»Wahrheiten1«

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Während Rian neben Juri Platz nahm, stellte Odran vier Gläser und eine Flasche Whisky auf den Tisch. Unsicher schaute ich direkt zu meinem Ehemann, der mir ein kurzes Nicken zur Treppe zuwarf und mir damit klarmachte, dass ich lieber gehen sollte, auch wenn Juri mich wohl »kennenlernen wollte«.

Wahrscheinlich war es aber wirklich besser das Weite zu suchen. Ich verstand sowieso nichts von den Geschäften und noch weniger von Verträgen, also holte ich tief Luft und schaute zwischen den Dreien hin und her.

"Bitte entschuldigt mich, aber ihr Männer wollt sicher lieber alleine sein", murmelte ich leise und wandte mich zur Treppe, ehe Juri sich aber plötzlich laut räusperte.

"Warte, Liebes", meinte er mit ruhiger Stimme und ich drehte mich widerwillig erneut zum Tisch, wo die Drei mich allesamt anstarrten. "Ich möchte gerne von dir erfahren, warum ich meine besten Männer hierher bringen musste."

Er zeigte auf den Stuhl neben Odran und in dem kurzen Moment, wo ich zögerlich zu Rian sah, holte Juri plötzlich eine Pistole unter seinem Kimono hervor und legte sie genauso auf den Tisch, dass der Lauf von ihr auf Odran zeigte.

Er stand also auf Psychospielchen...

Widerwillig nahm ich dann Platz und bekam auch sofort ein Glas von ihm gereicht, während er mich eindringlich musterte. Rian sah mich an, als wäre er selbst gespannt darauf, was ich erzählen würde, was mich nur fragend eine Augenbraue heben ließ.

Wahrscheinlich wollte er nur zum ersten Mal sehen, wie ich mich vor einem anderen Mafia Typen beweisen würde.

Hauptsache keine Angst zeigen... was schon gelaufen war, so sehr, wie meine Hände schwitzten.

"Es gibt einen Mann, der mich beobachtet hat und-"

"Woher weißt du, dass er dich beobachtet hat?", unterbrach mich Juri unfreundlich und fixierte meine Augen, während ich ihm nervös auswich und mein Glas anstarrte, welches sich zwischen meinen feuchten Händen befand. Die braune Flüssigkeit darin lächelte mich schon förmlich an.

"Ich hab ihn von meinem Fenster aus gesehen", erklärte ich schüchtern und nahm daraufhin einen Schluck des brennenden Whiskys, in der Hoffnung, er würde mich lockerer machen, doch er tat es nicht. "Als ich dann nachsehen wollte, wer da unten stand....

Ich erzählte Juri ganz in Ruhe davon, wie der Unbekannte mich angestarrt hatte, wie er seinen Kopf schräg gelegt hatte. Erzählte von der geladenen Waffe in meiner Hand, von der Fingerpistole und auch davon, dass Nero mich gerettet hatte und das ich sonst wahrscheinlich genau wie der Wachmann tot gewesen wäre.

"Und dann habe ich ihn auf dem Golfplatz wiedergesehen."

Juri ließ mich zum Glück alles genaustens schildern, ohne mich erneut zu unterbrechen und als ich fertig war, trank ich mein Glas auf Ex und Rian streckte mir über den dunklen Holztisch seine Hand entgegen, die ich milde lächelnd in meine nahm.

Seine Nähe gab mir sofort ein beruhigendes Gefühl...

"Das muss ein echt kranker Bastard sein", gab Juri beeindruckt von sich und zeigte dann mit einem nachdenklichen Ausdruck zur Treppe hinter mir. "Der Junkie da oben hat ein Alibi?!"

