Kapitel 13

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Dieser wartete geduldig, bis Biggi wieder kam und schließlich kam sie auch wieder nach draußen. "Dir ist hoffentlich klar, dass Sunny mitkommt.", meinte sie, während Thomas von ihrem Anblick wie geblendet war. Sie sah wirklich umwerfend aus. Und deshalb dauerte es auch kurz, bis er auf ihre Ansage reagierte. "Könnte schwierig werden auf dem Motorrad.", antwortete er. "Wir müssen ja nicht zusammen fahren, oder? Ich hab gesagt, ich gehe mit dir essen. Von einer Spritztour war nicht die Rede. Und außerdem hast du doch bestimmt keinen zweiten Helm und ich steige bestimmt nicht ohne auf ein Bike.", stellte Biggi klar.
Thomas seufzte daraufhin und lief die Treppe hinunter, um Biggi vom Gegenteil zu überzeugen. Denn er hatte vorhin extra noch einen Zweithelm gekauft und diesen im Helmfach seines Motorrads verstaut. Diesen Helm holte er nun hervor und präsentierte ihn Biggi grinsend.
"Problem gelöst.", meinte er triumphierend. "Also komm. Ich glaube dein Hundekind hält es mal ein paar Stunden ohne Frauchen aus und ich bin mir sicher, dass du schon ewig nicht mehr Motorrad gefahren bist. Ich vermute mal seit ziemlich genau 15 Jahren."
Biggi sah Thomas vom oberen Treppenabsatz her an. "Und selbst wenn das so ist, erklärt es immer noch nicht, warum ich unbedingt zustimmen sollte, bei dir mit zu fahren.", entgegnete sie und tat so, als wäre sie absolut nicht angetan. Aber das war sie, sogar sehr. Und er hatte Recht, es war ewig her, das sie das letzte Mal auf einem Motorrad gesessen hatte und das hatte ihr an ihrer Rolle 'Biggi Schwerin' mitunter am meisten Spaß gemacht. Seitdem sie die Rolle aufgegeben hatte, war sie auch nie wieder auf ein Motorrad gestiegen. Weder als Fahrer, noch als Mitfahrer.
"Nun, du würdest dir ein bisschen Sprit sparen und wir würden leichter durch den Verkehr kommen.", erklärte Thomas. "Das ändert aber nichts daran, dass ich dir nicht vertraue!", rutschte Biggi nun heraus. "Und das wirst du auch nie wieder lernen, wenn du jetzt nicht über deinen Schatten springst. Du warst doch sonst nicht so langweilig, riskier mal was. Oder bist du zu feige?", forderte Thomas Biggi nun heraus, denn er wusste sie würde das nicht auf sich sitzen lassen.
Jedenfalls hoffte er, dass sie was das betraf, noch die alte Biggi von früher war und dass sie sich der Herausforderung stellen würde. Allerdings war das, was Manfred gerade tat, verdammt heikel und dessen war er sich auch bewusst. Entweder es funktionierte oder er versaute es sich noch mehr mit ihr, als er es ohnehin schon getan hatte. Zu verlieren hatte er allerdings trotzdem nichts, denn egal was er tun würde, es gäbe immer mehrere Möglichkeiten, wie sie darauf reagierte.
Nun sah Thomas auch aus der zwischen ihnen vorhandenen Entfernung, dass Biggi ihn wütend, gar angriffslustig, anfunkelte. Genau das war die Reaktion gewesen, die er erwartet und auf die er auch gehofft hatte. "Ich bin nicht feige!", stellte Biggi klar. "Dann beweise es mir doch einfach!", antwortete Thomas, um sie noch weiter zu provozieren.
"Du bewegst dich auf ganz dünnem Eis, Wächter!", warnte Biggi ihn, was Thomas jedoch wenig beeindruckte. Er war auf dem richtigen Weg, das spürte er einfach. Sie war immer noch die von damals, genau wie er immer noch der von damals war und das musste er jetzt für sein Vorhaben ausnutzen. "Und du versuchst Zeit zu schinden, Biggilein!", gab Thomas auf ihre Warnung zurück. "Was fällt dir eigentlich ein?!", rief Biggi aufgebracht. "Oh, ganz vieles. Zum Beispiel ist mir gerade eingefallen, dass ich einen Tisch in einem Restaurant reserviert habe und wir zu spät kommen, wenn du dich jetzt weiter aufführst wie ne Diva, nur weil du zu feige bist und es nicht zugeben willst! Hast wohl Angst, dass dir der Helm die Frisur versaut, was?!", warf Thomas der Schauspielerin an den Kopf und erreichte so genau das, was er wollte.
Biggi reichte es nun nämlich und sie wollte sich definitiv nicht als Feigling abstempeln lassen, weshalb sie zunächst Sunny ins Haus brachte und danach die Haustür anschloss. Außer den Hausschlüssel würde sie sowieso nichts mitnehmen, da sie Thomas ja dazu verdonnert hatte, sich um das Finanzielle zu kümmern. Als Sunny sicher verwahrt war, stapfte Biggi die Treppe hinunter und durch den Sand auf Thomas zu. Dieser rechnete fest mit einer Ohrfeige und einer Abfuhr, allerdings beschloss er abzuwarten.
