Endlich rollte Tante Bettys Wagen auf die überfüllten Parkplätze des riesigen Gebäudes zu, in dem die Premiere stattfinden würde. Zum Glück hatte es auf der restlichen Fahrt keine weiteren Zwischenfälle gegeben - mein volles Vertrauen hatte Betty allerdings immer noch nicht.
Während wir durch die endlosen Parkplatzreihen fuhren, die voller Autos und Menschen waren, konnte ich meinen Blick nicht vom Fenster reißen. Die Aussicht, dass in einigen Minuten echte Schauspieler AN MIR VORBEI in den Kinosaal gehen würden, ließ mein Herz schneller schlagen. Wesentlich schneller.
Meine Fahrerin parkte ihren Wagen auf einem der letzten freien Parkplätze. Wahrscheinlich hatte sie ihn extra reserviert - und schlechtes Gewissen kam in mir hoch. Tante Betty hatte wahrscheinlich unfassbar viel Geld für unsere beiden Tickets ausgegeben und ich - ich interessierte mich nicht einmal richtig dafür.
Sie öffnete die Autotür und lächelte mich an. Ich stieg vorsichtig aus, murmelte "Danke" und blinzelte einige Male. Das Sonnenlicht blendete mich nur noch leicht und auch die Hitze war erträglich. Es war ein perfekter Sommerabend. Kurz fand ich die Aussicht, das Ende des Tages in einem stickigen Saal zu verbringen alles andere als ansprechend, wo ich mich doch mit einem Buch und einer dieser unglaublichen Eissorten von der Eisdiele in der Nähe von Tante Bettys Haus in ihren Garten mit dem (für meine Verhältnisse) riesigen Pool setzten konnte... Doch ich sagte nichts. Wahrscheinlich würde ich das Morgen machen können. Oder Übermorgen. Oder an einem der darauf folgenden Tage der nächsten Wochen.
"Wir müssen einmal um das Gebäude herum gehen, Callie", riss Bettys Stimme mich aus meinen Gedanken. "Der Eingang ist auf der anderen Seite." Sie griff nach meinem Handgelenk (ich vermutete mal, dass sie meine Hand hatte erwischen wollen) und zog mich vom Auto weg. Ich ließ mich etwas unfreiwillig von ihr um das Gebäude herum lotsen. Als wir schließlich am Eingangszelt links vom einem der beiden Eingänge des Gebäudes angekommen waren, war Tante Betty schon ganz hibbelig.
"Hallo! Ich habe vor einigen Wochen Tickets für die Premiere eines neuen Spiderman-Films gebucht", las Tante Betty mit leicht holperndem Englisch von einem Zettel ab. Für einige schreckliche Momente war ich entsetzt. Sie lebte seit Jahren in in diesem Kaff von Amerika und konnte kein fließendes Englisch?! Wenn man schon freiwillig hier hin zog, dann musste man ja wohl ein paar Brocken draufhaben. Erst jetzt entdeckte ich, dass sie nicht von einem Zettel ablas, sondern unsere Karten in der Hand hielt. Ah, wahrscheinlich hatte sie einfach nur ein Gespräch anfangen wollen. Akzent vortäuschen, hatte sie mir mal gesagt, sei der beste Weg, um Interesse wecken. Ich persönlich musste das gar nichts vortäuschen. Mein deutscher Akzent war im Englischen ohnehin schon ausgeprägt genug. Deswegen war ich für Betty eine Art Schauspielerkünstlerin. Die Security scannte unsere Karten und nickte uns kurz zu. Aha, wir durften wohl weiter gehen.
"Excuse me?!-" fing Tante Betty fassungslos an, und starrte den Mann vorwurfsvoll an, der Tante Betty aber überhaupt nicht weiter beachtete und schon die nächsten Kunden empfing. Wenn Tante Betty etwas am meisten hasste, dann war es, keine Konversation zu betreiben. Ich spürte, wie sie innerlich zu brodeln begann. "Entschuldigen sie mal, junger Mann! Ich verstehe wirklich nicht, wieso sie mir zuhören, allerdings nicht antworten! Und um ehrlich zu sein ist mir das auch egal! Ich will hier nur mit meiner Lieblingsnichte die Premiere für einen ihrer Lieblingsfilme anschauen, und wissen sie was? Genau das mache ich!", schnauzte sie den Mann mit nun perfektem Englisch an. Lieblingsnichte? Lieblingsfilm? In mir stiegen sofort die Schuldgefühle von eben hoch.