Sofort löste Rian seine Hand aus meiner und als ich ihn fragend ansah, erkannte ich, wie angespannt und wütend er in dem Moment wirkte. Auch Juri und Odran bemerkten seine Reaktion und die Anspannung am Tisch wurde plötzlich wieder so unangenehm, dass ich mich unsicher selbst am Whisky bediente, was mit meinen mittlerweile zitternden Händen wirklich problematisch wurde.

"Es reicht!", hörte ich Rian dann ernst sagen und seine Stimme war dabei so eiskalt, dass mir ein Schauer über den Rücken zog. "Er ist trotz allem mein Bruder! Ich habe das Recht, ihn zu verurteilen, aber du nicht, Juri!" knurrte er den Russen an und trotz der Angst vor Juris Reaktion darauf, freute es mich innerlich, endlich Mal zu sehen, dass er trotz den ganzen Differenzen zu Senan hielt.

"Schon gut!", hob Juri entschuldigend die Hände und wandte sich dann erneut an mich. "Da nun alles geklärt ist, wünsche ich dir einen schönen Tag."

Ich nickte und wartete dann, dass sie weitersprechen würden, bis mir mit roten Wangen peinlich berührt klar wurde, dass sie mich loswerden wollten und das mein Zeichen war.

"Entschuldigung", murmelte ich verlegen und erhob mich eilig von meinem Stuhl, um mich zur Treppe zu wenden, doch wieder hielt ich inne und drehte mich ein letztes Mal an diesem Tag zu Juri herum.

"Ich habe auch eine Frage", kam es schüchtern aus meinem Mund, während Juri  eine Augenbraue hob und Rian sichtlich nervös wurde.

Was dachte der denn, was ich fragen wollte?

"Was meintest du damit, dass ich schuld an dem Tod eines Mannes bin?"

Juri lachte laut auf und schaute dabei zu Rian, der meinem Blick sofort auswich.

Was sollte der scheiß???

"Naja, dein Mann hat unsere Ehre beleidigt", zuckte Juri dann belustigt mit der Schulter und trank einen Schluck seines Whiskys. "Weißt du, er hatte eine halbnackte Frau auf seinem Schoß, sowas ist bei uns Tradition. Doch dein Mann war der Meinung, er müsste sie durch den halben Raum schleudern, als sie seinen Schwanz angefasst hatte."

Ich riss ungläubig die Augen auf und erinnerte mich an den Abend zurück. Im Pool hat er mir zum ersten Mal gesagt gehabt, dass er nur mich brauchte und das es ihm klargeworden war... Auch das Blut an seinem Kragen erklärte sich mit Juris Worten... Doch egal wie stolz ich war, dass er sich nicht auf eine Hure eingelassen hatte, dieser Gedanke, dass eine andere Frau ihre Hand an seinem Schwanz hatte, machte mich unfassbar wütend.

Ich warf Rian einen Todesblick zu und hoffte, er würde vom Stuhl kippen, doch er sah mich nur ausdruckslos an, was wahrscheinlich daran lag, das Juri uns genaustens beobachtete und er sich nicht anmerken lassen wollte, was er wirklich für mich empfand.

Als würde er es verstecken können!

"Na, dann. Schönen Tag noch!", gab ich mit hochgezogener Augenbraue von mir und schenkte einzig Juri in diesem Augenblick meine Aufmerksamkeit und ein zuckersüßes Lächeln.

Dann wandte ich mich ab und lief nach oben, um mich im Badezimmer vor dem Spiegel kurz zu sammeln. Meine Augen sahen mir mit gemischten Gefühlen im Spiegel entgegen, während ich von dem Alkohol innerlich glühte und nur langsam anfing zu begreifen, was da eigentlich heute alles gesagt wurde.

Eigentlich sollte ich ja stolz sein, dass Rian sich meinetwegen mit den Russen angelegt hatte, aber ein Thema beschäftigte mich im Moment mehr.

Seine Mutter und die Frage dahinter, ob Senan wirklich an ihrem Tod schuld war...

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😘🤫

Rian - Bis dass der Hass uns scheidet Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt