Kapitel 2

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Die schwüle Hitze stieg in mein Gesicht, als ich eine Viertelstunde später aus dem vollen Bus in die warme Luft von Los Angeles stieg. Ich schlurfte mit meinem Koffer in der Hand die Straßen LAs entlang, während aus meinen Kopfhörern Musik dröhnte. Meine Mutter hatte mir eine äußerst detaillierte Wegbeschreibung gebastelt, die ich vor dem Flug auch noch auswendig gelernt hatte. Zum Glück war es nicht weit zu Tante Bettys Haus. Diese Hitze war unerträglich. Als ich bei Bettys Minivilla angekommen war, klebten mein T-Shirt und meine Shorts an meinem Körper. Die USA waren nichts für mich. Generell hatte ich ein Problem mit jedem Ort, an dem die Temperaturen regelmäßig über 25°C stiegen.

Ich drückte auf die Klingel und im nächsten Moment öffnete eine Frau mittleren Alters die Tür. Definitiv Tante Betty. Die kurzen, wilden Haare standen ihr in einer anscheinend modischen Frisur vom Kopf ab und in ihr buntes Blumenkleid schien selbst gestrickt zu sein. „Callie! Wie schön das du mich mal besuchen kommst!", rief sei überglücklich und umarmte mich. Ich heiße Carlotta! Und das war nicht von mir geplant! Eigentlich säße ich jetzt viel lieber mit meinen Freunden im Freibad, als von meiner Tante geknuddelt zu werden!, wollte ich gerade sagen, doch dann merkte ich das es ein bisschen zu unfreundlich gegenüber meiner Tante wäre. Ich lächelte vorsichtig. „Komm, gib mir deinen Rucksack und deinen Koffer. Ich trag sie schon mal in dein Zimmer! Ich habe einen Kuchen gebacken! Extra für dich!", rief sie und verschwand mit meinen Sachen, durchgehend darüber flüsternd, wie sehr ich doch seit meinem letzten Besuch gewachsen war. Adios, mes amigos! Ihr habt mir alle treu gedient!, dachte ich. Wetten, sie versteckte wieder alle meine Kleidungsstücke? Damit ich während des Urlaubs mit ihrer Kleidung rumlaufen konnte? Ich erinnerte mich noch sehr genau an die USA-Reise vor 3 Jahren... Mein Koffer war erst am letzten Tag wieder aufgetaucht. Missmutig stapfte ich in Tante Bettys Esszimmer und setzte mich an den runden Tisch. Diesen Kuchen würde ich bestimmt nicht essen.

Ich hatte mich schon im Flugzeug mit einer Menge Süßkram vollgestopft (zumindest, bis ich eingeschlafen war) und verspürte beim Anblick dieses reichlich mit Zuckerguss verzierten Kuchens einen Würgreiz. Trotzdem aß ich ein Stück, einfach nur um Tante Betty nicht zu verletzten. Auf irgendeine merkwürdige Art und Weise mochte ich sie und ihre fürsorgliche Art. Schließlich stand ich auf und ließ mich von meiner Tante in mein Zimmer führen. Es war relativ groß und geräumig und ordentlich, bis auf eine Ecke, in der der Napf und der Korb von Bettys Hund Jasper standen. Ich sah mich nach diesem goldenen Fellviech um, konnte aber vorerst nichts entdecken; also ließ ich mich auf mein frisch bezogenes Bett fallen, um meine Mutter anzurufen. Nach einiger Zeit hörte dieser langezogene Piepston auf und ich vernahm die Stimme meiner Mutter. "Hallo? Hey, Callieschatz! Na, guten Flug gehabt?" "Jaaa", sagte ich und schnappte mir eine der auf meinem Nachttisch in einer Schüssel liegenden Pistazien.

Kauend sprach ich weiter. "Mir gehts gut. War nur ein bisschen lang, der Flug." Meine Mutter machte ein Geräusch, dass vielleicht ein mitfühlendes Schnauben war. Wir telefonierten noch eine Weile, bis ich plötzlich hörte, wie jemand - wahrscheinlich Tante Betty - die Treppe hoch kam. "Tschau", murmelte ich also schnell zu meiner Mutter und legte auf. "Callie!", hörte ich meine Tante rufen. Ich sprang auf und öffnete die Zimmertür. "Ist was?", fragte ich leicht besorgt. "Ja!", war die Antowort meiner Tante, während sie mich anstrahlte und etwas hoch hielt, das verdächtig nach einer Karte aussah. Ich runzelte die Stirn. "Was ist das?" Tante Betty strahle immer noch und sprach dann mit langsamer Stimme: "Ich habe Karten... für die Premiere des neuen Spidermanfilms! MCU! Homecomming! Ihr jungen Leute findet das doch gut, nicht?

Sie sah mich auffordernd an, so, als würde sie erwarten, dass ich gleich aufspringen, ihr um den Hals fallen und anschließend vor Glück platzen würde. Nichts davon geschah. Denn tatsächlich interessierte mich das MCU genauso wenig wie der Schnürsenkel meiner alten Schuhe - nämlich gar nicht.

Tante Betty schaute mich weiterhin erwartungsvoll an. Was sagte man zu jemandem, der einem Tickets für eine Premiere kauft, die einen nicht interessiert? Keine Ahnung. „Wow! Also... das ist cool!", sagte ich und kam mir irgendwie fies vor. Wenn Tante Betty mein Desinteresse bemerkt hatte, dann hatte sie sich wirklich Mühe gegeben, ihre Enttäuschung zu verbergen. Ich umarmte sie, da ich ein paar Sekunden brauchte, um mein Gesicht in die Maske, die in dieser Situation angebracht wäre, aufzusetzen. Als Tante Betty wieder in mein Gesicht blickte hatte ich schon ein Lächeln aufgesetzt. „Wann ist die denn?", fragte ich, um die Stille zwischen uns zu überbrücken. „Heute Abend schon, Callie! Ich hoffe du machst dich schön!" sagte sie und stupste mir auf meine Nase mit den Sommersprossen. Sie öffnete die Tür und verschwand auf dem Flur.  Ich ließ mich wieder auf das Bett fallen. Dann seufzte ich und nahm meinen Koffer. Wenigstens hatte sie diese Ferien nicht vor, mit mir im Partnerlook rumzulaufen. Umso besser! Ich nahm aus meinem Koffer das Foto von mir und Flynn und stellte es auf den Nachttisch. Als ich in sein Gesicht blickte musste ich grinsen. Er war einer der größten Marvelfans die es auf dieser Erde gab.


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