dass Alexander das Kapitulationsangebot des Gabinius zunächst ausschlug und seinen Männern befahl, die römische Delegation, ohne sie auch nur angehört zu haben, aus dem Eingangsturm der Festung zu jagen.

Daraufhin ließ Gabinius die Festung vier Monate lang von Marc Anton belagern. Er selbst bewerkstelligte unterdessen mit dem Großteil seiner Legionen den Wiederaufbau der zerstörten hellenistischen Städte und trieb die Neugründung von römischen Kolonien zügig voran. Samaria, Azot, Skythopolis, Anthedon, Raphia, Jamnia, Marissa, Dora, Gaza und viele andere Städte entstanden. Damit galt das Land als befriedet. Als Alexander schließlich in die Kapitulation gezwungen werden konnte, ließ Gabinius die Festung schleifen. Während er den Sohn also erbittert bekämpfte, verstand er sich mit dessen Mutter ausgezeichnet und erhörte deshalb auch die Bitte, welche die Frau des Aristobulus in seinem Bett vorbrachte: Er verschonte das Leben seines Gegners und ließ Alexander überraschend begnadigen.

Was Peitholaos betraf, so wollte man ihm um seiner früheren Verdienste willen eine Möglichkeit zur Wiedergutmachung einräumen und erteilte ihm den Auftrag, Alexander auf seiner Reise ins Exil bis nach Damaskus zu eskortieren. Doch die Karawane kam nur langsam voran. Da Peitholaos verhindern wollte, dass Alexander erkannt würde, mied er die Hauptrouten und bewegte sich über kleine Schleichwege im Gebirge. Im Unterschied zur Via Maris, die in zwei Wochen zu bewältigen gewesen wäre, würden sie auf ihrer Strecke durch die Berge, von Sichem, über Ramot-Gilead und Aschtarot, fast die doppelte Zeit benötigen. Doch Peitholaos wusste, dass er diese Verzögerung in Kauf nehmen musste, wollte er seinen Gefangenen sicher nach Damaskus bringen. Zu groß war die Gefahr, auf den Handelsstraßen Anhängern des Alexanders zu begegnen, die in der Folge versuchen könnten, ihren Anführer mit Waffengewalt zu befreien.

Wegen der Unwegsamkeit der gewählten Route hatte Peitholaos entschieden, die Mehrzahl seiner Soldaten unter Malichos Befehl in Churvat Mezad zurückzulassen und lediglich eine kleine Gruppe von zwanzig Reitern, denen er in besonderem Maß vertraute, sowie einige Lastkamele mitzunehmen. Da er nicht noch mehr Zeit verlieren wollte, gönnte Peitholaos seinen Männern kaum eine Pause. Wenn die Pferde müde wurden, stiegen sie ab und gingen mit den Tieren am Führzügel zu Fuß weiter. Nicht selten verzichteten sie am Abend darauf, die Zelte aufzuschlagen, sondern legten stattdessen noch ein Stück Weg zurück. Mit seinem Gefangenen wechselte Peitholaos kaum ein Wort. Denn ohne dass er dafür einen konkreten Grund hätte nennen können, fühlte sich Peitholaos in Alexanders Nähe unwohl. Auch war es nicht nötig, viele Worte auszutauschen, denn der Königssohn befolgte all seine Befehle stumm und ohne sich aufzulehnen.

Wenn die Männer abends ums Feuer herum hockten, aßen und derbe Witze machten, dann blieben zwei von ihnen schweigsam, Peitholaos, der mit wachsamem Auge alles beobachtete und seinen Soldaten von Zeit zu Zeit wohlwollend zunickte, und Alexander, der stets etwas abseits saß und den Eindruck machte, als wäre gar nicht er selbst, sondern bloß sein Körper anwesend. Bei Sonnenaufgang wiederum waren Alexander und Peitholaos die ersten, die aufstanden und bei den Pferden auf die übrigen Männer warteten. Umso mehr erschrak Peitholaos, als er den anderen am Morgen des ersten Schabbats weder in seinem Bettlager, noch draußen, wo sie die Tiere angepflockt hatten, vorfand.

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