Der Mann regte sich jetzt endlich und seufzte kurz, bevor er über schwierige alte Großmütter zu murmeln anfing, Tante Betty ein gezwungenes Lächeln schenkte und sagte, er müsse jetzt wirklich die Karten der anderen Gäste kontrollieren. Er trat zur Seite und ließ einen vollständigen Blick auf den roten Teppich hinter ihm zu, über den schon so viele berühmte Schauspieler*innen und Sänger*innen gelaufen waren. Vielleicht war das auch ein anderer Teppich, doch das schien den Fans, die dicht an dicht um den Teppich herum standen, nichts auszumachen - sie jubelten wie verrückt. Der Teppich führte jedenfalls zu dem zweiten, deutlich größeren Eingang, wie eine rote Linie. Das war dann wohl der Teppich, auf dem heute unser neuer Superstar Tom Holland alias der neue Spiderman seinen Catwalk präsentieren würde. Tante Betty holte mich mit einem fröhlichen Aufjuchzen wieder aus meinen Gedanken und hopste, wie sie nun mal lief, die Strecke bis zum kleineren Eingang des Kinosaal, der anscheinend für Besucher gedacht war. Ihre gute Laune war schneller zurückgekehrt als erwartet. Tante Betty konnte einfach niemandem böse sein.
"Komm Callie! Wir brauchen doch gute Plätze!" rief sie, ging durch die Tür und ich setzte mich in Bewegung. Eins war sicher: Es machte mir garantiert nichts aus, dass ich die Ankunft der Schauspieler nicht direkt sehen würde.
Tante Betty stand jetzt im Kinosaal. Ich folgte ihr langsam und schob mich fast wie in Zeitlupe an dem Mann vorbei, der in der Tür stand. Wir waren in einem riesigen Saal angelangt, der ziemlich muffig roch. Vorne war eine riesige Leinwand aufgebaut, fast direkt davor war eine höher gelegene Tribüne. Dort würden die Schauspieler sitzen. In den Reihen dahinter waren alle restlichen Plätze für die Filmcrew reserviert. Und wir, nein, die Fans und ich würden uns mit einer großen Fläche schnell aufgebauter Klappstühle ganz hinten abgeben müssen. Ich rümpfte einmal die Nase und checkte den Raum nach einer farbenfrohen Tante Betty ab, was in dem ganzen Gewusel von Fangirls und -boys gar nicht so leicht war. Endlich erkannte ich sie ganz hinten.
Okay Callie! Augen zu und durch, dachte ich mir. So viele Menschen an einem so kleinen Ort waren einfach zu viel für mein Bewusstsein. Alles in einem erinnerte mich der gefüllte Kinosaal stark an einen Flughafen. Nur waren die Leute weniger gestresst - stattdessen zittertete die Luft praktisch vor Aufregung. Meine Tante war erneut aus meinem Blickfeld verschwunden. Ich fühlte mich unwohl. Was tun, wenn du wie eine Hauptattraktion aus dem Zoo von den Leuten in deiner Nähe angestarrt wirst, weil du laut "Tante Betty!" schreist? Wahrscheinlich ging im Kopf dieser Menschen gerade herum, wer von den Schauspielern denn jetzt eigentlich so hieß.
Ich bemühte mich, irgendetwas zu sehen und quetschte mich an den ganzen Leuten vorbei, um Tante Betty noch einzuholen und war mehr als froh, als ich sie an ihrem Arm packen konnte. "Warte doch mal!" rief ich, und sie blieb endlich stehen. "Ah! Da bist du ja, Callieschatz!" sagte sie, als ob nichts gewesen wäre. Doch, es war etwas gewesen! Etwas gravierendes: Fast wäre in einer wogenden Masse aus marvelverrückten Fans untergegangen! Doch ist sagte, wie so oft, einfach gar nichts.
"Wieso stellst du dich nicht nach vorne, dann kannst du mit ihm ein Foto machen", erklärte Tante Betty mir aufgeregt und betotnte ihm ganz besonders. Ehe ich ablehnen konnte hatte sie mich schon nach vorne geschoben. Ich stand jetzt links von dem roten Teppich, der in den Kionsall führte, direkt zu der Tribüne, auf der die Schauspieler sitzen würden. Die meisten Journalisten standen zwar draußen, um die Ankunft unserer heutigen Stars zu filmen, trotzdem - auch hier im Saal hatten sie sich (genau wie Tante Betty und ich) zum roten Teppich vorgedrängt. Jedoch ohne Kameras - die waren im Kinosaal verboten, soweit ich wusste.
Genervt seufzte ich, tat aber Tante Betty den Gefallen und blieb an der Stelle. Ich würde GANZ SICHER KEIN FOTO MIT TOM HOLLAND ODER WAS WUSSTE ICH WEM MACHEN, nur um das mal klarzustellen. Ich wusste noch nicht einmal, ob die Möglichkeit dazu bestand und auch wenn - es würdewahrscheinlich teuer werden. Sehr teuer.
Doch ich wurde aus meinem Gedanken gerissen: Die Menge fing an, laut zu jubeln, die Journalisten versuchten, die ein oder andere Frage zu stellen und ich - ich stand in der ersten Reihe und blickte zur Tür, durch die nun die Mitglieder der Filmcrew traten.
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Why me?
FanfictionAls Callie gezwungenermaßen in den Ferien zu ihrer Tante nach Los Angeles fliegt, ahnt sie nicht, dass diese Karten für die Premiere für DEN Spidermanfilm mit Tom Holland besitzt. Natürlich begleitet sie ihre Tante zu der Filmvorstellung, wenn auch...