Tatsächlich kam es auch ganz anders.
Anstatt ihm eine Ohrfeige zu verpassen, blieb Biggi unmittelbar vor Thomas stehen, streckte den Arm aus machte eine auffordernde Geste mit der Hand. "Gib her!", befahl sie ihm und meinte damit den Helm, den er nach wie vor in den Händen hielt. "Was? Den hier?", fragte Thomas und stellte sich absichtlich als unwissend dar. Er wusste natürlich genau, was Biggi meinte. "Hör auf mit den Blödsinn und gib ihn schon her!", motzte sie und entriss ihm den Helm regelrecht.
"Wenn du Pech hast, passt der mir gar nicht und du musst ihn zurück geben!", meckerte die Schauspielerin weiter. "Der wird passen.", antwortete Thomas selbstsicher. "Ich hab extra die Dickkopf-Größe gekauft, den hast du ja offenbar nach wie vor!", fügte er hinzu. "Arschloch!", rutschte Biggi nun heraus. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass Thomas' Provokationen durchaus kreativ waren. "Hochnäsige Zicke!", erwiderte dieser. "Und wenn du mich schon beleidigst, dann mach das doch bitte in deiner Muttersprache. Ihr Österreicher klingt dabei immer so niedlich, dass man euch da echt nicht ernst nehmen kann. Kann ich dich gerade übrigens auch nicht wirklich, wenn ich ehrlich sein soll. Zwerge wie du sehen immer knuffig aus, egal mit welchen Kraftausdrücken sie auch rum schmeißen."
Biggi war nun so perplex, dass ihr kein Konter darauf einfiel. Die beiden blickten sich einen Augenblick lang an und dann fing Biggi plötzlich an, zu lachen. Das Gespräch war einfach so absurd, dass es keinerlei Sinn ergab und sie versuchten sich lediglich an Beschimpfungen zu überbieten, wie zwei Kindergartenkinder.
Auch Thomas konnte nicht mehr an sich halten und stimmte in das Gelächter mit ein.
Biggi setzte schließlich den Helm, der wie angegossen passte, auf und Thomas schwang sich auf das Motorrad.
Biggi stieg hinter ihm auf und hielt sich lediglich an seinen Schultern fest. "Solltest du zufällig die Hoffnung haben, dass ich mich jetzt wie ein kleines, hilfloses Äffchen an dich klammere, hast du dich übrigens gewaltig geschnitten!", stellte Biggi klar, jedoch lachte Thomas darüber nur und fuhr schließlich einfach los.
Er hatte deshalb nichts erwidert, da er sich absolut sicher war, dass Biggi falsch lag. Thomas kannte die Strecke, die sie fahren mussten, inzwischen und diese war sehr kurvig und uneben. Biggi würde so oder so gezwungen sein, sich besser fest zu halten, als sie es gerade tat, wenn sie nicht hinunter fallen wollte. Doch davon ahnte die Schauspielerin noch nichts.
Es vergingen ein paar Minuten und sie hatten den Strand inzwischen hinter sich gelassen. Biggi hatte keine Ahnung, wo Thomas hin fuhr und je länger sie unterwegs waren, desto schwieriger fiel es ihr sich fest zu halten.
Die Strecke wurde gefühlt immer holpriger und außerdem merkte sie, dass Thomas sich absichtlich ein bisschen stärker in die Kurven legte, als es nötig gewesen wäre. Biggi war schon so oft Motorrad gefahren, dass sie inzwischen ein Gefühl dafür entwickelt hatte, jedoch musste sie sich schließlich doch an ihren ehemaligen Kollegen klammern, um den Halt nicht zu verlieren.
"Na, bist du jetzt doch ein kleines, hilfloses Klammeräffchen?", erkundigte sich Thomas amüsiert. "Es wäre nicht nötig, wenn du dich nicht wie Kamikaze in die Kurven schmeißen würdest!", stellte Biggi klar. "Bilde dir da bloß nichts drauf ein!", fügte sie hinzu. "Was kann ich dafür, wenn die Kurven so scharf sind?!", fragte Thomas, der sich keiner Schuld bewusst war.
Biggi wusste, dass er es gerade wirklich darauf anlegte, aber irgendwie beschloss sie, sich auf das Spiel einzulassen. Zugegebenermaßen hatte sie gerade sehr viel Spaß und diese Nähe zu Thomas war ihr plötzlich wieder so vertraut, dass es in ihrem Bauch zu kribbeln begann. Und das, obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, jegliche Art von Zuneigung gegenüber diesem Mann für immer aus ihrem Repertoire an Gefühlen und Emotionen zu verbannen.
Selbst die, die nur Freundschaft ihm gegenüber ausdrückten, doch das Vorhaben schien sich als schwerer herauszustellen als gedacht, wie Biggi nun erkannte.
Zugegeben hätte sie das aber nie und sie würde es Thomas ganz sicher nicht einfach machen, das schwor sie sich.

Fürs echte Leben gibt's nun mal kein Drehbuch - 15 Jahre später Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt