Kapitel 2

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Sie kam immer näher auf uns zu und wollte gerade den Mund öffnen als dieser heiße Typ mit dem weißen Hemd und den italienischen Lederschuhen ihr zu verstehen gab, dass ich gerade Ruhe brauche und mich niemand jetzt unnötig aufregen sollte. Ja, meine Mutter hatte mich ziemlich aufgeregt. Das war wahrscheinlich auch der Grund für meinen Zusammenbruch gewesen. Erst sah ich sie Jahre lang nicht und dann tauchte sie urplötzlich auf und das bei der Hochzeit von meiner besten Freundin. Kannte sie hier jemanden? Arbeitete sie hier in diesem Restaurant an der Alster? Wohnte sie jetzt hier in Hamburg? Was trieb sie hier her?

Ein Glück hatte er sie weggeschickt und ihr damit jegliche Gelegenheit genommen mit mir zu reden. Das hätte ich aber auch wirklich nicht gebrauchen können. Jetzt war sie weg, aber es machte das Gefühl, was sich schon vor dem Zusammenbruch in mir breit gemacht hatte nicht besser. Irgendwann musste ich mit ihr reden. Aber nicht jetzt. Das konnte ich einfach nicht. Das war einfach zu viel für mich.

Wir saßen nicht mehr lange dort in dieser gemütlichen Ecke, weil ich einfach viel zu fertig war und nicht mehr konnte. Er bemerkte das, sagte meiner Freundin bescheid und nahm mich dann in seinem schicken neuen Mercedes mit. Ich musste weg hier. Einfach nur weg. Er stütze mich und ich ließ mich auf den Beifahrersitz fallen. Erst als ich vor Erschöpfung meine Augen schloss, merkte ich wie fertig ich eigentlich war. Ich hatte ihm gar nicht mehr gesagt, wo er mich absetzen sollte. Ich wusste nicht einmal wie er heißt und er wusste nicht wie ich heiße. Für ihn war ich doch eine Fremde. Warum nahm er mich dann mit? Warum fühlte ich mich bei ihm so wohl und so beschützt? Das war doch völlig verrückt. Ich hatte nicht viel mit ihm geredet, aber dennoch hatte es sich nicht so angefühlt als wäre er ein völlig Fremder, was er ja war.

Als ich meine Augen öffnete, muss es schon längst der nächste Morgen gewesen sein, denn die Sonne schien in das Zimmer hinein und etwas streifte mich ganz sanft an meinem Bein. Ich war nicht bei mir in meiner kleinen Wohnung. Nein, ich befand mich in der Wohnung dieses heißen Typens, der auch noch ein Notarzt war und mich nach meinem Schwächeanfall nicht alleine lassen wollte. Irgenwie war das schon ziemlich süß von ihm. Aber wenn ich genau überlegte, wie war ich hier her gekommen? Ich saß doch eben noch mit ihm in seinem Auto. Hatte er mich wirklich auf seinen starken Armen hier rauf getragen? Was hatten die Nachbarn wohl gedacht?

Es war sein Golden Retriever, der sich an meine Beine gelegt hatte und sie mit seinem warmen Fell berührte. Hunde waren so treue Begleiter und tolle Tiere. Meine Oma und ich hatten auch mal so einen Hund bis wir ihn vor ein paar Jahren einschläfern mussten, weil sich bei Lisi Metastasen im Kopf gebildet hatten. Wir konnten sie nicht mehr weiter so quälen. Das war eine sehr harte Zeit. Ich hatte lange gebraucht um das zu verkraften. Aber nun hatte ich einen guten Weg gefunden. Der Anblick dieses Hundes erinnerte mich an Lisi.

Ein angenehmer Geruch von Kaffee stieg mir in die Nase. Oh, wie ich diesen Geruch von frischem Kaffee am Morgen liebte. Es gab nichts besseres als mit einer Tasse Kaffee den Tag zu beginnen. Der Koffeinkick musste sein. Ich brauchte das. Er kam mit einem T-Shirt und einer Jeans bekleidet und einer Tasse Kaffee auf mich zu. "Auch einen Kaffee?", fragte er. "Oh ja, sehr gerne", sagte ich und nahm das heiße Getränk entgegen.

"Wie hast du geschlafen?", fügte er hinzu, nach dem ich einen Schluck genommen hatte.
"Außer, dass mir tausend Gedanken durch den Kopf gegangen sind, ganz gut", erwiderte ich. "Und noch was, jetzt wo ich schon hier in deiner Wohnung bin, verrätst du mir nun deinen Namen?", fragte ich ihn direkt.

Ich wollte unbedingt wissen, welchen Namen er hatte und ob er sich mit dem deckte, was ich mir überlegt hatte. Alexander, Leonardo, Theodor. Einer der drei könnte es sein. Er streckte mir seine Hand entgegen und sagte: "Hi, ich bin Theo Sander und mit wem habe ich das Vergnügen?", entgegnete er während auch ich ihm meine Hand reichte. "Lilly Lichtenauer", sagte ich.

"Schön dich kennen zu lernen, Lilly", antwortete Theo. "Die Freude ist ganz meinerseits", sagte ich. Wir tranken genüsslich unseren Kaffee und gingen anschließend in die Küche, wo er mir ein Toast mit Marmelade und Käse zubereitete. Sein Spezialtoast. Das schmeckte wirklich ziemlich lecker. Das hätte ich nicht gedacht. Überhaupt hätte ich nicht gedacht, dass dieser Typ so total war, wie er war.

Inzwischen war es schon fast Mittag und ich musste mich unbedingt noch um ein paar Dinge kümmern. Meine Oma besuchen, meine Pflanzen gießen, meine beste Freundin anrufen, meine Recherche zu diesem aktuellen Artikel schreiben und typisches Haushaltszeug.

Doch als ich meine Sachen zusammen packte, entdeckte ich etwas, was eine Erinnerung in mir aufblitzen ließ, die ich eigentlich erfolgreich verarbeitet hatte, zumindest glaubte ich das, bis zu diesem Moment.

Ich hielt einen für die meisten Menschen völlig bedeutungslosen Gegenstand in der Hand, der für mich mehr war als nur ein einfacher Gegenstand. Das durfte nicht sein. Was hatte das zu bedeuten? Warum besaß er ausgerechnet diesen roten Edelstein in Herzform? Mein Vater hatte mir so einen geschenkt kurz bevor er verstarb. Auf die Rückseite hatte er etwas eingravieren lassen. Die Gravur auf meinem Herzedelstein war der Anfangsbuchstabe seines Namenes und darum herum ein kleiner Stern. Wir liebten es die Sterne anzuschauen. Das war so ein Ding zwischen mir und meinem Vater. Dieser Edelstein war mein persönlicher Glücksbringer. 

Ich drehte also Theos Herzedelstein um und erschrag fast. Es war der selbe Buchstabe mit dem Stern. Es war ein "W" für Walter. Mein Vater hatte mir zwar gesagt, dass er meiner Mutter auch so einen geschenkt hatte, aber das konnte ja nicht sein. Warum hatte Theo den zweiten Edelstein, der eigentlich nur meiner Mutter gehören konnte? Kannte er meine Mutter etwa? Was hatte er mit meiner Mutter zu tun? Ich musste auf der Stelle hier verschwinden. Theo schaute mich verwirrt an, doch bevor er noch etwas sagen konnte, verschwand ich. Ich ließ ihn einfach stehen. Das konnte alles unmöglich ein Zufall sein. Erst das Wiedersehen von meiner Mutter und dann das hier. Was würde wohl noch alles auf mich zu kommen? Ich musste es herausfinden. Und ich musste mit meiner Freundin sprechen. Vielleicht wusste sie oder ihr Ehemann etwas über Theo.



Ich freue mich, dass ihr bis hier hin gelesen habt. Danke :)


Hier noch ein paar Fragen zur Geschichte:

Warum hatte Theo den selben Herzedelstein?

War er wirklich der für den er sich ausgiebt?

Was könnte dahinter stecken?


Dein Herz ist mein HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt